April 1911

04. April 1911
Beim Haschespiel wurde gestern auf der König Albertstraße*1 der 12 Jahre alte Sohn eines dort wohnenden Invaliden von einem anderen Knaben gestoßen, wodurch der erstere hinstürzte und sich dabei eine erhebliche Verletzung am Ellenbogen zuzog. Ein dort wohnender Samariter leistete dem Bedauernswerten die erste Hilfe.

06. April 1911
In der nächsten Zeit verschwindet wieder ein Stück von dem früheren alten Ernstthal. Das an der Lungwitzer Straße gegenüber dem Gasthaus „Zur Linde“ gelegene große geräumige Haus, das seit einer Reihe von Jahren Herrn Kommerzienrat Robert Pfefferkorn gehört, wird abgebrochen werden, um einen neuen modernen Bau Platz zu machen. Das Haus mit dem umfangreichen Hofe war früher ein Bauerngut, in welchem die Familie Baumgärtel Vieh- und Landwirtschaft trieb, es hatte noch im letzen Drittel des vorigen Jahrhunderts ein vollständig bäuerliches Aussehen und war von einem Garten umgeben, der dem dortigen Straßenbild ein hübsches Aussehen verlieh. Die Bauernwirtschaft wurde aber nach der Poststraße verlegt und das alte Geschäft von dem verstorbenen Restaurateur Riedel gekauft und abgebrochen und zu Geschäftszwecken ausgebaut, bis es dann in den Besitz des jetzigen Eigentümers überging. In den letzten Jahren diente das Haus teils zu Niederlags- teils zu Wohnzwecken, auch war darin die Schuh- Pantoffelfabrik von K. Wagner und die Schmiederei von Otto Wolf untergebracht.

07. April 2011
Das am Bahnhofe gelegene Schwotzersche Haus ist jetzt käuflich in den Besitz des Stickereibesitzers Paul Preußler von hier übergangen, der einen Teil der Räume zu Fabrikationszwecken einrichten wird.

08. April 2011
Heute früh bemühte sich ein Jauchenwagen, die Weinkellerstraße mit wohlriechenden Düften zu versorgen, indem ihm der Stopfen herausfiel und der Inhalt sich auf die Straße entleerte. Während der Fuhrmann bemüht war, den Verschluß wieder herzustellen, genossen die Anwohner die Freuden ambrosischen Geruchs, der erst durch Wasser notdürftig beseitigt werden konnte.

11. April 1911
Am vergangen Sonnabend konnte Herr Wilhelm Böttger, Mitinhaber der Mechanischen Deckenfabrik von J. G. Böttger hier, mit seiner Gattin das Fest seiner Silberhochzeit begehen. Aus diesem Anlasse ließ derselbe heute in den Fabrik-Arbeitsräumen durch Aushang bekannt machen, dass er nächsten Sonnabend zugleich mit dem Lohn für diese Woche sämtlichen Arbeitern und Arbeiterinnen , sowie den Hauswebern der Firma nochmals den Lohn der vergangenen Woche in voller Höhe zur Auszahlung bringen lassen werde. Die Beamten und Angestellten der Firma erhielten ebenfalls Geschenke überreicht. – Selbstverständlich rief diese frohe Mitteilungen allenthalben große Freude hervor und Herr Wilhelm Böttger, der sich sowohl bei der Arbeiterschaft wie auch bei den Beamten allgemeine Sympathien erfreut, hat sich durch diese hochherzige Gesinnung bei allen Beteiligten von neuem Anerkennung und Wertschätzung erworben.

14. April 1911
Eine ziemlich weite Reise machte ein Kinder-Luftballon, der gestern nachmittag auf hiesigem Bahnhof in der Nähe des Güterschuppens niederging. Der Ballon, der die stolze Aufschrift „Zeppelin“ aufwies, war, wie eine angehängte Postkarte besagte, von den Schulknaben Erich Schellenberger und Kurt Schlenzig in Pforten bei Gera auf einem Felde ausgelassen worden. Der Bitte der Knaben, auf angehängter Karte den Ort zu bezeichnen, wo der Ballon gefunden wurde, ward von den Findern unter Beifügung eines Grußes aus unserer Bergstadt entsprochen.

Wie wir hören, soll das diesjährige Erzgebirgische Volksfest, das, wie unsere Leser wissen, heuer zum erstenmal auf dem Pfaffenberge abgehalten wird, am Sonntag und Montag den 13. und 14. August stattfinden. Mit diesem Fest auf freier Höhe, von der aus sich eine herrliche Fernsicht bietet, wird – wenn dessen Fertigstellung bis dahin zu ermöglichen ist – auch die Weihe des Berghauses „Zur Bismarckhöhe“ verbunden sein.

26. April 1911
Die Kunde von einem Automobil-Unglück durcheilte gestern gegen Abend unsere Stadt. Die Vermutungen, die dabei über die Schwere des Unglücks zum Ausdruck kamen, treffen aber glücklicherweise nicht zu, wennschon der eine der Betroffenen schmerzhafte Verletzungen davontrug. Zwei Söhne eines hiesigen Destillateurs fuhren mit einem kleinen dreirädrigen Automobil (Phänomobil) auf der Langenberger Straße, als es aus bisher noch unermittelter Ursache das Fahrzeug plötzlich umschlug und die Insassen herausgeworfen wurden. Der eine derselben, der erst kürzlich seine seminaristische Laufbahn beendete, erlitt eine Stirnwunde und Verstauchungen, während der andere mit geringe, Schaden davonkam. Der Verletzte wurde in das Gasthaus „Fichtental“ gebracht und ein hiesiger Arzt nach dort gerufen, der den ersten Verband anlegte. Wie uns mitgeteilt wird, ist die Ursache des Unglücks nicht in zu schneller Fahrt zu suchen, denn Augenzeugin des Unfalls bemerkte während der Vorbeifahrt des Autos den Insassen, dass sie fast mit diesem Schritt halten könne. Jedenfalls das Fahrzeug mit Vorderrad gegen einen Stein.

*1 König Albertstraße = heute: Conrad-Clauß-Straße

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März 1911

01. März 1911
Gestern trug man in der Neustadt einen Mann zu Grabe, einen einfachen schlichten Weber, Herrn Friedrich Lohse, dessen Wirken in der hiesigen Webindustrie nur wenigen bekannt war. Herr Lohse war eine von den Naturen, deren Geist ständig schafft und denkt. Schon vor vielen Jahren, als der mechanische Webstuhl in unserer Stadt noch sehr wenig Ausbreitung gefunden hatte, arbeitete der nun Verstorbene daran, den alten Holzwebstuhl mittelst verschiedener Konstruktionen einfacher zu gestalten und dem Handweber das schwere Arbeiten zu erleichtern. Aber wie dies so geht, er hatte Erfolge und auch Mißerfolge. Durch die Einführung der Elektrizität in unserer Stadt wurde Lohse wieder ausgemustert und nun ging er daran, den alten hölzernen Webstuhl zum mechanischen umzuändern, was ihm auch nach einiger Zeit gelang. Er hatte jedoch damit wenig Glück und so gut wie keinen materiellen Erfolg, da die fortschreitende Technik und der eiserne Webstuhl ihm das Feld seiner Tätigkeit sehr erschwerten. Seine wenigen Spargroschen mußte er zusetzen und es ging ihm wie so manchen Erfindergenie – die Hoffnung hatte ihn betrogen. Auch sonst hat er sich noch als Erfinder betätigt. Als vor einigen Jahren eine große sächsische Straßenbahngesellschaft ein Preisausschreiben für Schutzvorrichtungen an Straßenbahnwagen erließ, reichte Lohse eine Lösung mit ein. Jetzt hat nun der strebsame Mann die Augen für immer geschlossen. Daß er durch sein treues biederes Wesen allgemein beliebt war unter der Arbeiterschaft, bewies der große Trauerkondukt. Der Verstorbene hat nur ein Alter von 60 Jahren erreicht.

02. März 1911
Die gestrigen Fastnachtsveranstaltungen ließen in unserer Stadt noch einmal das fröhliche Karnevalstreiben aufleben, daß sich, soweit es die Kinder betrifft, infolge der von der Schule aus ergangenen Weisungen in gemäßigten Grenzen hielt. In harmloser Weise gab sich die kleine Welt dem Vergnügen hin und es war auch so ganz schön, ohne daß, wie es in anderen Jahren zu beobachten war, die Kinder von Haus zu Haus, von einem Restaurant zum anderen zogen. Am Abend vergnügten sich auf den Tanzsälen, in Vereinen und auch im privaten Zirkel die Großen, um bei allerlei Scherz und fröhlichen Mummenschanz den letzten Faschingstag zu genießen.

05. März 1911
Gestern abend versuchte ein junges Mädchen von hier sich in einem Schuhwarenladen auf der Dresdner Straße ein paar elegante Schuhe zu erschwindeln. Auf die Polizeiwache gebracht, legte sie sich einen falschen Namen bei, nach kurzem aber gelang es, sie als eine Repassiererin K. festzustellen. Die Unbesonnene dürfte ihre Tat mit einer gerichtlichen Strafe zu büßen haben.

08. März 1911
Einen gefährlichen Sport, vor dem fast in jeder Nummer der Zeitung eindringlich gewarnt wird, widmete sich eine Anzahl hiesiger Schuljungen, die sich zu Revolverschützen ausbilden wollten und zum Uebungsplatz den Langenberger Wald erwählt hatten, wo ihnen vorgestern ein Forstbeamter das Handwerk legte, das den Jungen sehr leicht zum Verderben werden konnte. In Frage kommen hierbei die Schulknaben Wilhelm Anton Ki., dann ein Louis Paul L. und ein gewisser Ko. Letzterer stand derart unter dem Zwange seiner „Spiel“ genossen, daß er auf Geheiß Ki.´s wiederholt seine in der Weberstraße wohnende Großmutter bestohlen hat. Die Diebstähle liegen in ihren Anfängen um sechs Monate zurück, die entwendeten Geldbeträge beziffern sich auf etwa 50 Mark. Hiervon kaufte man in einer hiesigen Eisenhandlung, deren Besitzer sich jedenfalls auch noch zu verantworten haben wird – wenigstens dürfte ihm der Verkauf von Schutzwaffen an Kinder ein Strafmandat einbringen -, eine Windbüchse und einen Revolver und nun ging das frisch-fröhliche Jagen los! Bei diesem gefährlichen Spiel konnte sich leicht ein sehr schweres Unglück ereignen. Ein Fortbildungsschüler namens L. hantierte nämlich mit dem Schießeisen, ehe man sich´s versah ging der Schuß los und um Haaresbreite an Ki. vorbei. Jedenfalls dürfte der jugendlichen Lust am Knallen nun mal ein kräftiger Dämpfer aufgesetzt werden. Wir hatten bereits gestern Kenntnis von allen Einzelheiten, hielten mit der Meldung aber derselben aber mit Rücksicht auf die noch nicht völlig abgeschlossenen polizeilichen Erörterungen auf Wunsch unserer Polizeiverwaltung zurück.

09. März 1911
In der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten ward eine eingehende Debatte gepflogen über eine von der Stadt erbetene Unterstützung des Erzgebirgsvereins hinsichtlich der von diesem geplanten Erschließung des Berggeländes. Das Kollegium beschloß, wie im Sitzungsbericht des näheren ausgeführt ist, dem Verein die benötigten Baugelder gegen mäßigen Zinssatz zu bewilligen und weiter verpflichtet sich die Stadt zu einem jährlichen Beitrag von 500 Mark für das Wirtschaftsgebäude, der, wenn dieses sich rentiert, wieder in Wegfall kommt. Eine weitere wichtige Angelegenheit, die einen Teil unserer Bürgerschaft lebhaft beschäftigt, betraf das Kunzegäßchen. Hierzu wurde beschlossen, den Weg bestehen zu lassen und ihn auf eine Breite von 4,5 Metern aufzubauen.

15. März 1911
In letzter Nacht hat abermals ein hiesiger geachteter Einwohner seinem Leben freiwillig ein Ende gemacht: in dem zum „Johannesgarten „ gehörigen Teiche fand man in der 12. Stunde den gegen 60 Jahre alten Musterzeichnereibesitzer Kobes, der in der Braugasse wohnt, ertränkt vor. Die Zeit vor seinem Abschied aus dem Leben verbrachte er im „Johannesgarten“. Als die letzten Gäste sich entfernen wollten, sah man K.s Überzieher und Hut an der Wand hängen, man hatte aber nicht gehört, daß K. sich verabschiedet hätte. Schlimmes ahnend, begaben sich einige Gäste auf die Suche nach dem Vermißten, den man bald als Leiche fand, die auf dem Wasser schwamm. Bei seinem Sprung in das kalte Wasser dürfte K. vielleicht schon einem Schlaganfall erlegen sein. Wie es heißt, haben finazielle Schwierigkeiten, aus denen er keinen Ausweg fand, Herrn K. in den Tod getrieben.

17. März 1911
In nicht geringe Verlegenheit kam dieser Tage ein Landwirt aus einem benachbarten Dorfe, der in hiesiger Stadt bei einem Materialwarenhändler und Kleinviehschlächter ein fettes Schwein abliefern wollte. Als er das Tier vom Wagen abladen wollte, mußte er die Wahrnehmung machen, daß der Wagen leer und das Borstentier verschwunden war. Der hintere Wagenschieber hatte sich gelockert und der Landwirt hatte das Schwein verloren. Nun war guter Rat teuer. Der Materialwarenhändler mußte das Schweineschlachten für einige Stunden aufschieben und der Landwirt machte sich auf den Weg, um das Borstentier zu suchen. Er hatte Glück, denn nicht weit von seinem Gehöft gewahrte er zu seiner Freude das Fundobjekt auf dem Felde, das dann im Aerger und in der Freude nochmals auf den Laden geladen und sofort in unserer Stadt abgeliefert wurde. Daß es nicht wieder ausriß, dafür sorgte der Landwirt und dann nochmals der Fleischer.

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Februar 1911

02. Februar 1911
Der Erzgebirgsverein steht in diesem Jahr bekanntlich vor großen Aufgaben: gilt es doch in den neuen Anlagen auf dem Berge den Festplatz und das Festgelände zu schaffen, die künftig hin den Mittelpunkt für die Volksfeste abgeben sollen. Angesichts dieser verantwortungsvollen Tätigkeit ist dringend zu wünschen, das die Versammlungen des Vereins, die bekanntlich wahrscheinlich öfter als sonst stattfinden müssen, mehr Anteilnahme seitens der Mitglieder als bisher. Wenn auch die Mitglieder durch ihr „Schwänzen“ dem Vorstand ihr Vertrauen bezeugen, das er alles Zweckdienliche aufs Beste erledigen wird, so ist es doch sowohl dem Vorstande wie den wenigen Getreuen , die regelmäßig die Versammlungen besuchten, angenehmer, wenn eine zahlreiche Versammlung sich zu den Notwendigkeiten des Vereins äußert, als wenn zwanzig Herren die wichtigsten Beschlüsse fassen. Wir möchten dieserhalb den Appell, den gestern abend Herr Stadtrat Anger an die Versammelten richtete, an dieser Stelle weitere Verbreitung geben und alle Mitglieder zu reger Mitarbeit auffordern. Die gestrige, im „Deutschen Krug“ abgehaltene Versammlung war von verhältnismäßig kurzer Dauer, da sie sich nur mit einem Gegenstand der Genehmigung eines mit der „Turnerschaft“ abgeschlossenen Vertrags zu beschäftigen hatte. Dieser Vertrag geht bekanntlich dahin, der „Turnerschaft“ ein etwa 6000 Quadratmeter umfassendes Areal auf eine Reihe von Jahren zur Herstellung einer Turnhalle in Erbpacht zu geben unter der Bedingung, daß die Turnerschaft ihrerseits Halle und Platz zur Abhaltung der Volksfeste des Erzgebirgsvereins kostenlos zur Verfügung stellt. Die „Turnerschaft“ hat ihre Bereitwilligkeit, mit dem Erzgebirgsverein in ein derartiges Vertragsverhältnis zu treten zu erkennen gegeben, sodaß die gestrige Versammlung in der Lage war, den Vertrags-Entwurf, wie er von beiden Kontrahenten vereinbart worden ist, mit geringfügigen Abänderungen zu genehmigen. Sobald die „Turnerschaft“ in einer erneuten Versammlung ihrerseits wieder die Genehmigung zu den Abänderungen des Entwurfs gegeben hat, steht der Verwirklichung des Planes kein Hindernis mehr im Wege. Man darf somit voraussichtlich damit rechnen, schon in diesem Jahre auf dem Berge nicht nur die Halle und den Platz der „Turnerschaft“ sondern auch das Festgebäude des Erzgebirgsvereins erstehen zu sehen. In den leitenden Kreisen des Vereins ist man der festen Hoffnung, schon in diesem Jahr das Volksfest oben auf der Höhe abzuhalten.

05. Februar 1911
Erlogen war die Mitteilung eines Mädchens, es sei oberhalb des Forsthauses Oberwald von einem fremden Mann überfallen und der Barschaft in Höhe von 15 Mark beraubt worden. Die Schwindlerin heißt Martha Frieda Kirschstein; sie wurde am 1. d. M. mittellos aus dem hiesigen Stadtkrankenhause entlassen und hat, wie es heißt, auch früher schon in anderen Fällen ähnlich unwahre Angaben gemacht. Die lügenhafte Person gab nach dem angeblichen Ueberfall an, sie sei bei dem Gutsbesitzer Leonhardt in Tirschheim bedienstet, dieser habe ihr 15 Mark zur Ablieferung an einen hiesigen Malermeister übergeben. Da sei ein Mann aus dem Walde gekommen, habe sie angefallen, wobei das Jackett zerrissen wurde und dann beraubt. Alle diese Angaben stellen sich jetzt als völlig erlogen heraus. Nach dem Verbleib des Mädchens wird noch geforscht.

07. Februar 1911
Ein bedauerlicher Unglücksfall trug sich am Sonnabend abend auf der unteren Weinkellerstraße, neben dem Hotel „Schweizerhaus“ zu. Die schon ältere Frau eines Briketthändlers vom Landgraben bei Mittelbach war im Begriff, noch über die Straße zu gehen, als das Pferd eines einspännigen Schlittens vor einem einlaufenden Zug scheute und die Frau überfuhr. Sie geriet unter den Schlitten und wurde ein Stück geschleift, wobei sie erhebliche Verletzungen am rechten Unterschenkel und am Hinterkopf erlitt. Die Aermste wurde sofort ins „Schweizerhaus“ getragen und in ärztliche Behandlung gegeben. Einer Ueberführung ins hiesige Krankenhaus durch zwei Samariter widersetzte sie sich und wurde nach ihrer Wohnung gefahren. In Begleitung der Frau befand sich zurzeit des Unglücks der Ehemann.

14. Februar 1911
In plötzlichen Entschluß machte heute früh der Lehrer an der Altstädter Bürgerschule Herr Max Guido Krause seinem Leben durch einen Schuß in die rechte Schläfe ein vorzeitiges Ende. Ueber die Ursache zu diesem bedauerlichen Schritte ergeht man sich vorläufig nur in Vermutungen, doch sei vorweg bemerkt, daß irgendwelche ehrenrührige Gründe nicht in Frage kommen. Der Lichtensteinerstraße ein Zimmer bewohnte, hatte sich heute früh zum Gang in die Schule fertig gemacht, er bekam seinen Morgenkaffee durch eine von der abwesenden Logiswirtin beauftragte Stubennachbarin und gleich darauf – es war gegen ½ 8 Uhr – hörten Hausbewohner einen scharfen Knall und ein schweres Aufschlagen auf die Diele. Als man näher zusah, fand man Herrn Kr. Im Zimmer entseelt vor. Die Bücher, deren er zum Unterricht benötigte, sowie Taschenmesser, Uhr, Portemonaie usw. lagen auf dem Tische, der Kaffee war kaum berührt. Auf einem Zettel hinterließ der so schnell aus dem Leben Getriebene, der im Alter von 36 Jahren stand, eine Mitteilung des Inhalts, daß er sterben wolle, weil seine Nerven nicht mehr widerstandsfähig seien. Kurz vor der Tat erhielt er noch einen Brief von seinem auswärts wohnenden Zwillingsbruder, den er, wie es heißt, wiederholt finanziell unterstützte. Ob dieser Brief vielleicht den Anlaß zu dem traurigen Schritt gegeben hat, ist vorläufig noch unaufgeklärt. Gleich nach dem Bekanntwerden des Falles wurde die Leiche polizeilich aufgehoben und nach der Friedhofshalle gebracht. Herr Krause, der unverheiratet war, wurde am 9. März 1875 zu Elbisbach bei Borna geboren, genoß seine Vorbildung auf dem Seminar Grimma II, war von 1895 ab Vikar in Belgershain und Hilfslehrer in Ragewitz, um dann im Jahre 1898 zum ständigen Lehrer in St. Egidien gewählt zu werden. Seit 1900 war er an unserer Schule angestellt. Als treuer und biederer Mensch und Kollege erfreute er sich der Achtung der ihm nahe stehenden Kreise.

26. Februar 1911
Am Mittwoch mußte ein hiesiger Einwohner, der auf der Karlstraße turbulente Szenen aufführte, verhaftet werden, weil er in der Trunkenheit Hausskandal verübte und Hausmitbewohner bedrohte. Gestern erhielt er die Freiheit wieder, und sein Erstes war, den einmal begonnenen Krawall fortzusetzen. Er machte sich hierbei auch der Körperverletzung und als zu seiner Bändigung die Polizei herbeigeholt war, des Widerstands schuldig. Deshalb erfolgte seine abermalige Verhaftung und seine Ueberweisung ans Amtsgericht.

28. Februar 1911
Heute nachmittag wurde in einem Bäckerladen auf der Bahnstraße ein junger Mann festgenommen, der im Begriff war, die Ladenkasse zu berauben. Der Mensch will die Absicht gehabt haben, Brötchen zu kaufen, schnitt beim Öffnen der Ladentüre den Klingeldraht durch und glaubte nun, da niemand im Laden war, ungestört die Kasse ausleeren zu können. Er hatte aber nicht damit gerechnet, daß die Kasse extra durch eine Klingelleitung, die nach der Wohnstube des Bäckermeisters ging, gesichert war. Als er nun den Kasten herauszog, kam auf das Läuten der Meister herbei und nahm den Burschen fest. Er hatte sich bereits aus der Ladenkasse 8 Mark. und aus einem anderen Kasten 2.25 Mk. angeeignet. Der Dieb entpuppte sich als der am 26. Januar 1891 in Kirchberg bei Zwickau geborene domizillose Weber Ernst Karl Wellner, der erst vor kurzem wegen eines in Dippoldiswalde begangenen Diebstahls eine Gefängnisstrafe verbüßt hatte. Das Gefängnis wird sich für ihn nun abermals öffnen.

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Januar 1911

08. Januar 1911
Ein Einbruch, bei welchem dem Dieb große Beute in die Hände fiel, ward in der Nacht zum Freitag beim Fleischermeister Otto Grabner, Besitzer des Restaurants „Zur Linde“, Lungwitzer Straße verübt. Der Verbrecher hat den Weg zur Wohnung von der Schubertstraße aus genommen, wo er durch den offenen Torweg in den Hofraum von dort durch ein nicht zugewirbeltes Parterrefenster in die Küche und dann in das unverschlossene Wohnzimmer gelangte. Dort hat er vor allem den Kleiderschrank und die Kommode durchwühlt und daraus vieles mitgehen heißen. Außer einer Summe baren Geldes sind gestohlen, wie uns von privater Seite mitgeteilt wird, ein Gehrock, zwei gute Westen und eine Taschenuhr. Anscheinend ist der Dieb gestört worden, denn als der Bestohlene den Einbruch bemerkte, lagen noch zwei Anzüge da, die zum Mitnehmen fertiggemacht waren.

10. Januar 1911
Ein aufregender Vorgang, der aber glücklicherweise noch gut ablief, spielte sich am Sonnabend nachmittag auf der Hüttengrundstraße, neben der Beck´schen Villa ab. Ein vom abschüssigen Berge mit einem Schlitten herabfahrender 12 Jahre alter Junge fuhr direkt durch ein die Straße herabfahrendes Geschirr der Bleicherei Hüttengrund, ohne das er sich dabei verletzte. In der Aufregung hatte er das Geschirr erst spät bemerkende Knabe den Schlitten so geschickt geführt, daß er direkt durch den Wagen fuhr. Glücklicherweise fuhr das Geschirr sehr langsam, da der Kutscher und sein Begleiter von einer Frau die den rodelnden Knaben bemerkte, aufmerksam gemacht worden war.

25. Januar 1911
Zur Warnung diene erneut folgender Fall: Eine auf der König Albertstraße wohnende junge Webersehefrau benutzte gestern zum Anheizen im Ofen Petroleum, welches sie auf die Kohleschaufel schüttete, um die Flammen schneller anzufachen. Kaum hatte die Frau das Petroleum dem Ofen zu nahe gebracht, als es mit einem Knall explodierte und die Flamme der Frau ins Gesicht schlug. Zum Glück erlitt sie nur leichte Brandwunden. Auch wurde ihr das Kopfhaar versenkt.

27. Januar 1911
Das Alte stürzt! Der Abbruch der „Pappelschänke“ hat begonnen, und nicht lange mehr, dann kündet ein geräumtes Grundstück von vergangenen Zeiten, von dem, was war. Wir erzählten vor kurzem erst, von den letzten Wirksleuten, alten biederen Leuten, die mit viel Liebe einen Garten hegten und pflegten, darinnen Blumenbeete in bunter Pracht, mit Buchs eingefaßte Stachelbeersträucher, wonach in der Zeit des Reisens die Kinderaugen lugten, einige Pflaumenbäume und ein Mandelbaum standen, welch letzterer um die Zeit der Blüte mit seiner Farbenpracht entzückte. Heute schweift das Auge noch einmal rückwärts, und zwar zu der näheren Umgebung der „Pappelschänke“, wie sie sich vor ungefähr 40 Jahren bot. Die „Pappelschänke“ war im Osten der Stadt das letzte Haus, wenn man vom Badergut und dem Schützenhaus absieht. Die Oststraße gab es noch nicht und aller Verkehr aus der Stadt nach Osten hin war auf die Chemnitzer Straße angewiesen. Von der „Pappelschänke“ ab bis zum Badergut zogen sich rechts der Straße, die mit großen Kirschbäumen bepflanzt war, Büsche und Sträucher hin, ebenso gab es noch Sträucher – Birken, Eschen, Linden – im Fuchsgraben; dort fand man auch Heidelbeeren: Alles noch Ueberbleibsel des einstigen Waldes, der vom Pfaffenberg bis an das Weichbild der Stadt reichte. Links der Straße plätscherte zur Frühlingszeit oder nach Regengüssen in einem Wiesengraben das Wasser, das heute fein säuberlich in die Flurschleuse gebannt ist. Auch die Aktienstraße gab es noch nicht, kurz: das ganze Gelände, was heute die Oststraße, die Aktienstraße, die Wilhelmstraße und die Chemnitzer Straße vom Pöhlmannschen Hause weg, heute dem Wolfen-Karl gehörig, darstellt, war Feld, Wiese und Steg. Ein solcher führte z. B. von der „Pappelschänke“ schräg über das heutige Fabrikant Schulzesche Grundstück nach der Nutzunger Straße: eine Fortsetzung der Hohestraße oder Obergasse, wo einige Jahre vorher auch das Hötzsche Anwesen entstanden war. Heute liegen Hötzschens, man kann wohl sagen, in der Stadt, damals wohnten sie weit draußen, zur Winterzeit oft fast abgeschnitten vom Verkehr. Jetzt sieht man die Entwicklung, die in dem heutigen Umfange erst einsetzte, nachdem 1877 die Oststraße erbaut war, als selbstverständlich an. Und doch ist es ein gewaltiger Unterschied zwischen einst und jetzt, obwohl das Einst gar nicht so weit hinter uns liegt. Auch andere Sachen erinnern uns lebhaft an den Aufschwung innerhalb des letzten Menschenalters. In den Jahren, von denen die vorangegangenen Zeilen erzählen, da ging der biedere Handwerker in der blauen Schürze und sogar oft noch die Zipfelmütze auf dem Kopfe, in die Kneipe. Und es gab ein rechtes Kneipenleben mit Unterhaltung und Humor. Zwar war der letztere manchmal etwas derb, doch waren die Menschen noch nicht so verzärtelt. Hatten doch die bösen Gäste einmal dem Pappelschänkenwirt die obere Essenöffnung mit einem Kuchendeckel geschlossen, die derselbe mit vieler Mühe erst wieder frei machen konnte, nachdem die Gaststube stark verräuchert war. Ja, die gute alte Zeit!

29. Januar 1911
Seine Lust am Unfug mit dem Tode gebüßt hat gestern abend ein 13jähriger Schulknabe von hier in der gegenwärtig im Abbruch begriffenen „Pappelschänke“. Kaum hat Herr Schreiner-Oberlungwitz mit den Abbrucharbeiten begonnen, so macht sich unsere Jugend darüber her, um der Lust am Demolieren zu frönen. So auch der Sohn Walter des in der Chemnitzer Straße wohnhaften Invaliden Hofmann, der aus der elterlichen Wohnung ein Beil mitnahm, um noch nach 8 Uhr – also zu einer Zeit, wo er zu solcher Arbeit kaum etwas sehen konnte! – zu versuchen, einen Teil der Giebelmauer zum Einsturz zu bringen. Der Knabe hatte die untersten Ziegel heraus, vor welchem Tun ihn seine Spielgefährten warnten – leider erfolglos. Der Knabe setzte sein Zerstörungswerk fort, bis ein Mauerstein von oben herabfiel und ihn so schwer auf den Kopf traf, daß der Kleine mit zertrümmerter Schädeldecke liegen blieb. In die elterliche Wohnung gebracht, starb er gegen Mitternacht. Dieser bedauerlicher Unfall ist also unstreitig auf das Konto der jugendlichen Lust am Unfug zu setzten. Allerdings war das Abbruchsgrundstück nicht gegen ein ungehindertes Eindringen von der Straße aus abgesperrt, aber was alle Absperrungsmaßregeln nützen, konnte man erst gelegentlich des Schleusenbaues am Kroatenweg recht deutlich beobachten. Dort waren alle Vorschriften erfüllt, die Gefahren für Unbeteiligte abzuschließen. Das hinderte aber die Jugend keinesfalls, nach dem Weggang der dort beschäftigten Arbeiter ihre lebensgefährlichen Allotria zu treiben. Möchten allen Eltern diesen tiefbedauerlichen Vorfall zur Veranlassung nehmen, ihre Kinder vor solch frevelhafter und oft recht folgenschwerer Ausgelassenheit recht eindringlich zu warnen, denn gar zu zahlreich sind die Fälle, in denen übermütiges kindliches Spiel und Hantieren an verbotenen Orten zu Schäden führt, die der Betroffene – wenn nicht noch Schlimmeres eintritt, wie in dem vorliegenden Falle – zeitlebens mit sich herumträgt.

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Dezember 1910

08. Dezember 1910
Vor einem Hause der Chemnitzer Straße entstand gestern abend ein Menschenauflauf, verursacht durch ein dort wohnendes Ehepaar, daß dermaßen in Streit geraten war, daß die Frau den Ehemann mit Prügeln bedrohte. Beide sagten sich natürlich keine Schmeicheleien, sodaß sich das Publikum nicht langweilte.

09. Dezember 1910
Der Neubau der vor einem Jahr abgebrannten Lieberknechtschen Maschinenfabrik ist nun soweit fertiggestellt daß die Handwerker im Innern der Fabrik die letzten Arbeiten vollenden. Eine große Anzahl Arbeitsmaschinen sind bereits in den neuen Räumen aufgestellt, sodaß der volle Betrieb in der nächsten Zeit wieder aufgenommen werden kann. Auch die beiden anderen Fabrikerweiterungsbauten der Webfabrik C. F. Jäckel und der Nadelfabrik von Anton Haase sind äußerlich vollendet. Auch in diesen Neubauten legt man im Innern die letzte Hand und dürften die maschinellen und Betriebs-Einrichtungen so schnell als möglich fertig gestellt werden. Die Firma C. F. Jäckel wird demnächst noch eine größere Anzahl mechanische Webstühle aufstellen.

11. Dezember 1910
Gestern abend gegen ½ 6 versagte plötzlich der elektrische Strom und erst ½ 8 konnten die Abnehmer wieder in Besitz von Licht und Kraft treten. Daß dieses Versagen gerade in der regen Geschäftstätigkeit peinliche Störungen hervorrief, ist selbstverständlich, und wohl dem, der neben dem Glühlicht noch Gas zur Verfügung hatte und diesen nie versagten Lichtspender zu Hilfe rufen konnte. Wie wir hören, war in einem der Transformatoren eine Sicherung durchgebrannt. Solche Störungen werden bei elektrischer Energie nie ganz zu vermeiden sein; nur sollten sie nicht so oft eintreten wie in letzter Zeit. Vor kaum vier Wochen erst war stundenlang die Stromlieferung unterbrochen, da der starke Schneefall Leistungen und Masten beschädigt hatte.

14. Dezember 1910
Ein bedauerlicher Unglücksfall trug sich am Sonntag gegen Abend im Hüttengrund zu. Der dort in der Nähe des Mineralbades wohnende, in den 60er Jahre stehende Maurer und Hausbesitzer Herrmann Lorenz stürzte in einem Schwindelanfall die Treppe herab. Er fiel mit solcher Wucht in die Hausflur, daß er eine schwere Verletzung des Rückrates und einen Genickbruch erlitt, sodaß er auf der Stelle tot war. Lorenz war Veteran und hatte die Feldzüge von 1866 und 1870 mitgemacht. Der Unfall ist umso bedauerlicher, als die Ehefrau des Verunglückten schon seit sechs Jahren schwer krank daniederliegt.

16. Dezember 1910
Ein Diebstahl ist in einer hiesigen, ziemlich freistehenden Villa verübt worden. Dort fand ein Fremder Zutritt, der jedenfalls zu betteln beabsichtigte. Er kam dabei in einen Vorraum, der zur Kleiderablage dient, und nahm dort einen hellgrauen Sommer-Ueberzieher an sich, in dem ein auf einen ansehnlichen Betrag lautendes Sparkassenbuch steckte. Von dem Spitzbuben, einem jungen Manne, hat man nur eine ungenaue Beschreibung. Er trug einen dunkelbraunen weichen Filzhut, unter dem Jackett einen schmutzig-weißen Schwitzer und führte eine schwarze Ledermappe mit sich. Beim Verlassen der Villa trug er den Ueberzieher auf dem Leibe und flüchtete.

25. Dezember 1910
Im hiesigen Armenhause fand gestern nachmittag ½ 5 Uhr unter Beisein des Herrn Bürgermeister Dr. Patz, des Herrn Stadtrat Reinhard und einiger Herren Stadtvertreter die Weihnachtsbescherung statt. Kerzenschimmer, helles Lied und herzliches Wort brachten für die fünf Insassen der Anstalt die rechte Feststimmung, die noch durch die den Armen bereiteten Gaben wesentlich erhöht wurde. Danach hielt der Weihnachtsmann Einzug im Waisenhause, wo ihn erwartungsfrohe Gesichter der acht Kinder und 15 Insassen begrüßten. Auch hier dieselbe schlichte Feier, nachdem sich noch Kollegien den im Armenhause anwesenden zugesellt hatten. Nur war hier das Regen und Bewegen ein etwas reicheres; denn wo gläubige Kinderherzen mit beteiligt sind, da ist die Stimmung von selbst etwas lebhafter. Für die Veranstalter aber war es mitbeglückend, den Kindern, denen Elternhaus und Vater und Mutter, und den Insassen, denen ein eigenes trautes Heim versagt ist, eine rechte Freude bereitet zu haben. Zuletzt kam die frohe Botschaft vom Heiland, der die Kranken heilte, auch zu den Aermsten der Armen, denen des Leibes Gesundheit versagt ist: zu den Krankenhausinsassen. Alle, auch die Bettlägerigen, waren im Festraum versammelt und allen wurde durch die herzlichen Worte, durch frohes Lied und die Anteilnahme der Miterschienenen eine rechte Weihnachtsfreude zuteil, gleichviel, ob unter den Kranken unglückliche Ortsangehörige, kranke Dienstboten oder Ritter von der Landstraße mitversammelt waren. In allen drei Anstalten verkündete Herr Pastor Dybeck das Weihnachtsevangelium und Frau Pastor Dybeck verschönte durch Harmoniumbegleitung die Feiern, während acht Chorknaben von St. Trinitatis durch frischen Gesang erfreuten.

Wie wir von gutunterrichteter Seite erfahren, ist nunmehr, nachdem alle Vorarbeiten erledigt und alle Schwierigkeiten behoben sind, die Ausführung der elektrischen Straßenbahn von Hohenstein-Ernstthal über Gersdorf nach Oelsnitz der Aktiengesellschaft für Bahnbau und Betrieb in Frankfurt a.M. übertragen worden. Der Bau der Bahn wird, soweit jetzt vorauszusehen, schon im zeitigen Frühjahr seinen Anfang nehmen.

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November 1910

05. November 1910
Von drei 25kerzigen elektrischen Glühlampen, nach Inbetriebnahme gestern abend erstmalig erleuchtet, bot die neue Bahnhofsuhr einen geradezu erfreuenden Anblick. Von der Weinkellerstraße her in die Straße Am Bahnhof eintretend, erblickt man klar und deutlich den Zeitmesser, berufen, die rechtzeitig zum Bahnhofe Gehenden zu beruhigen, die Spätlinge dagegen an die „höchste Eisenbahn“ zu gemahnen. Die städtischen Kollegien verdienen vollsten Dank für das durch ihre Anregung bei der Staatseisenbahnverwaltung Erreichte.

In diesem Monat besteht die Firma Gustav Silbermann hier ihr fünfundzwanzigjähriges Geschäftsjubiläum. Sie wurde im Jahr 1885 gegründet und ein Jahr später vom jetzigen Inhaber, Herrn Max Berndt übernommen, der das Geschäft durch Strebsamkeit und Umsicht zu immer größerer Ausdehnung brachte. Die Geschäftslokalitäten wurden mehrmals vergrößert, ein Beweis, daß sich der Kundenkreis immer mehr erweiterte. Wir wünschen, daß das Geschäft auch in dem neuen Vierteljahrhundert sich weiterer Blüte und Entwicklung erfreuen möge.

15. November 1910
Ein Wasserrohrbruch, der die städtischen Arbeiter und Beamten gegen 2 Uhr nachts zur Arbeit rief, ereignete sich in der Nacht zum Sonntag auf der Karlstraße, wo man gegenwärtig an der durch besondere Umstände erschwerten Legung der Leitungsröhren für die neue Hochdruckwasserleitung arbeitet. Durch den Bruch war ein Teil der oberen Stadt längere Zeit ohne Wasser, während die angrenzenden Keller stark gefährdet waren.

Wenn auch die Rodelbahn noch nicht offiziell eröffnet worden ist, so belustigten sich doch auf dem Köhlerschen Wiesengrundstück im Goldbachgrund die diesem gesundheitsfördernden Sport. Doch meinte es die Sonne zu gut mit dem Schnee, sodaß kurz nach mittag das Vergnügen wieder eingestellt werden mußte.

16. November 1910
Vor einiger Zeit wurde bekanntlich in hiesiger Stadt eine Baugenossenschaft gegründet, die die Errichtung von Wohnhäusern später einmal in eigener Regie unternehmen will. In ähnlicher Weise haben sich auch in einigen umliegenden Orten Mieter zusammengetan und dort ebenfalls Baugenossenschaften gegründet. Dieses Vorgehen ist eigentlich nicht neu. In der früheren Stadt Ernstthal bildete sich bereits in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine „Gemeinnützige Baugesellschaft“. Den Anlaß hierzu gab der damals starke Wohnungsmangel, der so fühlbar war, daß grundsätzlich keine Wohnung in Ernstthal zu erhalten war, trotzdem sich in diesen Jahren ein Aufschwung in der Webindustrie bemerkbar machte und infolge der von der Firma Beyer (damaliger Inhaber Herr Fritz Stöhrel) eingeführten Deckenindustrie Ansprüche an größere Wohnungen gestellt wurden. Die Deckenwebstühle waren breiter und schwerer, als die damals üblichen Kleiderstoff- und Westenstühle, weshalb eine Nachfrage nach geeigneten Weberwohnungen immer reger wurde. Und dies gab den Anlaß mit, daß eine Anzahl Bürger zusammentraten und in Ernstthal, der jetzigen Neustadt, eine „Gemeinnützige Baugenossenschaft“ gründeten. Geld wurde damals ebenfalls durch Anteile aufgebracht und es dauerte auch nicht lange – die Stadtbehörde unterstütze den neuen Verein aufs beste -, so konnte an den Bau von Wohnhäusern gegangen werden. So entstanden in der Neustadt damals mehrere Wohnhäuser. Der geschickte Griff der Genossenschaft war, daß sie einige Wohnhäuser anfangs der 70er Jahre in der Nähe des Neustädter Schützenhauses errichtete, wodurch die heutige „Aktienstraße“ entstand. Die in der damaligen Zeit aufstrebende Webindustrie und der billige Baugrund riefen bald Bauluft hervor und es währte nur einige Jahre, so hatten sich Privatleute gefunden, die den eingeschlagenen Weg der Baugenossenschaft weiter förderten und eine Anzahl Häuser auf eigene Rechnung herstellten. An die Aktienstraße schloß sich bald der Anbau der Oststraße an, wo ebenfalls von Jahr zu Jahr weitere Wohnhäuser entstanden und diese Neubauten bald einen Stadtteil für sich bildeten. Infolge der regen Baulust und des dadurch geschaffenen Wohnungsüberflusses trat die „Gemeinnützige Baugenossenschaft“ am 21. September 1874 zusammen und beschloß in der Generalversammlung einstimmig ihre Auflösung. Der Vorstand bestand damals aus den Herren Wilh. Vogel und C.G. Held, Männer, die längst der grüne Rasen deckt, die aber eigentlich die damalige Stadt Ernstthal in der Entwicklung stark mit fördern halfen.

18. November 1910
Wie schon in der letzten Nummer unseres „Tageblatts“ berichtet, wurde in der Nacht zum Dienstag in der Unterkunftshalle des Naturheilvereins in diesem Jahre zum vierten Mal eingebrochen. Die Beute, die den Einbrechern in die Hände gefallen ist, war auch diesmal wie bei den vergangenen Einbrüchen eine minimale, der Schaden an Schränken usw. jedoch bedeutend, beim letzten Mal um so mehr, weil das lichtscheue Gesindel den Geldschrank schwer beschädigte.
Um nun jeden Verdacht von Unschuldigen abzulenken, kam die Verwaltung des Naturheilvereins dem Beschluß seiner Mitglieder nach und ließ einen Zwickauer Spürhund kommen. Herr Wurlitzer ging mit seinem Hund in Begleitung des Herrn Oberwachtmeisters Noack und einiger Mitglieder des Vereins nach dem Vereinsgrundstück. Der Hund nahm in der Unterkunftshalle die Spur auf, wurde dann an der Ostseite der Halle eingesetzt und gab folgende Spur an: Von der Unterkunftshalle aus lenkte er nördlich um die Halle nach Westen, an der Westseite herunter hinter dem Vereinsbrunnen auf den Weg nach der Ostseite der Halle. Hierauf stellte der Hund den Ausgang des Diebes an der Nordspitze des Grundstückes fest.
Von da aus führte die Spur an der Ostseite außerhalb des Zaunes nach den Steinbruch, durch die Erzgebirgsanlagen nach den Ausgang derselben zwischen dem Leng´schen Haus und den Vogelschen und Müllerschen Häusern über die äußere Dresdnerstraße nach der Neuen Straße (genannt Lohschneiderweg) über die Hohe Straße bis an die Chemnitzerstraße. Von da aus verlor der Hund die Spur, was wohl auf den regen Verkehr auf der dortigen Straße zurückzuführen ist. Ist es auch dem gewissenlosen Gesindel diesmal gelungen, unerkannt zu entkommen, so gibt die Verwaltung des geschädigten Vereins die Hoffnung noch nicht auf, es dingfest zu machen. Es werden daher alle Einwohner gebeten, der Polizei sowie der Verwaltung des Naturheilvereins bei der Ausfindigmachung der Einbrecher behilflich zu sein.
Der Verein, der nur gemeinnützigen Zwecken dient, darf sich wohl der sicheren Hoffnung hingeben, daß diese Bitte allenthalben Anklang findet.

27. November 1910
In noch ziemlich körperlicher und geistiger Frische feierte am gestrigen Freitag der auf der Karlstraße wohnende Webermeister und Hausbesitzer Karl Friedrich Funke mit seiner Gattin Wilhelmine die goldene Hochzeit. Dem Jubelpaar, dem sieben Kinder, 27 Enkel und 1 Urenkel zur Seite stehen, wurden im Laufe des Festtags viele Ehrungen bereitet. Auch Herr Pfarrer Albrecht erschien in deren Wohnung und segnete es ein, wobei er eine Ehrenbibel überreichte. Dem hochbetagten Ehepaar sind leider auch des Lebens Sorgen und Stürme nicht erspart geblieben.
Wir schließen uns den zahlreichen Gratulanten an und wünschen dem im Alter von 77 und 75 Jahren stehenden Jubelpaar noch einen langen sorgenlosen Lebensabend.

In einem hiesigen Fabrikbetriebe geriet gestern eine auf der Schützenstraße wohnende jüngere Ehefrau in eine Maschine, wodurch ihr ein Glied des rechten Zeigefingers abgedrückt wurde. Sie mußte sofort in ärztliche Behandlung gegeben werden und dürfte längere Zeit arbeitsunfähig bleiben.

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Oktober 1910

01. Oktober 1910
Wir berichteten vor einiger Zeit über eine Zeugen unseres früheren Erzbergbaues, über die sogenannte Eisenhöhle im Fürstlich Schönburgischen Walde. Heute wollen wir noch eines solchen alten zeugen aus jener Zeit Erwähnung tun. Wir meine die „Rote Mühle“ im Goldbachgrunde, die auch noch ein Überbleibsel des einstmals schwungvoll betriebenen Bergbaus ist. Die „Rote Mühle“ dürfte nach alten Archivaufzeichnungen mindestens ein Alter von 550 Jahren haben und ist entstanden, als der Bergbau in höchster Blüte stand. Sie ist eigentlich ein Pochwerk gewesen und gehörte damals zum Lampertusschacht. Während man damals das Arsenik im Hüttengrunde verarbeitete und das Silber nach Freiberg schaffte, wurde in der „Roten Mühle“ das Gold sortiert und bearbeitet, sodaß der vorbeiführende Bach den Namen Goldbach erhielt. Die einsam und idyllisch im Tale gelegene Mühle könnte vieles aus der alten Väterzeit erzählen, wenn das alte, vom Zahn der Zeit arg mitgenommene Gemäuer reden könnte. An ihr vorbei führte auch der Kirchweg nach Oberlungwitz, da bekanntlich unsere damals junge Stadt noch nach dort eingepfarrt war. Später, als der Bergbau zurückging, wurde die Mühle zum Getreidemahlen eingerichtet, und, während viele Mühlen der Umgebung ihre Tätigkeit infolge der fortschreitenden Technik einstellen mußten, übte der jetzige Besitzer der Mühle Herr Otto Uhlig, der sich nun etwa 27 Jahre in ihrem Besitze befindet, dieses Handwerk noch heute aus und oft tagelang kann man das lustige Klappern hören. Es war ein glücklicher Griff unseres heimischen Malers Herr Baumgärtel, daß er die „Rote Mühle“ im Bilde verewigte und selbiges unserem Stadtmuseum überwies.

09. Oktober 1910
Gestern überfuhr ein hiesiger junger Mann auf der Schützenstraße die 9jährige Tochter eines dort wohnenden Bahnbeamten. Das Kind wollte über die Straße gehen, wurde aber dabei von dem sehr unvorsichtig und scharf fahrenden Radler niedergerissen, während der junge Mann selbst vom Rade abstürzte. Leider war derselbe rücksichtslos genug und fuhr weiter, ohne sich um das von ihm überfahrene Kind zu kümmern. Von einer hinzukommenden Frau wurde es aufgehoben und in die elterliche Wohnung gebracht. Zum Glück scheint das Kind, außer Hautabschürfungen im Gesicht und den Beinen, keinen nennenswerten Schaden davongetragen zu haben.

12. Oktober 1910
Die erste Plakatsäule in unserer Stadt gelangte heute zur Aufstellung, und zwar auf dem Altmarkt gegenüber dem Eingang zur Apotheke. Die Ausübung der geschäftlichen Reklame durch Anschlag von Plakaten an die bisher im Gebrauch befindlichen Tafeln hat hierorts immer größeren Umfang angenommen, und so dürfte zu erwarten stehen, daß dieser ersten Plakatsäule bald weitere folgen werden.

15. Oktober 1910
Die Heiratsfreude gründlich verdorben wurde dem 24 Jahre alten, im Hüttengrunde wohnenden Fabrikarbeiter Müller. Derselbe war vorigen Herbst vom 106. Infanterie-Regiment in Leipzig, wo er seine Dienstzeit absolviert hatte, entlassen worden und wollte diesen Sommer heiraten. Bei Versorgung der hierzu nötigen Urkunden stellte sich nun heraus, daß Müller eigentlich österreichischer Untertan war. Sein Vater, der bereits 15 Jahre tot ist, war in der Jugend nach hier übersiedelt, ohne jemals die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben. Die österreichischen Behörden verweigerten nun die erbetenen Papiere und forderten Müller auf, sich der dortigen Militärbehörde zu stellen, welchem Verlangen er auch schließlich gerecht wurde. Er wurde nun dort nochmals für 3 Jahre zum Militär ausgehoben und mußte bereits vorigen Dienstag bei seinem Truppenteile in Oesterreich eintreffen. Da Müller seiner Militärpflicht schon in Deutschland genügt hatte und auch seine alte kranke Mutter unterstützen mußte, reichte er sein Gesuch um Befreiung bei den österreichischen Behörden ein, jedoch ohne Erfolg. Müller ist hier geboren und deshalb in die Rekrutierungsstammrolle mit eingetragen worden, ohne daß damals bemerkt wurde, daß er ausländischer Untertan war.

16. Oktober 1910
Als letzte der diesjährigen größeren Straßenbauten ist vom Stadtrate im Laufe der vergangenen und dieser Woche die Beschotterung der Conrad Claußstraße vorgenommen worden. Die Straße wurde auf ihrer ganzen Strecke mit dem bedeutend härteren sogenannten Hartmannsdorfer Stein belegt. Man verspricht sich davon eine längere Haltbarkeit der Straßendecke und eine geringere Staubentwicklung. Die nötigen Walzarbeiten wurden von der Firma Waka Chemnitz mit der dreihundert Zentner schweren Dampfwalze aufgeführt. Das „gewichtige“ Gefährt ließ sich auch auf der Moltkestraße*1 und an der Kreuzung Schulstraße-Zillplatz sehen wo Ausbesserungen vorgenommen worden. Mit der Beendigung dieser Arbeiten dürfte das heurige Straßenbaujahr für die Stadtgemeinde beendet sein. Es brachte für sie wieder bedeutende Ausgaben, da bekanntlich im Frühjahr die Dresdnerstraße auf eine über einen Kilometer lange Strecke beschottert wurde, deren Kosten sich allein auf über 8000 Mark stellten.

Ein ehrenwürdig Dokument, nämlich die Artikel des Hohensteiner Schneiderhandwerks, erneuert am 1. Mai 1652 durch Wolff Friedrich, Herrn von Schönburg, wurden nachdem sie zum Stadtjubiläum im Rathaussaale mit ausgestellt worden waren, von ihrem Besitzer dankenswerterweise dem Stadtmuseum überwiesen. Es ist hieraus zu ersehen, daß sich noch manche wertvolle Altertümer, die der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden sollten, im Privatbesitz vorfinden. Gewiß ist es gut für solche Sachen, wenn sich zu Zeiten der Veräußerung ein Liebhaber für sie fand, der sie vor dem Untergang, aber auch vor dem Wegtragen aus dem Orte bewahrte. Nachdem aber nun ein Stadtmuseum begründet worden ist, wäre es freudig zu begrüßen, wenn die oben erwähnte Unterstützung Nachfolge fände, wobei nicht unerwähnt bleiben soll, daß es auch geglückt ist vorher schon früheres Innungseigentum, wenigstens leihweise, für das Stadtmuseum aus Privatbesitz zu verlangen.

29. Oktober 1910
Einen höchst raffinierten Diebstahl verübte ein Unbekannter gestern an zwei kleinen Knaben; er hielt die zwei Jungen, die 4 und 6 Jahre alt sind und von denen der ältere ein paar neue Stiefel geholt hatte, an, beauftragte den größeren, ihm in einem nahen Laden eine Zigarre zu 10 Pfg. zu holen und wartete nur den Augenblick ab, bis der Junge jenen Laden betreten hatte, um mit den Stiefeln, die mittlerweile der kleinere Knabe trug, schleunigst zu verschwinden. Bis jetzt fehlt von dem Frechling jede Spur, Die bestürzten Knaben konnten nur angeben, daß der Spitzbub ein großer Mensch mit schwarzem Schnurrbart war.

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September 1910

01. September 1910
Im Mineralbad Hohenstein-E. findet, wie wir schon kurz mitteilten, morgen Donnerstag abend von ½ 8 Uhr an eine Reunion statt, mit welcher die dortigen Kurgäste eine Abschiedsfeier von ihrer Erholungsstätte begehen. Sie haben sich aufs angelegentliche bemüht, nur Vorzügliches zu bieten und diesen Abend zu einem der schönsten zu gestalten. In herrlichem Schmucke präsentiert sich der schöne Festsaal, der einen Ausschnitt aus dem frischen grünen Walde darstellt, und es ist in vorsorglicher Weise darauf Beobacht genommen worden, daß die Gäste, die sich hoffentlich auch recht zahlreich aus der Einwohnerschaft unserer Stadt einstellen, in jedem Betracht angenehme Stunden verleben werden. Die Festgeber haben, um dem Abend eine höhere Bedeutung zu geben, eine Anzahl Künstler zu Darbietungen gewonnen, so einen Violin-Virtuosen, der in London und anderen Städten Englands usw. seinen guten Ruf aufs Beste bewährte, einen Solo-Trompeter aus Dresden, eine Gesangskünstlerin aus Chemnitz. Schon diese kurzen Angaben dürften volle Gewähr für ein volles und schönes Gelingen des Abends bieten. Besonders hervorgehoben sei noch, dass der Besuch dieser Reunion ein völlig eintrittsfreier ist.

18.September 1910
Die Zahl der Fabrikessen in unserer Stadt ist wieder um eine vermehrt worden. Die Firma Anton Haase, Nadelfabrik, die einen größeren Fabrikerweiterungsbau ausgeführt, läßt eine solche erbauen. Die neue Esse, die ziemlich fertiggestellte ist überragt die alte noch um 4 Meter. Es macht einen etwas beängstigenden Eindruck, den Maurer in dieser Höhe arbeiten zu sehen und wie die Baumaterialien von außen mittels Leinen in die Höhe befördert werden. Die Esse wird, wie wir hören, 30 Meter hoch und soll den Zwecken der Härterei dienen.

Ein Unfall, der glücklicherweise ohne Schaden für die Beteiligten ablief, passierte vorgestern nach Arbeitsschluß auf der Dresdnerstraße. Ein Radfahrer, der nach der Stadt zurückkehrte, überfuhr bei den Friedhofsanlagen ein in der Nähe wohnendes 8jähriges Mädchen. Trotzdem der Radler nicht zu schnell fuhr, auch von seiner Klingel ausgiebig Gebrauch machte, lief das Kind beim Haschespiel ins Rad. Das Kind kam unter das Rad zu liegen, während der Radfahrer bei dem Bestreben abzuspringen, zu Falle kam. Er wie das Kind blieben zum Glück unverletzte. Der Fall zeigt jedoch, daß viele Unfälle vermieden werden könnten, wenn die spielenden Kinder dem Fahrverkehr über aufmerksamer wären.

25. September 1910
Einen recht empfindlichen Verlust erlitt gestern ein 10jähriges Mädchen auf der Logenstraße, das von seiner dort wohnenden älteren Schwester zum Einkauf von Waren ein Zehnmarkstück erhalten hatte. Auf der Straße geriet das Mädchen mit einem anderen siebenjährigen in Streit, es legte, um die Hände zur „Arbeit“ freizubekommen, das Goldstück einstweilen „beiseite“. Das kleiner Mädchen nahm schnell die Gelegenheit wahr, um dem größeren eins auszuwischen und warf das Goldstück, das es für einen Pfennig angesehen haben will, in die Wiese im Garten der „Turnerschaft“, wo man es bis jetzt noch nicht wiedergefunden hat.

30. September 1910
Gleichwie am Totensonntag des vorigen Jahres, so meldete man auch heute nacht von der Stellerei an hiesigen Bahnhof durch Hornsignale und dann seitens der Feuerwehr wie auch durch die elektrische Alarmanlage den Ausbruch eines Brandes in der Theodor Lieberknechtschen Maschinenfabrik an der Bahnhofstraße. Gegen 1 Uhr ward das Feuer, daß in der Schmiederei ausgekommen ist, bemerkt, und in ganz kurzer Zeit stand auch schon der provisorische Holzbau in Flammen, in welchem nach den vorjährigen großen Brande, welcher bekanntlich den Betrieb der Firma völlig lahm legte, vorläufig die Arbeit wieder aufgenommen worden war. Unsere freiwillige Feuerwehr war schnell zur Stelle, konnte auch sofort mit mehreren Schläuchen den Brand bekämpfen, aber dieser griff in den einmal betroffenen Räumen zu schnell um sich. Man mußte daher sein Hauptaugenmerk auf die Erhaltung des Neubaus richten, was auch gelang. Allerdings ist die über der jetzigen Brandstätte aufgeführte Dachkonstruktion arg in Mitleidenschaft gezogen; die Holzverschalung ist zu einem großen Teile verkohlt und auch das eiserne Gerippe dürfte Schaden gelitten haben. Völlig ausgebrannt sind die Schmiede und der Montageraum, in welchem eine Anzahl fast fertiger und vollendeter Pagetmaschinen stand, die natürlich auch unbrauchbar geworden sind. In beiden Räumen waren etwa 25 Arbeiter beschäftigt, und der Schaden, der an Maschinen, Werkzeug und sonstigem Material angerichtet ward, ist recht bedeutend; zwar dürfte der Materialschaden durch Versicherung teilweise gedeckt sein, was aber hinsichtlich des Gebäudeschadens fraglich ist. Beide Kompagnien unserer Wehr gingen dem Feuer kräftig zu Leibe und so konnte gegen ½ 3 Uhr jede weitere Gefahr für die Fabrik als behoben angesehen werden, weshalb kurz danach auch die 2. Kompagnie den Brandplatz verlassen konnte. Die 1. Kompagnie war noch einige Zeit mit den Beräumungsarbeiten beschäftigt. Die schnelle Ausdehnung des Brandes lässt die Annahme einer Brandstiftung berechtigt erscheinen, wenngleich sich bezüglich der Person des Verübers einer solch ruchlosen Tat noch keinerlei Anhaltspunkte ergeben haben.

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August 1910

09. August 1910
Ein Zeuge aus jener Zeit, in der in hiesiger Stadt der Erzbergbau in voller Blüte stand, ist in letzter Zeit wieder zum Vorschein gekommen. Wir meinen die Eisenhöhle im fürstlich Schönburgschen Walde, unterhalb des städtischen Wasserwerks am Pechgraben oder der sogenannten Schwarzbach gelegen. Die Höhle war mehrere Jahre verschüttet, so daß ein Eindringen in dieselbe unmöglich war. Da nun aber in letzter Zeit dort seitens einer auswärtigen Firma nach wilden Serpentinitstein gegraben wird, hat man die Eisenhöhle wieder freigelegt. Mit echt vermutet man, daß die Höhle, in die man nur in gebückter Stellung gelangen kann, ein Stolln ist, den vor mehreren Hundert Jahren emsige Bergleute in den Berg getrieben haben, um dort Edelerze zu graben. Ist man einige Schritte eingedrungen, so erweitert sich die Höhle, bis sie ziemlich mannshoch wird. Doch ist ein weiteres Eindringen infolge der Wassertümpel etwas gefährlich. Besucher der Höhle schützen deren Länge auf mehrere Hundert Meter, während wieder andere Leute behaupten, daß die Höhle nach dem Orte Rabenstein führe und früher dort zutage geführt habe. Ein vollständiges Durchgehen ist jetzt überhaupt ausgeschlossen, da der Gang tief im Berge verschüttet ist. Da in dem dort gelegenen Steinbruch der Eisenstein, in dem sich Adern des wilden Serpentinitsteins befinden, gebrochen wird, so benutzen die dort schaffenden Arbeiter die Höhle als Aufbewahrungsort für ihre Werkzeuge und Kochgeräte. Auch bei Sturm und Wetter dürfte sie als Schutz dienen. Der Serpentinstein wird zu allerhand Schmuck- und Wirtschaftsgegenständen, wie Blumenvasen, Streichholzständern usw. verwendet.

14. August 1910
Rüstig vorwärts gehen jetzt die Neuresp. Erweiterungsbauten verschiedener hiesiger industrielles Etablissement. Die Bauten der Firmen Gebr. Müller (Handschuhfabrik), Badstraße und Krumbiegel (Trikotagenfabrik), Konrad-Klaus-Straße, sind zum größten Teil fertiggestellt, während der Bau der Firmen Anton Haase (Nadelfabrik), C.F. Jäckel (Webfabrik), ein gut Stück in die Höhe sind. Der Neubau der Firma Theodor Lieberknecht, am Bahnhof, deren Maschinenfabrik bekanntlich vorigen Spätherbst zum größten teil abbrannte, nimmt einen bedeutenden Komplex ein und wird zum Teil an der östliche Seite, zum Teil an der westlichen Seite der stehengebliebenen Gebäude errichtet. Alle Bauten sollen heuer noch vollendet und so schnell als möglich in Betrieb genommen werden. Rechnet man noch dazu die Bauten der Firmen Karl Wagner (Pantoffelfabrik), Eduard Beckert (Färberei), Joh. Alb. Winkler (Trikotagenfabrik), Halpert und Comp. (Webfabrik) und die Webfabrik von Berghähnel, die im vorigen Jahr errichtet wurden, so kann man mit dem Fortschritt unserer Industrie in den letzten zwei Jahren recht zufrieden sein. Auch die neueingeführten Industriezweige , die die erfreulicherweise mehrere Firmen aus dem Limbach-Grünaer Handschuhbezirk nach hier verlegten, beschäftigen eine Anzahl Arbeiterinnen und dürfen dürften für immer in unserer Stadt Fuß gefaßt haben.

18. August 1910
Aus Anlaß des bevorstehenden 400jährigen Stadtjubiläums dürfte es vielleicht interessieren, einmal einen kleinen Rückblick auf das Innungswesen hiesiger Stadt zu werfen. Die ältesten Innungen sind bekanntlich die der Bäcker, Fleischer und Weber. Letztere Innung entstand bereits im letzten Regierungsjahre des Herzogs Georg von Sachsen, 1538, und unter der Herrschaft der Grafen Georg und Wolf zu Glauchau und Waldenburg-Schönburg. In diesem Jahre bildete sich eine geschlossene Innung im jungen Städtchen, der damals schon 50-60 Leinwandweber angehörten. Das Innungsleben blühte damals auf, da die Innungen ihrem Gewerbe allen denkbaren Schutz innerhalb der Stadt und der umliegenden Dörfern zu wahren wußten. Später entstanden dann im benachbarten Ernstthal eine Strumpfwirker- und Töpferinnung. Die der Strumpfwirker mußte sich infolge Mangels an Mitgliedern bereits im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts auflösen. Welchen rapiden Rückgang die Handwirkerei in unserer Stadt durchzumachen hatte, ersieht man am besten daraus, daß unseres Wissens nach nur noch ein einziger ehemaliger Innungsmeister am, Leben ist; es ist dies der ehemalige Innungsmeister Wilh. Neubert, jetzt noch wohnhaft in der Neustadt. Er ist noch Träger der Bahrtuches der Innung. Selbiges liegt in der Trinitatiskirche, wird aber nur noch selten bei Begräbnissen in Gebrauch genommen. Weiter hatte unsere Stadt auch noch eine Töpferinnung. Der Innungsbrief der letzteren ist im Jahre 1753 vom Grafen Albert Christian Ernst zu Schönburg auf Schloß Hinter-Glauchau ausgestellt worden. Auch dieser Innung entstanden wesentliche wirtschaftliche Vorteile durch ihren Innungsbrief. Leider sollen unsere städtischen Archive gar nichts erhalten, was über die Gründung- und Auflösung der letzteren Innung Aufschluß geben könnte. Von der Strumpfwirker-Innung sind erfreulicherweise Zeichen ehemaliger Innungsherrlichkeit dem Stadtmuseum einverleibt worden. An beiden letzteren Innungen aber sieht man, daß der Zahn der Zeit und die fortschreitende Technik verheerend wirkten.

24. August 1910 – Unser Stadtjubiläum.
Verrauscht sind die herrlichen Tage unseres Stadtjubiläums. Unseres Heimatfestes – der Vergangenheit gehören die einzigschönen Stunden an; die wir dank der äußerst geschickten Anordnungen der Festausschüsse, die mit dem Arrangement eine Riesenarbeit geleistet haben verleben durften. Festfreudigkeit und Festbegeisterung herrschte allenthalben – kaum daß die Stimmung sich durch den gestern nachmittag, als das Fest schon wieder im schönsten Zug war, niedergegangenen schweren Regenguß in einigem beeinträchtigen ließ. Die kühlere Witterung war dem Feste nicht zum Schaden, und der feine Regen, der zu verschiedenen Zeiten niederging, ward eben mit in Kauf genommen. Die Innungen und unsere Schützen ließen es sich nicht nehmen, ihre Kostüm-Umzüge zu wiederholen, und diese kamen gestern fast noch besser zur Wirkung, als es bei dem gewaltigen Menschenandrang am Sonntag der Fall war. Gestern dürfte die Zahl der Festplatzbesucher etwa 800 betragen haben – immerhin eine Zahl, die schon imstande ist, die Vergnügungsstätte merklich zu füllen. Das Leben und Treiben in der „alten Stadt“ stand denn auch dem des Haupttages nicht in vielen nach. Ein großes Besucherkontingent stellten wieder die unserer Stadt benachbarten Ortschaften; wir möchten fast behaupten, dieser Besuch war nicht viel geringer als am Sonntag, das konnte man an der großen Zahl leerer Geschirre beobachten, die in verschiedenen Straßen nahe beim Markte Aufstellung gefunden hatten. Eine kleine Veränderung gegenüber dem Hauptfesttag war insofern zu beobachten als man den Tanzplan „Außer Kurs“ gesetzt hatte; die Kapelle spielte im Saale des „Schwanen“ zu fröhlichem Tanze auf, dort war man gefeit gegen etwaige Tücken des Wetters. In vielen Fabriken ruhte gestern der Betrieb am Nachmittage, und so konnten viel Festteilnehmer sich beizeiten auf den Weg machen, jenen Punkt aufzusuchen, an dem ihr Vergnügen am Sonntag seinen Abschluß gefunden, um sich an die Fortsetzung des Amüsements zu machen und sich von neuem in den Feststrudel zu stürzen. Ebenso wie die Kauflust eine fast ungeschwächte war, konnte man kontaktieren, daß auch am Montag die Hauptnahrungsmittel, deren Festbesucher bedarf um allen Anforderungen gewachsen zu sein, die solch ein Tag an ihn stellte, „stark gefragt“ waren. Der Umsatz war ein ganz enormer – allerdings je nachdem dieses oder jenes Lokal sich des Besuchs erfreute. Es ward hier zur Evidenz bewiesen, daß unsere Festbesucher zu den ebenso trinkfrohen wie trinkfesten gehörten. Da es , wie wir sagten, ab und zu auch eine kleine Anfeuchtung des äußeren Menschen von oben herab gab, konzentrierte sich der Hauptverkehr nach den Schankstätten zu; selten war da ein leeres Plätzchen zu erhalten – man war hier sehr seßhaft geworden, zumal in den Abendstunden, nach dem die Sänger und die einzelnen Kapellen wieder „in Funktion“ getreten waren. Im großen und ganzen glich der gestrige Schlusstag eben dem Sonntag, und so ist über den verlauf desselben nicht viel Neues zu berichten. Neu in der Erscheinung trat gestern die Speisung von hiesigen Armen, für welche die Stadt im „Ratskeller“, „Stadtkeller“, und Restaurant „Stadt Glauchau“ ein Mittagsmahl hatte anrichten lassen. So hat denn unser Stadtfest einen in jeder Hinsicht würdigen, jeden Besucher wirklich befriedigenden und unvergesslichen Verlauf genommen. War zu seinem guten Gelingen die aufopferungsvolle Mitarbeit vieler Kreise unserer Bürgerschaft nötig, so ist es doppelt erfreulich, daß diese uneigennützige Mitarbeit von schönstem Erfolge gekrönt war, und dies mag der schönste Lohn sein für alle, die sich freudig und gern, begeistert für all das Schöne, was sie zu bieten imstande waren, der mitunter nicht leichten Betätigung unterzogen. Zu einem neuen Jahrhundert emsigen Schaffens und Strebens, zu weiterem Blühen und Gedeihen unseres Stadtwesens erbitten wir den Segen und Schutz des Höchsten, der bis hierher alles so gut geführt!

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Juli 1910

02. Juli 1910
Ein erregter Auftritt entstand gestern an der Verbindungsstraße vom Kroatenweg nach dem Neustädter Schützenhause. Der Bauunternehmer Frinzel hatte diesen Weg eigenmächtig gesperrt und sich den Passanten gegenüber recht ungebührlich benommen. Als man Polizei herbeiholte, um ihn in die Schranken zu weisen, wurde er, wie uns Augenzeugen berichten, auch dieser gegenüber ausfällig. Fr. wurde, wie wir hören, zur Prüfung seines Geisteszustandes ins städtische Krankenhaus gebracht.

05. Juli 1910
Ein bedauerlicher Unglücksfall trug sich gestern nachmittag auf der Limbacherstraße zu. Während die 16 Jahre alte Tochter des dort wohnenden Expedienten Franke eine häusliche Arbeit verrichtete, explodierte die Spirituskanne, in der sich ca. ¾ Liter Brennspiritus befand. Der brennende Inhalt sprang auf das bedauernswerte Mädchen über, sodaß dieselbe im Moment über und über brannte. Zum Glück kam ein Nachbar hinzu, der die Flammen mit einer Decke erblickte. Doch hat die Bedauernswerte so schwere Brandwunden am Körper und den Händen erlitten, daß man sie ins hiesige Krankenhaus überführen mußte. Ihr Zustand ist sehr bedenklich.

Empfindliche Verluste hatten heute auf dem Wochenmarkte zwei hiesige Frauen zu beklagen: Eine Resterhändlerin vermißte ein Portemonnaie mit 25 Mk. Inhalt und einer Marktbesucherin ist ein solches mit reichlich 5 Mk. Inhalt abhanden gekommen. Ob Diebstahl oder eigene Unvorsichtigkeit der Verlustträgerin in Frage kommt, ist noch nicht festgestellt. Der letztgenannten Frau war bereits vor acht Tagen ein eigenartiges Mißgeschick passiert: Im Gespräch mit einer anderen Frau vermißte sie auf einmal ihr Portemonnaie Nachdem sie der Polizei ihren Verlust gemeldet, bemerkte sie, daß sie mittlerweile ihren Schirm an einem anderen Verkaufsstande stehen ließ; und als sie den in die Hand nahm, fand sie in dessen Inneren das vermißte Portemonnaie mit dem unberührten Inhalt.

09. Juli 1910
Einen recht häßlichen Auftritt verursachte der in der Chemnitzer Straße wohnhafte Färbereiarbeiter Böttger, der in der Trunkenheit seine Familie mit Erschlagen bedrohte und in seiner blinden Wut sich derartige Ausschreitungen schuldig machte, daß sich die Nachbarschaft aufs höchste darüber empörte und Polizei zu Hilfe rief. Dieser gegenüber benahm sich B. gleichfalls sehr renitent und setzte das Skandalieren fort. Ein Schutzmann vermochte nicht des Wüterichs Herr zu werden, und erst als ein zweiter Polizist mit zugriff, konnte B. arretiert werden.

12. Juli 1910
Signor Saltarino (Herr Hermann W. Otte in Düsseldorf) der von Hohenstein gebürtige Schriftsteller des fahrenden Volkes hat der hiesigen Volksbücherei zu den bereits vorhandenen Bändchen 4 weitere Bände seiner Werke überwiesen. Es sind dies „Fahrend Volk“, „Abnormalitäten“, „Unter Flittern“, Artistengeschichten, und „Zirkusblut“, Artistengeschichten.

Einen großen Menschenauflauf verursachten gestern nachmittag zwei Kampfhähne, die sich bei den Friedhofsanlagen an der Dresdner Straße nach vorhergegangenen Wortwechsel balgten. Der häßliche Auftritt fand seine Fortsetzung beim Bad Ernstthal, dann machten die Raufbolde, gefolgt von einer großen Schar „Schaulustiger“, die Hermannstraße zum Schauplatz ihrer Tätlichkeiten und setzten diese auch in der Breitestraße fort. Das Ende vom Liede war – jeder der beiden wollte der Einsichtigere sein – daß sie sich gegenseitig nach der Polizeiwache führten. Einem von den Krakeelen gab die Polizei vorläufiger Unterkunft.

19. Juli 1910
Am morgigen Dienstag begeht hier ein Ehepaar das Fest der goldenen Hochzeit, dem man in allen Kreisen unserer Bürgerschaft wärmste Sympathie und Wertschätzung entgegenbringt; es ist dies Herr Stadtrat Zeißig und Frau geb. Branco. Nicht gering wird die Zahl der Gratulanten sein, die dem Jubelpaar morgen die herzlichsten Glück- und Segenswünsche für einen glücklichen und friedvollen Lebensabend übermittelt, und diesen Gratulanten schließen auch wir uns gern und freudig an. Ist doch der Jubilar einer mit von den Männern, die man als die um unser städtisches Gemeinwesen verdiensteten ansprechen darf. Daß Herr Zeißig in jahrelanger ersprießlicher Tätigkeit auf kommunalen Gebiet sein Bestes einsetzte, weiß jeder, der die Entwicklung unserer Stadt auch nur einigermaßen kennt; seine großen Verdienste fanden denn auch an zuständiger Stelle verdiente Würdigung, und auch den kommenden Geschlechtern wird die Zeißig-Stiftung, die Benennung einer Straße nach seinem Namen u.a.m. diesen Mann nicht vergessen lassen.

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