April 1911

04. April 1911
Beim Haschespiel wurde gestern auf der König Albertstraße*1 der 12 Jahre alte Sohn eines dort wohnenden Invaliden von einem anderen Knaben gestoßen, wodurch der erstere hinstürzte und sich dabei eine erhebliche Verletzung am Ellenbogen zuzog. Ein dort wohnender Samariter leistete dem Bedauernswerten die erste Hilfe.

06. April 1911
In der nächsten Zeit verschwindet wieder ein Stück von dem früheren alten Ernstthal. Das an der Lungwitzer Straße gegenüber dem Gasthaus „Zur Linde“ gelegene große geräumige Haus, das seit einer Reihe von Jahren Herrn Kommerzienrat Robert Pfefferkorn gehört, wird abgebrochen werden, um einen neuen modernen Bau Platz zu machen. Das Haus mit dem umfangreichen Hofe war früher ein Bauerngut, in welchem die Familie Baumgärtel Vieh- und Landwirtschaft trieb, es hatte noch im letzen Drittel des vorigen Jahrhunderts ein vollständig bäuerliches Aussehen und war von einem Garten umgeben, der dem dortigen Straßenbild ein hübsches Aussehen verlieh. Die Bauernwirtschaft wurde aber nach der Poststraße verlegt und das alte Geschäft von dem verstorbenen Restaurateur Riedel gekauft und abgebrochen und zu Geschäftszwecken ausgebaut, bis es dann in den Besitz des jetzigen Eigentümers überging. In den letzten Jahren diente das Haus teils zu Niederlags- teils zu Wohnzwecken, auch war darin die Schuh- Pantoffelfabrik von K. Wagner und die Schmiederei von Otto Wolf untergebracht.

07. April 2011
Das am Bahnhofe gelegene Schwotzersche Haus ist jetzt käuflich in den Besitz des Stickereibesitzers Paul Preußler von hier übergangen, der einen Teil der Räume zu Fabrikationszwecken einrichten wird.

08. April 2011
Heute früh bemühte sich ein Jauchenwagen, die Weinkellerstraße mit wohlriechenden Düften zu versorgen, indem ihm der Stopfen herausfiel und der Inhalt sich auf die Straße entleerte. Während der Fuhrmann bemüht war, den Verschluß wieder herzustellen, genossen die Anwohner die Freuden ambrosischen Geruchs, der erst durch Wasser notdürftig beseitigt werden konnte.

11. April 1911
Am vergangen Sonnabend konnte Herr Wilhelm Böttger, Mitinhaber der Mechanischen Deckenfabrik von J. G. Böttger hier, mit seiner Gattin das Fest seiner Silberhochzeit begehen. Aus diesem Anlasse ließ derselbe heute in den Fabrik-Arbeitsräumen durch Aushang bekannt machen, dass er nächsten Sonnabend zugleich mit dem Lohn für diese Woche sämtlichen Arbeitern und Arbeiterinnen , sowie den Hauswebern der Firma nochmals den Lohn der vergangenen Woche in voller Höhe zur Auszahlung bringen lassen werde. Die Beamten und Angestellten der Firma erhielten ebenfalls Geschenke überreicht. – Selbstverständlich rief diese frohe Mitteilungen allenthalben große Freude hervor und Herr Wilhelm Böttger, der sich sowohl bei der Arbeiterschaft wie auch bei den Beamten allgemeine Sympathien erfreut, hat sich durch diese hochherzige Gesinnung bei allen Beteiligten von neuem Anerkennung und Wertschätzung erworben.

14. April 1911
Eine ziemlich weite Reise machte ein Kinder-Luftballon, der gestern nachmittag auf hiesigem Bahnhof in der Nähe des Güterschuppens niederging. Der Ballon, der die stolze Aufschrift „Zeppelin“ aufwies, war, wie eine angehängte Postkarte besagte, von den Schulknaben Erich Schellenberger und Kurt Schlenzig in Pforten bei Gera auf einem Felde ausgelassen worden. Der Bitte der Knaben, auf angehängter Karte den Ort zu bezeichnen, wo der Ballon gefunden wurde, ward von den Findern unter Beifügung eines Grußes aus unserer Bergstadt entsprochen.

Wie wir hören, soll das diesjährige Erzgebirgische Volksfest, das, wie unsere Leser wissen, heuer zum erstenmal auf dem Pfaffenberge abgehalten wird, am Sonntag und Montag den 13. und 14. August stattfinden. Mit diesem Fest auf freier Höhe, von der aus sich eine herrliche Fernsicht bietet, wird – wenn dessen Fertigstellung bis dahin zu ermöglichen ist – auch die Weihe des Berghauses „Zur Bismarckhöhe“ verbunden sein.

26. April 1911
Die Kunde von einem Automobil-Unglück durcheilte gestern gegen Abend unsere Stadt. Die Vermutungen, die dabei über die Schwere des Unglücks zum Ausdruck kamen, treffen aber glücklicherweise nicht zu, wennschon der eine der Betroffenen schmerzhafte Verletzungen davontrug. Zwei Söhne eines hiesigen Destillateurs fuhren mit einem kleinen dreirädrigen Automobil (Phänomobil) auf der Langenberger Straße, als es aus bisher noch unermittelter Ursache das Fahrzeug plötzlich umschlug und die Insassen herausgeworfen wurden. Der eine derselben, der erst kürzlich seine seminaristische Laufbahn beendete, erlitt eine Stirnwunde und Verstauchungen, während der andere mit geringe, Schaden davonkam. Der Verletzte wurde in das Gasthaus „Fichtental“ gebracht und ein hiesiger Arzt nach dort gerufen, der den ersten Verband anlegte. Wie uns mitgeteilt wird, ist die Ursache des Unglücks nicht in zu schneller Fahrt zu suchen, denn Augenzeugin des Unfalls bemerkte während der Vorbeifahrt des Autos den Insassen, dass sie fast mit diesem Schritt halten könne. Jedenfalls das Fahrzeug mit Vorderrad gegen einen Stein.

*1 König Albertstraße = heute: Conrad-Clauß-Straße

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