Juli 1914

1. Juli 1914
Das Alte stürzt! Gestern hat man in der Neustadt an der Straße nach dem neuen Friedhof mit dem Abbruch der sogenannten „Fleischer-Scheune“ begonnen, die jetzt zum neuen Fabrikgrundstück des Herren Dreschel und Günther gehört. Neben der Scheune hat man ein Transformatorenhäuschen errichtet. Der Bau der Fabrik ist nun soweit gediehen, daß man im Inneren mit dem Legen der Transmissionen begonnen hat. Gegenwärtig schreitet man zum Bau eines Hintergebäudes in welchem die Stallung und Wagen untergebracht werden. Bis zur Inbetriebnahme der Fabrik dürften noch mehrere Wochen vergehen.

2. Juli 1914
Heute mittag fand im Saale des Kgl. Amtsgerichts durch Herrn Landgerichtspräsident Dr. Clauß aus Zwickau die feierliche Einweisung des neuernannten Herrn Oberamtsrichters Dr. Vogel statt. Nach der Einweisungsrede des Herrn Präsidenten begrüßten die Herren Amtsrichter Dr. Kirchner und Bürgermeister Dr. Patz den Herrn Oberamtsrichter namens der Beamtenschaft des Amtsgerichts und der Stadt Hohenstein-Ernstthal. Im Anschlusse an die Feier fand ein Mahl im Hotel „Drei Schwanen“ statt.

3. Juli 1914
Von dem Baumeister Richterschen Wohnhäusergruppenbau an der Luther- und Bismarckstraße sind die drei an der Lutherstraße geplanten Wohnhäuser bereits bis zur zweiten Etage gediehen. Für das Eckhaus und das an die Bismarckstraße zustehenkommende fünfte Haus dürften die Gründungsarbeiten auch bald beginnen. Wird das Ganze im Aeußeren sich als schöne harmonierende Einheit zeigen, so bieten anderseits die Häuser im Innern alle Bequemlichkeiten und Fortschritte der Neuzeit: Bad, Innenklosett, Gas, elektrische Kraft, Küchenbalkon und Garten sind für die Wohnungen vorgesehen. Mit diesem Gruppenbau dürfte der Mangel an Wohnungen in mittlerer und höherer Preislage auf eine gewisse Zeit beseitigt sein.

4. Juli 1914
Wie wir hören, wird demnächst der Betrieb in der Neustädter Brauerei (Unionbrauerei) eingestellt. Damit dürfte ein Betrieb verschwinden, der einer der ältesten der Neustadt ist und sich auf etwa 150 Jahre zurück verfolgen lässt. Was aus der Einrichtung resp. den umfangreichen Grundstücken wird, steht noch nicht fest. Möglich ist, daß die Schulgemeinde einem Erwerb näher tritt.

9. Juli 1914
Einem Wunsche des Stadtverordneten-Kollegiums entsprechend, fand gestern Dienstag eine Besichtigung des von der Stadt käuflich erworbenen Mineralbades statt. Die Führung und Erklärung hatten die Herren Bürgermeister Dr. Patz und Stadträte Anger und Bohne übernommen. Für städtische Zwecke besonders wertvoll ist neben anderen Wasserquellen eine Quelle, die nördlich des einen Teiches entspringt und von der aus eine Leitung nach dem Kurhaus führt, die die ganze Anlage überreichlich mit bestem Trinkwasser versieht. Den Teich an der Straße hat eine kleine Gesellschaft hiesiger Bürger gepachtet, an der Fischnutzung ist der neue Wirt beteiligt, dem die Obstnutzung in den vorderen Anlagen verbleibt und der im Winter auch die Eisenbahn pachten wird. Die Wirtschaft wird in der Sonderpacht weitergeführt, ebenso das Gut. In den Anlagen nahe der Mineralquelle will man einen Kinderspielplatz anlegen. Die Mineralquelle selbst ist neu gefaßt worden und stellt jetzt ein 31/2 Meter hohes Bassin dar, das mit einer Glasplatte überdeckt und mit einem kleinen Pavillon umgeben werden soll; der Wasserstand ist etwa 21/2 Meter. Die übrigen Quellen zu fassen erschien zwecklos. Eine dieser starklaufenden Quellen, die sehr eisenhaltiges Wasser führt, wird schon 1765 urkundlich erwähnt und seine Einfassung in Sandstein zeigt die Initialen des Grafen und Herrn von Schönburg (1785). Eine Oelgasanlage versorgt die Gebäude mit Gas; in Zukunft wird man sie in eine Kohlengasanlage umändern, wofür die Kosten nicht hoch anzuschlagen sind. Gasmeister, Hausmann und Bademeister ist der bisherige Schulhausmann Eichhorn-Hüttengrund. Das Waschhaus ist überreichlich mit Wasser versehen, das, wie gesagt, durch die gesamt Anlage fließt. Große Stallungen bieten viel Gelegenheit zum Unterstand für Pferde. Der alte Speisesaal soll geteilt werden; die eine Hälfte steht dem Wirt zur Verfügung, die andere beansprucht die Stadt für sich. Für das sogen. Ulrich-Häuschen scheint sich keine besondere Verwendung zu finden. Wieviel Räumlichkeiten das Kurhaus enthält, davon bekommt man erst bei genauerer Besichtigung einen Begriff. Das Erdgeschoß enthält eine große Zahl von Einzelbädern, zu denen sich auch zwei große Bäder für gemeinsamen Gebrauch gesellen, eins der kleineren ist auch mit Badeofen versehen. In das warme Badewasser wird das Mineralwasser geleitet und beides gemischt nimmt dann eine braune Färbung an. Neben den Badegesellen liegt die Heizungsanlage. Die oberen Stockwerke enthalten die Fremdenzimmer in sehr großer Zahl, von denen zunächst einige wohnlich eingerichtet werden sollen zur Aufnahme von Kurgästen. Die Lage dieser Zimmer ist größtenteils eine recht idyllische. Auch die oberen Stockwerke des vorderen Hauptgebäudes weisen Zimmer auf, die den Kurgästen angenehmen Aufenthalt bieten. Das frühere Lorenzsche Wohnzimmer will man zu einem Gesellschaftsraum einrichten. Im großen ganzen, zumal auch im Saal, gibt’s allerdings reichlich zu tun, wenn alles in einen Zustand versetzt werden soll, wie er städtischem Besitz zukommt. Die ganze Anlage wird hoffentlich recht bald wieder zu schöner Blüte gelangen; noch heute spricht so vieles in der ganzen Einrichtung von der Pracht entschwundener Zeiten.

10. Juli 1914
Gestern gegen Abend entstand auf der Waisenhausstraße eine größere Menschenansammlung. Den Anlaß hierzu gab ein Pferd des Roßschlächters Herrn Neumarker, der mit dem Tiere in seinen Hof fahren wollte. Trotzdem man sich alle Mühe gab, das widerspenstige Pferd in den Hof zu bringen, ging es nicht von der Stelle. Es schlug und legte sich, bis man es endlich vom Wagen abspannte. Ohne den Wagen ging es dann hinein.

22. Juli 1914
Gelegentlich eines Zwistes geriet vorgestern ein auf der Bahnstraße wohnendes Ehepaar durch das rücksichtslose Verhalten der Ehefrau in Tätlichkeiten, bei der die letztere die meiste Prügel erhielt. Der Mann geriet in solche Aufregung, daß er schließlich noch eine Kohlenschaufel nahm und der Frau eine sehr erhebliche Verletzung am Arm beibrachte, sodaß man einen Arzt holen musste.

24. Juli 1914
Die Vorführungen der Seiltänzer-Gesellschaft freuten sich gestern und vorgestern recht guten Zuspruchs, zumal seitens der – Zaungäste, die sich nicht einmal eingestehen wollen, wie klein sie sich zeigen, wenn sie auseinandertrieben, sobald ein Mitglied der Gesellschaft mit dem Sammelteller herumgeht und ein Scherflein von denen heischt, die sich an den Künstlern ergötzen. „Jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert“ – mit diesen Worten leitete einer der Mitwirkenden die gestrige Vorstellung ein. Dieses Wort wird sicher von allen Besuchern als unwiderleglich bezeichnet werden; leider aber handelt die große Masse nicht danach. Die Vorführungen erfreuten sich allseitigen Beifalls. Sie sind recht vielseitig und verdienen guten Besuch.

26. Juli 1914
Gegenwärtig vollzieht die Firma J. G. Böttger ihren Umzug nach dem an der König-Albert-Straße errichteten großen Geschäftshause. Die Firma hat seit ihrer Gründung ihre Geschäftsräume stets auf der hiesigen Breitestraße gelegenen drei Geschäftshäuser zu Wohnungen umgebaut, wodurch eine größere Zahl Wohnungen entstehen. Die Häuser wurden bereits vor einiger Zeit an drei hiesige Herren verkauft. Auch dürfte das bisherige Kino an der Limbacherstraße nach dort verlegt werden.

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Juni 1914

6. Juni 1904
Seit einigen Tagen halten sich in unserer Stadt wieder besuchsweise einige seit Jahren in Amerika wohnende, hier geborene ehemalige Hohenstein-Ernstthaler auf, um kurze Zeit in der alten Heimat zu verweilen. Einen derselben Herr August Neubert, war seit über 20 Jahren von hier abwesend. Wenn sich auch in diesem Zeitraum in unserer Stadt vieles verändert hat, so dürfte doch den Deutschamerikanern der Besuch in der alten Heimat so manche Jugenderinnerung ausrichten. Anfang Juli treten die Amerikaner wieder die Heimreise an.

Der Neubau des an der Chemnitzerstraße, gegenüber dem Neustädter Schützenhause, gelegenen abgebrannten Badergutes der von Herrn Bauunternehmer Frinzel ausgeführt wird, macht ansehnliche Fortschritte. Er ist bereits unter Dach gebracht. Es dürfte nur noch einige Wochen dauern und das große geräumige Gebäude, das von allen vier Seiten frei steht und sonnige Wohnungen enthält, kann bezogen werden. Der Bau wurde um einige Meter von der alten Straße entfernt nach dem Garten zu errichtet.

9. Juni 1904
Einen Einbruch bei seinem Logiswirt Herrn Bäckermeister F. in der Lichtensteiner Straße, verübte in der Nacht zum Sonntag der Malergehilfe L. Er öffnete gewaltsam den Backraum und erlangte dadurch Zutritt zum Laden, in dem er die Kasse plünderte, wobei ihm aber angeblich nur ein Betrag in Höhe von einer Mark in die Hände gefallen ist. Er wurde auf frischer Tat ertappt und nach „Nummer sicher“ gebracht.

16. Juni 1904
Ein schweres Unglück trug sich heute vormittag gegen ½ 10 Uhr an der Einmündung der Moltkestraße in den Bahnhofsplatz zu. Zwei bei Herrn Steinsetzmeister Köhler beschäftigte Handarbeiter, Kluge aus der Dresdnerstraße 68, und Fritzsche, waren beauftragt einen Wagen mit einem 500 Liter Wasser enthaltenden, eisernen Faß die Moltkestraße hinab nach dem Bahnhof zu fahren, wo gegenwärtig Pflasterungsarbeiten ausgeführt werden. Auf der abschüssigen Straße vermochten die Arbeiter den Wagen nicht zu halten und mit großer Wucht prallte er an den rechtsseitigen Zaun, der auf eine Länge von 5 bis 6 Metern beschädigt ward, und Kluge, der die Deichsel führte, erlitt hierbei schwere Verletzungen an Arm und Kopf; man vermutet einen Schädelbruch. Nachdem ihm Herr Dr. Sommer den ersten Beistand geleitet, ward Kluge nach dem städtischen Krankenhaus gebracht. Eine Schuld an dem Unglück soll niemand beizumessen sein.

20. Juni 1904
Die Zahl der Dampfessen in unserer Stadt wird gegenwärtig wieder durch eine vermehrt. Seit kurzem sind Essenbauer damit beschäftigt, eine solche hohe und starke Esse in der Neustadt im Hofe der Dampfdestillation Paul Weigelt an der Oststraße in die Höhe zu bringen. Herr Weigelt nimmt eine Vergrößerung seines modernen Betriebes vor.

23. Juni 1914
Am Sonnabend wurden der Jubelfirma F. Oskar Zwingenberger, die bekanntlich ihr 50jähriges Bestehen feiern konnte, noch weitere Ehrungen zuteil. Die Angestellten und Arbeiter ließen ihren Chefs in aller Morgenfrühe durch das städtische Orchester je ein Ständchen bringen. Eine Abordnung der bei der Firma Beschäftigten erfüllte einen Akt der Pietät gegenüber dem früheren Chef, indem sie am Grabe des Firmengründers einen großen wertvollen Kranz niederlegte und eine weitere Abordnung überreichte in dem festlich geschmückten Privatkontor neben einer künstlerisch ausgeführten Erinnerungstafel mehrere Geschenke. Neben den Vertretern der Stadt waren auch verschiedene Vereine sowie eine ganze Anzahl von Geschäftsfreunden usw. zur Beglückwünschung erschienen. Abends vereinigte sich ein Festmahl, zu dem etwa 500 Gedecke aufgelegt waren, Arbeitgeber und –nehmer im Altstädter Schützenhaus-Saale. Dieser Teil des Festes nahm einen besonders harmonischen Verlauf; zu seiner Belebung trugen eine von der Arbeiterschaft gestiftete Festschrift, Festreden, Tafellieder und turnerische Vorführungen aufs beste bei, so daß während der Feier allgemein festliche Stimmung herrschte.

Gestern abend gegen ½ 11 Uhr hätte sich an der Bahn-Ueberführung der Goldbachstraße am Beck´schen Sägewerk leicht ein folgenschweres Unglück ereignen können. Ein fremdes, von der Goldbachstraße herkommendes Auto, das so wenig die Gegend kannte, daß es vorher schon nach dem Güterbahnhof zu fuhr, durchraste die Ueberführung, als eben ein Straßenbahnzug mit drei vollbesetzten Wagen vom Bahnhof her nahte. Lediglich der Tatsache, daß der Motorführer an der gefährlichen Stelle sehr langsam fuhr, ist es zu danken, daß es dem Autolenker noch gelang, sein Fahrzeug so zu bremsen, daß es kurz vor den Straßenbahnwagen hielt: hätte sich aber ein Unglück zugetragen, so hätte die Schuld allein das Auto gehabt, dessen Insassen übrigens von den entrüsteten Augenzeugen mit kräftigen Vorwürfen bedacht wurden.

30. Juni 1914
Das Erdbeben, das sich in der Nacht zum Sonnabend wie in unserer Stadt so auch in einem großen Teile Sachsens bemerkbar machte, hatte nach den gemachten Beobachtungen seinen Herd in Leipzig. So weit Nachricht über den Erdstoß vorliegt, ist ein Schaden nicht angerichtet worden. Die Erschütterungen waren teils so stark, das Schlafende erwachten, Wände zitterten und Gegenstände umfielen. Die Bodenbewegung pflanzte sich von Ost nach West fort. Ueber die Ursache lies sich jedoch bis zur Stunde noch nichts ermitteln. Besonders in den Leipziger Vororten machte sich das Beben stark bemerkbar und verursachte ein starkes Schwanken des Bodens. In vielen Häusern blieben die Uhren stehen und Fenster klirrten. Das Beben war von unterirdischem Getöse begleitet, das schon auftrat, bevor das Beben erfolgte und seinen Höhepunkt im Moment der Erderschütterung erreichte.

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Mai 1914

7. Mai 1914
Auf dem hiesigen Bahnhofe hatte sich gestern um die Mittagsstunde wieder vieles Publikum eingefunden, um den Transport des Brandstifters Rindel beizuwohnen. Da man vermutete, daß derselbe mit dem 1 Uhr-Zuge, der bekanntlich den Gefangenentransportwagen mit sich führt nach Zwickau überführt würde. Man ward aber, wie schon vorige Woche am Dienstag, enttäuscht. Rindel ist bereits vorigen Donnerstag nach Zwickau überführt worden. Wie wir hören, kann es möglich sein, daß Rindels Straftat bereits im Juni zur Verhandlung stehen wird.

15. Mai 1914
Während einer nur kurzen Abwesenheit des Besitzers entstand heute in der Schuhmacherwerkstatt des Herrn D. in der Dresdner Straße ein kleiner Brand, der bald mit Löschapparaten gedämpft werden konnte, ohne daß größerer Schaden angerichtet wurde. Man vermutet, daß der Brand durch einen eisernen Ofen verursacht worden ist.

19. Mai 1914
Unermüdlich ist die Leistung unsres Erzgebirgsvereins bestrebt, für eine originelle Ausgestaltung der Hutzenabende zu sorgen und ihnen immer wieder neue Anziehungskraft zu verleihen. Das ihr dies bisher in vollstem Maße gelungen ist, muß man ihr neidlos zugestehen, ihr aber auch dankbar sein für alles, was sie bislang geboten hat: stets war es ein Genuß, solchen Abenden beiwohnen zu dürfen. Und daß diese Bestrebungen des Vereins allseitige Würdigung in Mitgliederkreisen wie bei Gästen finden, sieht man aufs deutlichste an dem stets sehr zahlreichen Besuch der Hutzenabende. Am Sonnabend bestritt Herr Lehrer Max Wenzel aus Chemnitz, der sich als erzgebirgischer Dialektdichter eines guten Rufes erfreut und als Rezitator eigener und fremder Dichtungen Hervorragendes leistet, die Unterhaltung. Einleitend hob er u.a. hervor, daß die Anton Günthersche Poesie, wenn ihr auch eine gewisse Weichlichkeit nicht abzusprechen sei, das Gute habe, daß sie dem Eindringen der wüsten Gassenhauer in die gebirgischen Volkskreise Einhalt tue. Redner verbreitete sich des weiteren über die von groß und klein, alt und jung gesungenen Lieder der Erzgebirger, die Hutzen- und Tschumpaliedeln, beleuchtete die originelle Dichtart, ezählte von den Hutzenabenden, auf denen oft das Gruseln gelehrt werde, wies an einer großen Zahl von Beispielen nach, wie arg verbreitet der Aberglauben ist, berichtete reizende Züge aus den Sitten und Gebräuchen der Gebirgler, die sich in deren täglichem Leben offenbaren, besprach ihre Festlichkeiten und so vieles andere in denen sich das heitere Volkstum mit seinen originellen Aeußerungen wiederspiegelt. Für die Erhaltung dieses Originellen trat Redner warm ein. Aus dem reichen Schatz erzgebirgischer Literatur in Poesie und Prosa trug Herr Wenzel sodann eine große Reihe der besten Schöpfungen vor und fand damit ein recht dankbares Publikum, da er meist Humoristika bot und viel Heiterkeit erregte. Enttäuscht waren die vielen Hutzengäste, als im Laufe des Abends Herr Vorst. Ebersbach erklärte, daß dies nun vorläufig der letzte Hutzenabend gewesen sei und man sich erst nach Verlauf von vier Monaten wiedersehen werde. Man muß sich aber wohl oder übel mit dieser Tatsache abfinden, denn es gilt nun für den Verein, zum Bergfest zu rüsten, das am 9. und 10. August stattfinden soll. Was diese Vorarbeiten an Besprechungen und sonstigen Mühen mannigfacher Art nötig machen, kann wohl nur der beurteilen, der in dieser Hinsicht bereits selbst tätig gewesen ist. Das nun auch diese Vorarbeiten zum guten Gelingen des Bergfestes beitragen möchten, dazu ein „Glück auf“.

23. Mai 1914
Wie wir hören ist vergangen Mittwoch abends nach 6 Uhr Herr Amtshauptmann Graf v. Holzendorff hier eingetroffen, um zwei im Samariterwesen verdienstvoll tätigen Männern, Herrn Weber Karl Hermann Bochmann, Dresdnerstr. 85 (Obersamariter) und Herrn Expedient Gotthilf Paul Gränitz, Chemnitzerstr. 39*1 (Samariter) allerhöchste Auszeichnungen in Gestalt der Friedrich-August-Medaille in Silber zu überreichen. Herr Bürgermeister Dr. Patz, Herr Fabrikant Schulze als Vorsteher des Samaritervereins und Herr Dr. med. Lange als der die Samariter ausbildende Arzt waren bei dem feierlichen Akte, der im Sitzungssaale des Rathauses stattfand, gegenwärtig.

24. Mai 1914
Der Geburtstag Sr. Majestät des Königs wird Montag, den 25. Mai, gefeiert wie folgt:
Früh: Weckruf durch die Straßen der Stadt unter Begleitung durch die Gewehrabteilungen des Kriegsvereins und der Militärvereine,
mittags von 3/412 – ¾ 1 Uhr: Platzmusik auf dem oberen Altmarkte,
abends ½ 8 Uhr: Festmahl im großen Zimmer des Berggasthauses zur „Bismarckhöhe“. Gedeck einschließlich Festaufwand 3 Mk. 50 Pfg.
Mit der Bitte um zahlreiche Teilnahme wird zu dem Festmahle hiermit eingeladen. Besondere Einladungen an Behörden oder Privatpersonen ergehen nicht. Einzeichnungslisten für die Teilnehmer am Festmahle liegen aus im Berggasthause zur Bismarckhöhe, im Hotel Drei Schwanen, im Stadtkeller, in der Bahnhofswirtschaft sowie in den Polizeiwachen.
Unsere Mitbürger werden ersucht, durch Beflaggen der Häuser zu einer würdigen Feier dieses vaterländischen Festtages beizutragen.
Hohenstein-Ernstthal, am 15. Mai 1914
Der Ausschuß für vaterländische Festlichkeiten

24. Mai 1914
Eine rohe Tat verübte am Himmelfahtstage der Knecht eines Gutsbesitzers auf der Lungwitzer Höhe, unweit der Aue, indem er den 10 Jahre alten Knaben eines dortigen Anwohners so unbarmherzig schlug, daß das Kind kaum nach Hause laufen konnte. Es soll auf die Saat gelaufen sein. Der Knabe musste sofort in ärztliche Behandlung gegeben werden. Gegen den Knecht wurde Anzeige erstellt.

*1 Chemnitzerstraße = heute Pölitzstraße

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April 1914

4. April 1914
Seit einiger Zeit waren im Forstrevier Hainholz aus jüngeren Anpflanzungen Bäumchen, vor allem Blaufichten und Lärchen, gestohlen, worden, ohne daß es gelingen wollte, den Täter zu fassen. Am heutigen zeitigen Morgen endlich wurde ein vielfach vorbestraftes, stadtverwiesenes und unterstandsloses Individuum im Hainholz betroffen, als es Huflattich ausgrub, der jetzt bekanntlich vielfach als Hustenmittel eingetragen wird. Da die Vermutung bestand, daß der Mann auch dem Diebstahle der Waldbäumchen nicht fernstand, wurde er eingehend befragt und gestand nach längerem Leugnen auch, die kleinen Bäume gestohlen und hier in der Stadt das Stück für 15 Pfennige verkauft zu haben. Der Mann wurde verhaftet und in das hiesige Kgl. Amtsgericht eingeliefert.

5. April 1914
Auf dem Grundstück des Naturheilvereins herrscht seit einiger Zeit reges Leben und fleißige Hände sind eifrig bemüht, das erweiterte Grundstück, das bekanntlich von der Stadt gepachtet wurde, gärtnerisch herzurichten. Die Umzäunung wurde schon vor einiger Zeit ausgeführt, während die anderen Arbeiten auch flott vorwärtsschreiten. In der nächsten Zeit dürfte auch mit dem Bau eines Zweifamilienwohnhauses auf dem Vereinsgrundstück begonnen werden. Die Ausführung wurde einem hiesigen Baugeschäft übertragen.

7. April 1914
Durch rücksichtsloses scharfes Fahren verunglückte gestern nachmittag auf der Badstraße ein in den 30er Jahren stehender auswärtiger Radler. Derselbe wollte auf der steilen Straße einen vor ihm herfahrenden jungen Mann überholen, verlor aber dabei die Gewalt über sein Vehikel, so daß er an den Gartenzaun eines an der Bismarckstraße stehenden Hauses fuhr, wobei er vom Rad geschleudert wurde. Der unvorsichtige Radler erlitt erhebliche Hautabschürfungen, namentlich im Gesicht. Auch wurde sein Rad beschädigt.

14. April 1914
Unser neuer Stadtmusikdirektor Herr Schäffer aus Crimmitschau hat die Geschäfte der Kapelle übernommen. Gestern erfolgte hier sein Einzug. Die dem Stadtmusiker angehörigen Mitglieder brachten ihren neuen Chef vor seiner auf der Bahnstraße gelegenen Wohnung ein Begrüßungsständchen.

15. April 1914
Noch gut abgelaufen ist gestern nachmittag im Garten eines hiesigen Restaurants ein unangenehmer Vorfall. Dort stürzte das 1 1/2 Jahre alte Kind eines hiesigen Nadelmachers in einen Wasserbottich, der den Enten des Besitzers zum Baden dient. Das 12 Jahre alte Mädchen, das das Kind beaufsichtigte, hatte zum Glück den Vorgang bemerkt, so daß man das kleine Kind noch rechtzeitig aus dem Wasser entfernen konnte. Die Mutter des Kindes erschrak dermaßen, das sie ohnmächtig wurde.

17. April 1914
Heute vormittag fand die gerichtliche Zwangsversteigerung des Mineralbades und zwar im Gesellschaftszimmer des Bades selbst statt. Da das Bad dem Amtsgericht Lichtenstein untersteht, so leitete die Amtshandlung Herr Assessor Dr. Elsperger von dort. Die Hypothekengläubiger waren vollzählig erschienen, des weiteren hatte sich eine Anzahl Bieter eingefunden, unter ihnen die Herren Bürgermeister Dr. Patz, Stadträte Anger und Bohne und Stadtbaumeister Matzinger von hier. Nachdem pünktlich um 9 Uhr der Versteigerungstermin eröffnet war, wurde zunächst aus den Akten festgestellt, daß das Bad mit den dazugehörigen Liegenschaften mit 155 000 Mk. Hypotheken belastet ist, und zwar sind an erster Stelle die Sparkasse Marienberg mit 75 000 Mk., dann Herr Rechtsanwalt Kronfeld in Wilsdruff mit 9000, die Erben des verstorbenen Mühlenbesitzers Modes in Stein mit 41 000 und die Privata Frl. Zschimmer in Tollewitz mit 30 000 Mk. eingetragen. Die Höhe der Brandkasse beträgt 122 950 Mk., der ein Gesamt-Schätzungswert der Baulichkeiten von 124 659 Mk. gegenübersteht. Die Gesamtschätzung aller Liegenschaften, also der Gebäude, Grundstücke, Wald, Feld, Wiesen, Teich usw., welch letztere für sich allein einen geschätzten Wert von 36 620 Mk. repräsentieren, stellt sich auf 161 279 Mk. und unter Hinzurechnung des Inventars (Mk. 5578,33) auf 166 889 Mk. 33 Pfg. Das geringste Gebot wurde dann auf 8109 Mk. 50 Pf. Festgestellt und dann 5 Minuten vor 11 Uhr die Abgabe von Geboten freigegeben. Zunächst bot Herr Rechtsanwalt Kronfeld-Wilsdruff für die Immobilien- und Terraingesellschaft in Dresden 90 000 Mk., dann boten – in langen Pausen – die Stadtgemeinde Hohenstein-Ernstthal durch Herrn Bürgermeister Dr. Patz 93 000 Mk., Herr Kronfeld 97 000 Mk., Herr Dr. Patz 98 000 Mk., die Modeschen Erben 99 000 Mk., Herr Dr. Patz 100 000 Mk. und schließlich die Modeschen Erben 101 000 Mk. Da niemand weiter bot, wurde das Bad kurz vor ¼ 1 Uhr dem letzten Bieter zugeschlagen. Besitzer des Bades aber wird unsere Stadtgemeinde Hohenstein-Ernstthal, da, wie wir hören, zwischen dieser und den Modeschen Erben ein Uebereinkommen abgeschlossen und sofort notariell festgelegt wurde, nach welcher das Bad mit allen Liegenschaften und Zubehör für den Preis von ungefähr 106 000 Mk. in den Besitz unserer Stadt übergeht. Wie wir jetzt verraten können, hatten unsere städtischen Kollegien Herrn Bürgermeister Dr. Patz ermächtigt, auf das Bad bis zur Höhe von 120 000 Mk. zu bieten. Diese Summe ist, wie ersichtlich, nicht erreicht worden, sodaß unsere Stadt zu einem verhältnismäßig billigen Preise in den Besitz eines Objektes gelangt, das unserer Stadt hoffentlich reichen Nutzen bringt.

22. April 1914
Der vielberufene nackte Mann spukt wieder einmal in der Nähe des „Logenhauses“ umher. Jetzt hat er sich sogar ein Fahrrad zugelegt, auf dem er flüchtet, wenn die Situation für ihn unangenehm wird. So hat er sich am Freitag wieder gezeigt, ohne daß es gelang, seiner habhaft zu werden. Obwohl der Kerl bisher von größeren Belästigungen der Passanten des vielbegangenen Weges abgesehen hat, so wäre es doch erwünscht, wenn das Individuum endlich gefaßt würde und die Beruhigung des Publikums aufhörte.

25. April 1914
Zum Höchstgebot auf das vor kurzem versteigerte Mineralbad ist nunmehr der Zuschlag erteilt worden, die Stadt Hohenstein-Ernstthal wird damit endgültig Besitzerin des Bades mit seinen Baulichkeiten und Liegenschaften.

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März 1914

4. März 1914
Heute vormittag 1/2 12 Uhr erfolgte im Rathause durch Herrn Bürgermeister Dr. Patz die feierliche Aushändigung des städtischen Ehrendiplomes für Treue in der Arbeit an Herrn Webermeister Christian Friedrich Beyer, Logenstraße 8, und die Knüpferin Frau Anna Marie Gränitz geb. Funke, Bahnstraße*1 35. Beide arbeiten über 25 Jahre für die Firma Emil Heidel, in deren Vertretung Herr Artur Heidel dem Akte beiwohnte. Zwei noch länger für diese Firma Arbeitende, die Herren Webermeister Friedrich August Otto, Silbergäßchen 6 und Julius Schaller, König-Albertstraße*2 31, die auch ausgezeichnet werden sollten, mußten krankheitshalber in ihren Wohnungen aufgesucht werden. Es erhielt Herr Schaller im Beisein des Herrn Artur Seidel das tragbare Ehrenzeichen sowie das städtische Ehrendiplom für Treue in der Arbeit, Herr Otto das tragbare Ehrenzeichen für Treue in der Arbeit, nachdem ihm das städtische Ehrendiplom bereits am Tage seiner goldenen Hochzeit (17. Januar 1914) überreicht worden war. Herr Schaller arbeitet seit fast 33 Jahren, Herr Otto seit 30 Jahren für die Firma Emil Heidel.

7. März 1914
Nachdem schon vor einiger Zeit an dem südlichen Teil der Schönburgstraße*3 das Schnittgerinne angebracht wurde, sind jetzt wieder Arbeiter damit beschäftigt, das Trottoir vom Grundstück des Herrn Thierfelder bis an das Grundstück des Herrn Wächter herzustellen. Es machen sich aus diesem Grunde umfangreiche Bodenveränderungen nötig und muss deshalb Erdareal, das dort erhöht über dem Straßenniveau liegt, abgetragen werden. Das überflüssige Land wird nach der Helbig-Wiese an der Schönburgstraße*3 gebracht.

Einer großen Frühjahrswäsche werden gegenwärtig die mit Pflaster versehenen Straßen unserer Stadt unterzogen. Als erste wurde die Dresdnerstraße vorgenommen, die durch die Wäsche wie in einem neuen Gewand erscheint. Hat doch der Winter im Form von Schnee- und Eisresten, Streumaterialien usw. eine dunkle Visitenkarte hinterlassen, die das Aussehen der Straßen wesentlich beeinträchtigte. Dieses Aussehen aber zu heben, ist die Wäsche recht geeignet.

8. März 1914
Wie heute amtlich gemeldet wird, hat Se. Majestät der König genehmigt, daß der Vorstand unseres Amtsgerichts, Herr Oberamtsrichter Rößler, vom 1. Juli d. Jahres an in gleicher Eigenschaft an das Amtsgericht Zwickau versetzt wird. An seine Stelle hier tritt von gleichem Zeitpunkt an Herr Landgerichtsrat Dr. Vogel in Chemnitz unter Verleihung des Titels und Ranges eines Oberamtsrichters. Herr Rößler bekleidet sein hiesiges Amt seit dem 1. Oktober 1904. Weite Kreise werden den verdienten Beamten nur ungern von hier scheiden sehen.

11. März 1914
Eine gemeine Tat wurde in der Nacht zum Montag im Hause der Witwe Müller auf der Aue verübt. Ein unbekannter Täter hat im Garten und Waschhaus stand die eingewässerte Wäsche zweier Familien, die im Hause herumgeschleudert und beschmutzt wurde. Eine Hauslampe wurde in die Jauche geworfen und das Gartentor angegriffen. Man gewinnt den Eindruck, daß ein Racheakt vorliegt. Der Täter hat zu seiner verwerflichen Handlungsweise eine elektrische Taschenlampe benutzt, denn als einige dort wohnende Männer gegen 12 Uhr nach Hause kamen, wurden sie durch ein plötzliches Aufleuchten aufmerksam, legten aber diesem Vorgang keine Bedeutung bei.

Höchst rüpelhaft benahmen sich gestern abend zwei ungefähr 16-17 Jahre alte Burschen auf der Chemnitzerstraße*4. Sie balgten sich dort herum und demolierten dabei an einem Hause ein Kellerfenster. Als ein auf der Aktienstraße wohnender Fabrikarbeiter den Burschen diese Flegelei verbat, wurden sie ausfällig gegen diesen und führten gemeine Redensarten. Ja sie verfolgten ihn sogar durch die ganze Stadt bis zur Weinkellerstraße, ihn und seine Frau stark belästigend. Erst als man energisch mit Ohrfeigen und Polizei drohte, ließen die Burschen von dem Ehepaar ab.

15. März 1914
Ein Einruch wurde heute nacht im Martin-Luther-Stift verübt. Ein bisher Unbekannter ist über die Umzäunung geklettert, fand durch ein offenstehendes Fenster des Schulhausbewahrungsraumes Eingang und begab sich in den Arbeitsraum der Kinder, wo er mit einer eisernen Zaunspitze ein Schreibpult aufwuchtete und seine Sparbüchse sowie eine an der Wand hängende Sammelbüchse aufbrach und entleerte, wobei ihm 2 Mk. Einzelgeld in die Hände fielen. Der Einbrecher durchwühlte weiter einen Schrank, nahm daraus aber nichts mit, wandte sich vielmehr dem Fleischgewölbe zu, wo er 2 Pfund Speck und ebensoviel Wurst stahl und diese Ware in einem gleichfalls gestohlenen Marktnetz mitnahm. Die ganze Art und Weise des Einbruchs spricht dafür, daß der Dieb mit den Verhältnissen vertraut sein muss.

26. März 1914
Ein seltenes Jubiläum kann am 1. April Herr Buchbinder Otto Richter, wohnhaft Landgraffstraße 9*5, feiern. An diesem Tage vollenden sich 50 Jahre, daß Herr Richter in diesem Hause wohnt. Vor 50 Jahren zogen die Eltern Richters in dieses Haus. Nach deren Tode behielt Richter die Wohnung und hat dieselbe heute noch inne. Das Haus wechselte einige Male den Besitzer in diesem Zeitraum. Jetzt gehört es Herrn Eisendreher Max Winter.

31. März 1914
Zahlreiche Ehrungen wurden anläßlich der goldenen Hochzeit Herrn Oberlehrer i.R. Wilhelm Ernst Reichardt und seiner Gattin, einer geborenen Temper, zuteil. Herr Pfarrer Albrecht segnete das Jubelpaar, das sich noch körperlicher wie geistiger Frische erfreut, erneut ein und das Konsistorium ließ eine Ehrenbibel überreichen. Seit 43 Jahren wohnt Herr Reichardt hier, bis mit 1900 wirkte er an der Altstädter Schule als Oberlehrer und Stellvertreter des Direktors; 16 Jahre gehörte er dem Stadtverordneten-Kollegium an, etwa 6 Jahre lang war er dessen Vorsteher, auch wirkte er 7 Jahre lang im Kirchenvorstand mit. Das Jubelpaar besitzt 2 Söhne, von denen der eine Direktor der Straßenbahn in Duisburg, der andere Hüttendirektor in Barbe-Borbeck ist. Der erstgenannte wohnte der Feier im Elternhause bei. Um Stadt, Schule und Kirche hat sich der Jubelbräutigam gleicherweise verdient gemacht, und das wird ihm die Allgemeinheit stets Dank wissen. Die Jubelbraut wirkte auch ersprießlich im Damenvorstand des Schubertstiftes mit.

*1 Bahnstraße – heute: Karl-May-Straße
*2 König Albertstraße – heute: Conrad-Clauß-Straße
*3 Schönburgstraße – August-Bebel-Straße
*4 Chemnitzerstraße – Pölitzstraße
*5 Landgraffstraße – Ziegenberg

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Februar 1914

03. Februar 1914
Arbeitswohnhäuser zu bauen, das vielerörterte und vielversuchte Problem der Gegenwart, hat man auch schon früher unternommen. Nicht allein, weil es an Wohnungen mangelte, sondern vor allem auch, um Räume zu schaffen, die so gestaltet waren, daß man das Gewerbe ohne Schwierigkeiten darin ausüben konnte. Eins davon steht noch heute. Es ist das Hinterhaus des Fleischermeister Lässigschen Besitzes in der Dresdnerstraße 19. Es zeichnet sich aus durch gerade Treppen, die das Stockwerk ohne Brechung und Absätze nehmen und sich so für den Transport von schweren und großen Maschinen eignen, und durch außerordentliche Höhe der Räume. Jedes der Stockwerke hat noch heute einen Ausgußstein, der von der Gossenanlage – für die damalige Zeit eine seltene Anlage-, herrührt. Das Haus wurde von der Firma Landgraff in der Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet. Ein ähnliches Arbeiterhaus, von der Deckenfirma Beck errichtet und mit lauter „Deckenmachern“ belegt, wurde anfang der sechziger Jahre beim sogenannten Meisterhausbrand ein Raub der Flammen. Man sieht, es ist manches schon dagewesen, von dem die heutige Generation meint, dass sie es erfunden habe. Freilich waren die Beweggründe wesentlich andere. Wenn man sich heute den ideellsten Begriff eines Arbeiterhauses vor Augen hält, dann muß es wohl das Einfamilienhaus sein, das dem Tag über in die Werkstatt gefesselten und besitzlosen Arbeiter ein gemütliches Heim und einen eigenen kleinen Besitz sichert. Gleichwohl gingen bzw. gehen beide Richtungen darauf hinaus, dem Arbeiter zu helfen, und es ist erfreulich, daß es hiesige Handelsherren waren, die einst schon einen schönen Gedanken in die Tat umzusetzen versuchen.

05. Februar 1914
Gestern mittag ist, wie wir hören, der nominelle Besitzer des Mineralbades, des „Wintergartens“ in Schönau, des „Weissen Schlosses“ – in Blasweitz und wohl noch mehrerer anderer Objekte, der weitbekannte Herr Christian Friedrich Lorenz in einem Hotel in Chemnitz verhaftet worden. Mit ihm bez. Vor ihm sind auch mehrere seiner früheren Angestellten verhaftet, die sich jetzt in verschiedenen Orten aufhalten, sowie Verwandte, die an den Lorenz zur Last gelegenen Vergehen mitschuldig sein sollen, verhaftet worden. Zugleich fand gestern im Mineralbad eine Haussuchung statt, bei der zahlreiche Bücher und Papiere beschlagnahmt wurden. Die Vergehen die Lorenz zur Last gelegt werden, bewegen sich auf den Gebieten langjähriger verfehlter finanzieller Spekulationen, die schließlich zum Zusammenbruch führten. Die letzten Jahre hielt sich Lorenz bekanntlich in Böhmisch-Einsiedel auf, wo er sich von einem sächsischen Gläubigern sicher glaubte, bis er vor einiger Zeit auch dort domizillos wurde und wieder nach Sachsen zurückkehrte. Nunmehr hat ihn in Chemnitz sein Schicksal ereilt.

Die goldene Hochzeit feierte gestern das Fritz Heinrichsche Ehepaar, Wiesenstraße 4 wohnhaft, im Kreise seiner Angehörigen. Das Jubelpaar wurde durch mancherlei Aufmerksamkeiten erfreut. Möge den alten Leuten noch ein recht ruhiger, zufriedner Lebensabend beschieden sein.

07. Februar 1914
Der hiesige Naturheilverein will im laufenden Jahre eine Erweiterung seiner Anlagen vornehmen. Geplant ist der Bau eines Zweifamilienhauses. Dasselbe soll u.a. eine Wohnung enthalten für den Verwalter der Unterkunftshalle. Das von der Stadt zur Verfügung gestellte Grundstück ist bereits eingezäunt worden und sollen die gärtnerischen Anlagen nach dem Entwurf des Stadtgärtners Herrn Kaiser-Glauchau ausgeführt werden. Auf dem neuen Grundstück soll eine neue moderne Anlage für Licht-, Luft- und Sonnenbäder angelegt werden.

12. Februar 1914
Prinz Karneval hatte gestern abend in der „Hüttenmühle“ eine große Anzahl seiner Getreuen um sich geschart. Es mochten wohl an die 40 Masken gewesen sein, die selbstverständlich im Zusammenwirken mit den sehr zahlreich anwesenden Zuschauern ein reges Leben entwickelten. Bei der großen Anzahl schöner Masken fiel es den Preisrichtern schwer, die richtige Wahl zu treffen. Es erhielten Preise, von den Herren der „Vogelhändler“, die „Plakatsäule“, der „Lump“; von den Damen wurden bedacht „Königin der Nacht“, der“ Weihnachtsbaum“ und die „Wasserrose“.

17. Februar 1914
Wie eng verknüpft mit allen gesellschaftlichen Kreisen unserer Stadt der am Freitag am Gehirnschlag verschiedene Stadtmusikdirektor Eduard Naumann war, zeigte sich heute nachmittag vor aller Oeffentlichkeit, als man ihn zu Grabe trug. Bereits gestern erwiesen ihm eine große Anzahl unserer Sänger, denen er stets ein lieber Freund, Berater und Helfer war, die letzte sangesbrüderliche Liebe, indem sie vor dem Hause Trauerständchen sangen. Und heute in den ersten Nachmittagsstunden trug man ihn hinaus, der mit allen Fasern seiner Lebens der Musik ergeben war, betrauert und geleitet von einer außerordentlich großen Zahl treuer Freunde, denen er im Leben nahegestanden. Die Stadtkapelle geleitete ihn mit dem Chopinischen Trauermarsch zur letzten Ruhestätte. Eine große Anzahl von Vereinen mit Fahnen folgte seinem Sarge, der über und über mit prachtvollen Blumenspenden geschmückt war.

20. Februar 1914
Vor kurzem hatte ein Rechtsanwaltsschreiber auf hiesigem Bahnhofe seine Taschenuhr mit Kette verloren. Es war beobachtet worden, daß jemand sie aufhob, sie ward aber nicht auf dem Fundamt abgeliefert, der unehrliche Finder hatte sie vielmehr versetzt. Er ward von der Polizei ermittelt, die dem Verlustträger die Uhr wieder zurückgeben konnte. Es wird nunmehr Bestrafung wegen Fundunterschlagung erfolgen.

25. Februar 1914
Höchst raffiniert zeigten sich dieser Tage zwei größere Schulmädchen. Eine am Altmarkt wohnende Arbeitersehefrau hatte ihr 4 Jahre altes Töchterchen in ein Buttergeschäft geschickt und ihr eine Mark in einem Geldsäckchen mitgegeben. Das Kind versorgte den Einkauf und bekam auf die Mark einige Pfennige heraus, die es dann ins mitgeführte Handkörbchen legte. Nun kamen die beiden Mädchen hinzu, nahmen dem Kind das Portemonnaie aus dem Korbe, entleerten es und legten es wieder in den Korb zurück, worauf sie verschwanden. Hoffentlich gelingt es die beiden Mädchen zu ermitteln.

28. Februar 1914
Zweimal vom Brande heimgesucht wurde gestern abend ein dem Abbruch verfallenes Gebäude, das dem Eisenbahnarbeiter Herrn Opelt gehörige Badergut in der Nähe des Neustädter Schützenhauses, das man wohl als eins der ältesten Gebäude Alt-Ernstthals ansprechen kann. Bereits ½ 8 Uhr waren, nach erfolgtem kleineren Alarm, einige Wehrmänner tätig, um einen kleinen Brand in diesem Gebäude, das unbewohnt ist, zu dämpfen, der auch völlig abgelöscht wurde und keinesfalls die Ursache des erneuten Brands sein kann der kurz nach 10 Uhr entstand, und zwar an der Treppe. Als diesmal die 2. Kompagnie der Feuerwehr eintraf, war es ihr nicht möglich, über die Treppe ins innere des Hauses zu gelangen, da diese bereits von den Flammen ergriffen war. Die Wehr musste von der Rückseite des Gebäudes eingreifen und konnte auch den Brand auf seinen Herd beschränken. Der Abbruch des Badergutes war in Angriff genommen, befand sich aber noch im Anfangsstadium, und nun haben die Flammen in dieser Hinsicht tüchtig vorgearbeitet, denn mehrere Mauern gingen in Trümmer. Nach 1 Uhr morgens konnte die 2. Kompagnie der Freiwilligen Feuerwehr wieder abrücken, ohne daß es nötig war, eine Brandwache zurückzulassen.

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Januar 1914

10. Januar 1914
Eine wahre Freude war es, gestern abend zu beobachten, wie sich Männlein und Weiblein in großer Zahl auf der Rodelbahn des Erzgebirgsverein tummelten, noch mehr Freude aber bot sich dem, der sich dem lustigen Treiben anschließen konnte. In schöner Fahrt ging es trotz einiger störender Buckel talwärts bis in den Wald hinein, wenn auch auf etwa halber Höhe der Bahn der Wind die Eiskörnchen von der Schneedecke ablöste und dem Fahrer ins Gesicht trieb. Wem der Wind zu sehr durchs Gewand pfiff, der hielt zur Einnahme von etwas Wärmenden Einkehr beim Hüttenwirth, der bänglich Ausschau nach dem Wetter hielt und jedenfalls schon gestern geahnt hat, daß er nun bis auf weiteres des beschwerlichen Bergsteigens enthoben ist, denn solchem durchdringenden Regen hält schließlich auch eine hartgefahrene Bahn nicht stand.

14. Januar 1914
Die goldene Hochzeit feiern zu können, ist nächsten Sonnabend, den 17. Jan., dem Webermeister August Otto und seiner Ehefrau geb. Gräfe vergönnt. Sind die alten Leute leider auch nicht mehr so rüstig, daß sie ihrer gewohnten Lebenslangen Berufsarbeit noch nachgehen könnten, so freuen sie sich doch auf den Ehrentag und schauen lebensfreudig in die Zukunft, von der sie noch einige Jahre beschaulicher Ruhe erwarten. Ein reicher Kreis von Kindern, Enkeln und Urenkeln umgibt die alten Leute und wird am Tage der goldenen Hochzeit um sie versammelt sein. Erwähnenswert ist bei dieser Gelegenheit, daß das Jubelpaar noch heute in der Wohnung am Silbergäßchen wohnt, die es vor reichlich 40 Jahren nach dem Brande des genannten Gäßchens Anfang der 70er Jahre bezogen hatte. Wir möchten heute als erste den Kranz der Glückwünsche eröffnen, der den braven alten Leuten sicher beschert wird.

16. Januar 1914
Feuersignale erschollen gestern in der 6. Abendstunde durch die Stadt. Gegen 5 Uhr war ein Trockenraum des Wollhauses der Chemischen Bleicherei Hüttengrund durch Fahrlässigkeit ein Brand entstanden, der außerordentlich schnell um sich griff. Sehr bald waren Teile der 1. Komapagnie unserer Freiw. Feuerwehr sowie die Hüttengrunder Wehr zur Stelle und machten sich unter Leitung des Herrn Branddirektors Lange ans Löschwerk, das insofern von bestem Erfolge war, als es gelang, den Lagerraum für fertige Wolle, der mit großen Vorräten gefüllt war, vor dem gefräßigen Element zu schützen. Wie polizeilich festgestellt ward, ist der Brand fahrlässiger Weise verursacht worden, und zwar durch einen im Trockenraum arbeitenden, jungen Mann, der auf Veranlassung seines Kollegen eine den Trockenraum beleuchtende Gaslampe mit einem Streichholz anzündete und das noch brennende Hölzchen in den die Lampe umschließenden Schutzkasten warf, an dessen Boden sich Luftlöcher befanden. Der im Schutzkasten angesammelte Wollstaub entzündete sich sofort und das Feuer wurde durch den vom Exhaustor hervorgerufenem starken Luftzug weitergetragen, zunächst auf die auf Trockennetzen ausgebreitete Wolle. Die Arbeiter mussten sich so schnell wie möglich in Sicherheit bringen. Große Mengen von Wollen, Baumwolle u. dergl. sind durch den Brand vernichtet worden, der auch daß ganze Trockengebäude ergriff, das völlig ausbrannte. Die Flammen schlugen oft bis fast zum angrenzenden Walde hinüber und nur der günstigen Windrichtung ist es zu danken, daß der Brand nicht auch die übrigen Baulichkeiten ergriff. Der Schaden, den die Firma Gebrüder Meißner erleidet, ist ein recht beträchtlicher, wenngleich er teilweise durch Versicherung gedeckt werden dürfte. Bereits vor zwei Jahren brannte das gleiche Gebäude fast völlig aus. Der junge Mann, der den Brand verursachte, ward in Haft genommen und zwecks Vernehmung dem Amtsgericht zugeführt. Von den auswärtigen Wehren gab die Feuerwehr Hermsdorf das erste Wasser.

18. Januar 1914
Mit dem Wegschaffen von Schnee aus den verkehrsreichsten Straßen ist unsere Stadtverwaltung schon seit reichlich einer Woche beschäftigt. Seit einer Reihe von Jahren war dies nicht in dem Maße der Fall, wie heuer. Es ist dies ein Zeichen von der Andauer und dem Umfang der Schneefälle, die in Verbindung mit der eingesetzten Kälte bewirkten, daß wir endlich einmal von einigen Schneewinterwochen. Außer von der gesundheitlichen Seite ist das besonders auch vom Standpunkt des Geschäftslebens aus zu begrüßen, das zwar nicht auf die Höhe gebracht werden kann, als wie dies um Weihnachten möglich war, immerhin aber eine wünschenswerte Ausrichtung erfuhr.

22. Januar 1913
! Feuer im Rathause ! Dieser Ruf erscholl gestern Dienstag abend in der 8. Stunde, nachdem zunächst einzelne Feuersignale in den Straßen ertönt waren. Glücklicherweise war die Sache an sich nicht schlimm, wiewohl einiger Schaden beim Aufsuchen des Brandherdes und beim Löschen entstanden ist. Kurz nach ½ 8 Uhr bemerkten im Meldeamtszimmer beschäftigte Beamte Brandgeruch und benachrichtigten sofort Herrn Bürgermeister Dr. Patz. Bei näherer Untersuchung bemerkte man in der Decke nahe der Esse einen weißen Fleck und hörte auch gleichzeitig ein Knistern im Fehlboden. Beim Durchstoßen dieses weißen Fleckes sah man weiter, daß die innere Decke zwischen dem Meldeamts- und dem Ratssitzungszimmer brannte, und zwar war der Deckel von den Flammen ergriffen, der den Luftschacht neben der Esse abschließt; auch das Ballenwerk war bereits in Brand geraten. Mit sofort angewandten Minimax- und Trockenlöschapparaten ging man dem Brandherd zuleibe und konnte das Feuer auch unterdrücken, ehe die alarmierte Wehr in Tätigkeit zu treten brachte. Man ist sich noch nicht klar über die Ursache des Brandes, der sich sicher von den schlimmsten Folgen begleitet gewesen sein würde, wenn er einige Stunden später ausgekommen und nicht von den Beamten beobachtet worden wäre. Infolge der Löscharbeiten ist die Dielung vollständig zerstört; der Luftschacht und die Ballendecke zum teil beschädigt worden; natürlich ist auch Schaden durch Wasser entstanden und die Wände haben durch Ruß usw. gelitten.

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Oktober 1915

22. Oktober 1915
Schwer verunglückt ist, anscheinende durch eigenes Verschulden, der in der Betriebsleitung der elektrischen Ueberlandbahn beschäftigte kaufmännische Lehrling Krämer. Beim Verschieben von Wagen auf dem hiesigen Güterbahnhof geriet er zwischen die Puffer zweier Straßenbahnwagen und erlitt dabei so schwere Verletzungen an der rechten Hand, daß er nach dem Kreiskrankenstift Zwickau gebracht werden mußte.

24. Oktober 1915
Herrn Max Reinhard, Leutnant d. R. im Reserve-Feld-Artillerie-Regiment Nr. 40, Sohn des Herrn Kommerzienrat Reinhard hier, ist das Ritterkreuz 2. Klasse mit Schwertern vom Albrechtsorden verliehen worden. Der Ausgezeichnete ist in hervorragender Weise bei den letzten schweren Kämpfen in der Champagne beteiligt gewesen. Für gleiches tapferes Verhalten ist der Pionier Herr Walter Hötzsch in der Minenwerfer-Kompagnie Nr. 224, Sohn des Herrn Baumeister Hötzsch hier, mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet worden.

26. Oktober 1915
Die Weberinnung konnte heute aus der Stiftung des verstorbenen Herrn Friedensrichter und ehemaligen Weberobermeisters Thiele an zehn bedürftige Meister der Neustadt je einen Betrag von 10 Mk. verteilen lassen. Weiter war es der Innung möglich, zehn weiteren Meistern der Alt- und Neustadt noch je einen ansehnlichen Betrag übergeben zu können, der von Herrn Privatmann Karl Scheer aus Anlaß seines kürzlich stattgefundenen 50jährigen Meisterjubiläums zur Verfügung gestellt worden war.

Von der Leitung der Neustädter Schule wird uns geschrieben: Mittwoch, den 27. Oktober, also morgen, werden Schulknaben an allen Wohnungen im Ortsteil Neustadt anklopfen und um gebrauchtes Schuhwerk aller Größen für Erwachsene, schulpflichtige und vorschulpflichtige Kinder, sowie Lederreste aller Art bitten. In vielen Familien wird Schuhwerk aufbewahrt, dem die Familienmitglieder entwachsen sind oder das abgenutzt ist. Wir ersuchen höflichst, die Schuhpaare zusammenzubinden. Die Schüler haben einen schriftlichen, von der Schule abgestempelten Ausweis. Es wird herzlich gebeten, der Sammlung zu einem reichen Erfolg zu verhelfen. In einer Schule eines Nachbarortes holten die Knaben 650 Paar reparaturfähige Schuhe ein.

27. Oktober 1915
Schweres Leid bringt der Krieg auch über die Familie Fritzsche auf der Chemnitzer Straße. Kurz nacheinander erlitten den Heldentod der Schwiegersohn der Frau verw. Fritzsche, der zuletzt in Oberlungwitz an der Nutzunger Straße wohnende Herr Richard Trinks, und ihr eigener Sohn, den Infanterist Herr Kurt Fritzsche. Besonders erschütternd wirkt der Fall um deswillen, als der Sohn, kurz nachdem er die Mutter den Tod seines Schwagers mitgeteilt, selbst das tödliche Blei erteilte. Das Vaterland erblühet groß aus seinen Heldensöhnen.

28. Oktober 1915
Am kommenden Freitag ist es dem auf der Gartenstraße wohnenden Webermeister Karl Aug. Ranft vergönnt, mit seiner Gattin, geb. Wagner, das goldene Ehejubiläum bei noch seltener körperlicher und geistiger Frische feiern zu können. Auch wir wünschen dem geachteten Jubelpaar, das von des Lebens Stürmen nicht verschont wurde und das drei Söhne im Felde stehen hat, noch einen langen sonnigen Lebensabend.

31. Oktober 1915
Vom Pfarramt St. Christophori wird uns mitgeteilt, daß Herrn Pfarrer Dybeck die Seelsorge allein zu versehen hat, von nächster Woche ab eine geistliche Hilfskraft zur Seite stehen wird. Herr Gerstmayer, gegenwärtig in Dresden, ein früherer bayrischer Geistlicher, der auch viele Jahre an einer Privat-Knabenschule wirkte, wird sich mit dem Herrn Pfarrer in die Seelsorge teilen. An unsere Kirchgemeinde ergeht die herzliche Bitte, diesem Herrn in jede Hinsicht Liebe und Vertrauen entgegenzubringen.

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September 1915

3. September 1915
Der heutige 2. September ist auch insofern ein Erinnerungstag für unsre Stadt, als heute vor 25 Jahren das Kaiser Wilhelm Denkmal eingeweiht ward. Es hatte anfangs seinen Platz auf dem Altmarkt, ward aber nach der Erbauung des Amtsgerichts an der König Albert- und Schillerstraße in die gegenüber befindlichen Anlagen versetzt.

4. September 1915
Da man jetzt die Wasserleitung nach dem Altstädter Friedhof gelegt hat, erhielt gleichzeitig das Gartengrundstück des evangelischen Arbeitervereins, das noch etwas höher als der Friedhof liegt, Anschluss an dieselbe. Es dürfte dies bis jetzt der höchstgelegene Abgabepunkt für unsere Wasserleitung sein.

10. September 1915
Allgemein wird es als außergewöhnlich störend empfunden, dass tagtäglich, fast von früh bis abends, ganze Scharen von Müßiggängern am Bahnhof aufliegen; abends sind es junge Burschen und Mädchen, nachmittags verheiratete Frauen. Zumal an Sonntagen ist die Menge derer, die den Vorplatz und den Zaun belagern, besonders groß, sodass sie ein Verkehrshindernis darstellen. Von amtlicher Stelle wird darauf hingewiesen, dass sich auf Grund der Bestimmungen der Verkehrsordnungen der sächsischen Staatseisenbahnen u. Ü. jeder strafbar macht, der auf diese Weise den Verkehr hindert. Die Bahnhofs- und Sicherheitspolizei ist angewiesen worden, mit schärferen Maßnahmen gegen alle vorzugehen, die, ohne dort etwas zu tun zu haben, sich in der Bahnhofshalle oder am Zugang zum Bahnhof in Massen aufhalten.

15. September 1915
Das Reichsamt des Innern hat für den 15. September eine Zählung der im Deutschen Reiche bei den Fabrikanten im Groß- und Kleinhandel vorhandenen Strümpfe und Handschuhe angeordnet. Die Fragebogen werden laut „Konfektionär“ in diesen Tagen durch die Ortsbehörden ausgegeben. Vorräte von Stoffhandschuhen und Strümpfen, die zusammen weniger als 50 Dutzend betragen, sind nicht anmeldepflichtig. Von den Ergebnis der Aufnahme ist der Umfang der Bewilligung von Ausfuhrerlaubnissen für diesen Artikel abhängig.

17. September 1915
Auf Grund der Verordnungen des Kgl. Ministerium des Innern vom 19. Januar 1911 und vom 15. Februar 1915 wurden in diesem Jahre von der Gewerbekammer Chemnitz Lehrbeihilfen von je 60 Mark 20 im 1. Lehrjahr stehenden Lehrlingen bewilligt, darunter einem Schmiede- und einem Tischlerlehrling in Hohenstein-Ernstthal.

23. September 1915
Der 41 Jahre alte Strumpfwirker Max D., welcher mit einer Sense auf der Schulter zum Grasmähen ging, glitt aus und kugelte sich das rechte Schultergelenk aus. Als ein Glück im Unglück ist es zu betrachten, dass er nicht in die Sense fiel.

24. September 1915
Es besteht vielfach die Ansicht, dass gefallende Soldaten mit allem, was sie bei sich tragen, der Erde übergeben werden. Das ist jedoch, nicht der Fall. Sämtliche Gegenstände, wie Uhr, Taschenmesser, Bücher, Geld, Briefe, Ringe usw. werden dem Toten abgenommen, genau verzeichnet, gesammelt und den Hinterbliebenen zugesandt. Für diese Arbeit besteht bei der General-Militärkasse in Berlin, Königgrätzerstraße 12, eine besonders eingerichtete Nachlassstelle, wohin also etwaige Anfragen über den Nachlass gefallener, ebenso auch in Lazaretten gestorbener Angehöriger gesichtet werden können.

26. September 1915
Der Stadtrat hat sich veranlasst gesehen, eine Polizeistunde für Schulkinder und Jugendliche derart einzuführen, das Schulpflichtige spätestens abends 8 Uhr und Jugendliche unter 17 Jahren spätestens abends 10 Uhr die Straßen, Anlagen und Plätze zu verlassen haben, sofern sie sich nicht in Begleitung Erwachsener befinden. Eltern, Dienstherrschaften und Lehrherren seien besonders auf diese Bestimmung hingewiesen.

28. September 1915
Die hiesige Webschule war am 25. September der Einladung des Herrn Prof. Gräbner gefolgt und besichtigte im Verein mit Lehrern und Schülern der Webschulen anderer Städte zunächst die Sächsische Webstuhlfabrik in Chemnitz, dann die städtische Vorbildersammlung und die höhere Webschule wie die höhere Wirkschule. Überall fanden die Besucher liebenswürdige Führer und Erklärer.

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August 1915

3. August 1915
Zwei Flieger im Zeitraum von einer halben Stunde zu sehen zu bekommen, gehört bei uns wohl zu den Seltenheiten. Ein Doppeldecker zog gestern vormittag bald nach 9 Uhr seine ruhige, sichere Bahn von Ost nach West und war, da er nicht sehr hoch flog, sehr gut zu beobachten; sein Flug ging etwa im Zuge der Dresdner Straße. Etwa eine halbe Stunde später war abermals ein Flieger zu sehen, der über de, westlichen Stadtteil dahinzog, und in der Richtung Nordwest flog.

4. August 1915
Anläßlich der neulichen Vollendung eines 25jährigen Zeitraumes seit der Begründung des Bethlehemstiftes im Hüttengrunde fand sich am Sonntag daselbst Herr Bürgermeister Dr. Patz ein, um eine von der Stadtgemeinde gestiftete Glückwunschadresse und Anerkennungsurkunde zu überbringen. Die Ehrenurkunde bei folgendem Wortlaut: „Dem Bethlehemstift des Niedererzgebirges hier werden anläßlich der Vollendung eines 25jährigen Zeitraumes seines Bestehens die herzlichsten Glückwünsche dargebracht. Tausende von Kindern fanden bei ihm Hilfe, und weiterhin drang der Ruf des Hüttengrundes als einer Stätte des reichsten Segens für Leib und Seele der daselbst Verpflegten. In dankbarer Anerkennung des gemeinnützigen Wirkens des Stiftes wird diese Ehrenurkunde ausgestellt. Hohenstein-Ernstthal, am 24. Juli 1915. Der Stadtrat. Die Stadtverordneten.“ Die unter Glas und Rahmen gebrachte Ehrenurkunde wurde durch Herrn Bürgermeister Dr. Patz dem Vorsteher des Bethlehemstiftes, Herrn Kirchenrat Siebenhaar aus Leipzig, unter entsprechenden mündlichen Glückwünschen überreicht.

5. August 1915
Wie wir seinerzeit mitteilten, hatten die städtischen Kollegien der Militärbehörde ein Gesuch um Befreiung des Herrn Bürgermeisters Dr. Patz vom Heeresdienst unterbreitet. Wie in der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten mitgeteilt ward, hat dieses Gesuch Erfolg gehabt und der Herr Bürgermeister widmet sich bereits seit einiger Zeit wieder den städtischen Verwaltungsgeschäften. Im Anschluß an die allerorts geförderten Bestrebungen der Fürsorge für Kriegsbeschäftigte sollen auch hierorts Unterrichtslehrgänge für solche an der Web- und Wirkschule eingerichtet werden. Hierzu gab die Stadtverordneten-Versammlung ihre Zustimmung. Sie sprach sich ferner für die Schaffung einer Wasserleitung nach dem Altstädter Friedhofe aus, bewilligte die Kosten für die Beseitigung der Unwetterschäden in Höhe von 3020 Mk. und für den Neubau eines Schulabortes (Altstadt), der 5500 Mk. erfordert. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde mit Dank Kenntnis genommen von der Stiftung eines Kapitals von 10000 Mk. durch Herrn Fabrikbesitzer Ernst Meisch, der damit eine Freistelle im Bürgerheim König Albert-Stift für einen seiner Arbeiter und Angestellten errichtet. In geheimer Sitzung wurde sodann Beschluß gefaßt über die Errichtung einer örtlichen Kriegerstiftung und über einen städtischen Beitrag zur Stiftung „Heimatdank“.

7. August 1915
Eine Flaschenpost aus dem Rhein erreichte uns heute; Söhne unserer Stadt haben sie auf ihrer Fahrt ins Feindesland, und zwar bei Mainz, am 12. Juli dem Wasser anvertraut. Unterzeichnet ist die Feldpostkarte, die anscheinend nähere Bekanntschaft mit den Fluten gemacht hat, von Bruno Jahn, Max Oesterreich und Ernst Huth aus Hohenstein-Ernstthal, Max Böttcher aus Limbach, Joh. Schönig aus Lichtenstein. Einer der Namen ist unleserlich (Paul?). Der Bitte der Absender an den Finder, die Karte zu befördern, ist in dankenswerter Weise nachgekommen worden, wie folgender Vermerk zeigt: „Aufgefunden am 5. August am Ufer der Rostbergsau gegenüber von Mainz-Mombach. Hans Schrader, Wiesbaden, Stiftstraße 4, 1. Etg.“ Wir danken den Absendern für ihre freundlichen Grüße und wünschen ihnen gesunde und siegreiche Heimkehr.

8. August 1915
Ein herrenloses Grundstück wird soeben zur Versteigerung ausgeschrieben. Es handelt sich, wie aus der heutigen Bekanntmachung des Kgl. Amtsgerichts ersichtlich, um das zum Bäckereibetrieb eingerichtete Hausgrundstück Lichtensteiner Straße 12. Es ist einschl. der Innen-Einrichtung auf 18000 Mk. geschätzt und mit 10140 Mk. zur Landesbrandversicherung versichert und soll am 1. Oktober vormittags 10 Uhr im Wege der Zwangsvollstreckung „an den Mann gebracht“ werden.

13. August 1915
Gelegenheit macht Diebe – das ist ein Wort, das seine Geltung immer behalten wird. Umso leichter wird den Dieben die Ausübung ihres Handwerkes gemacht, wenn – wie dies auf Bleichplätzen geschieht – Sachen unbeaufsichtigt auch nachtsüber im freien liegen bleiben. So wurden in letzter Nacht von einem Bleichplatz am Schlackenweg mehrere Wäschestücke gestohlen, die einen Gesamtwert von gegen 30 Mk. besitzen. Es handelt sich um Frauenhemde, weiße Unterröcke und rotgestreifte Handtücher. Wahrnehmungen, die zur Ermittlung des Diebes führen könnten, bittet man der Polizei mitzuteilen.

20. August 1915
Einer kleinen Garnison glich gestern nachmittag unsere Neustadt, allwo auf dem Marktplatze um die Kirche herum eine Abteilung Chemnitzer Militär ihr „Lager“ aufgeschlagen hatte. Gegen 12 Uhr mittags war die 1, Kompagnie des 1, Ersatz-Bataillons des Infanterie-Regiments Nr. 181 aus der Garnison abmarschiert zu einer Feldübung auf dem Pfaffenberge. Vorher machte, nachdem die eine Hälfte der Kompagnie nach Meinsdorf abgebogen war, die andere Hälfte, die unter Führung des Herrn Leutnant Ende von hier in unsere Stadt eingezogen war, an dem Neumarkte Rast, wo die gleichfalls eingetroffene Regimentskapelle zur großen Freude der Anwohner ihre schönen Weisen ertönen ließ. Der militärische Besuch hatte eine große Zahl von Einwohner nach dem Neumarkt auf die Beine gebracht, und daß dabei auch für unsre lieben Landser, von denen fast alle schon am Feldzug beteiligt waren und verwundet heimgekehrt sind, etwas Leib- und Magenstärkendes abfiel, versteht sich am Rande. Unter den Klängen der zurückbleibenden Kapelle die später in Bürgerquartierte ging, zog die Abteilung gegen 1/28 Uhr aus nach dem Pfaffenberge, wo ein Nachtgefecht mit der aus Meinsdorf anrückenden zweiten Abteilung, der roten, stattfand. Auch dieses kriegerische Schauspiel hatte eine große Zahl „Schlachtenbummler“ nach dem Berge gelockt. Nach heftigem Feuergefecht blieb die rote Partei Sieger. Freund und Feind bezog sodann in den Bergfestbauten Nachtlager, und heute in aller Frühe gings wieder heimwärts, nach der Garnison Chemnitz.

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