Februar 1914

03. Februar 1914
Arbeitswohnhäuser zu bauen, das vielerörterte und vielversuchte Problem der Gegenwart, hat man auch schon früher unternommen. Nicht allein, weil es an Wohnungen mangelte, sondern vor allem auch, um Räume zu schaffen, die so gestaltet waren, daß man das Gewerbe ohne Schwierigkeiten darin ausüben konnte. Eins davon steht noch heute. Es ist das Hinterhaus des Fleischermeister Lässigschen Besitzes in der Dresdnerstraße 19. Es zeichnet sich aus durch gerade Treppen, die das Stockwerk ohne Brechung und Absätze nehmen und sich so für den Transport von schweren und großen Maschinen eignen, und durch außerordentliche Höhe der Räume. Jedes der Stockwerke hat noch heute einen Ausgußstein, der von der Gossenanlage – für die damalige Zeit eine seltene Anlage-, herrührt. Das Haus wurde von der Firma Landgraff in der Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet. Ein ähnliches Arbeiterhaus, von der Deckenfirma Beck errichtet und mit lauter „Deckenmachern“ belegt, wurde anfang der sechziger Jahre beim sogenannten Meisterhausbrand ein Raub der Flammen. Man sieht, es ist manches schon dagewesen, von dem die heutige Generation meint, dass sie es erfunden habe. Freilich waren die Beweggründe wesentlich andere. Wenn man sich heute den ideellsten Begriff eines Arbeiterhauses vor Augen hält, dann muß es wohl das Einfamilienhaus sein, das dem Tag über in die Werkstatt gefesselten und besitzlosen Arbeiter ein gemütliches Heim und einen eigenen kleinen Besitz sichert. Gleichwohl gingen bzw. gehen beide Richtungen darauf hinaus, dem Arbeiter zu helfen, und es ist erfreulich, daß es hiesige Handelsherren waren, die einst schon einen schönen Gedanken in die Tat umzusetzen versuchen.

05. Februar 1914
Gestern mittag ist, wie wir hören, der nominelle Besitzer des Mineralbades, des „Wintergartens“ in Schönau, des „Weissen Schlosses“ – in Blasweitz und wohl noch mehrerer anderer Objekte, der weitbekannte Herr Christian Friedrich Lorenz in einem Hotel in Chemnitz verhaftet worden. Mit ihm bez. Vor ihm sind auch mehrere seiner früheren Angestellten verhaftet, die sich jetzt in verschiedenen Orten aufhalten, sowie Verwandte, die an den Lorenz zur Last gelegenen Vergehen mitschuldig sein sollen, verhaftet worden. Zugleich fand gestern im Mineralbad eine Haussuchung statt, bei der zahlreiche Bücher und Papiere beschlagnahmt wurden. Die Vergehen die Lorenz zur Last gelegt werden, bewegen sich auf den Gebieten langjähriger verfehlter finanzieller Spekulationen, die schließlich zum Zusammenbruch führten. Die letzten Jahre hielt sich Lorenz bekanntlich in Böhmisch-Einsiedel auf, wo er sich von einem sächsischen Gläubigern sicher glaubte, bis er vor einiger Zeit auch dort domizillos wurde und wieder nach Sachsen zurückkehrte. Nunmehr hat ihn in Chemnitz sein Schicksal ereilt.

Die goldene Hochzeit feierte gestern das Fritz Heinrichsche Ehepaar, Wiesenstraße 4 wohnhaft, im Kreise seiner Angehörigen. Das Jubelpaar wurde durch mancherlei Aufmerksamkeiten erfreut. Möge den alten Leuten noch ein recht ruhiger, zufriedner Lebensabend beschieden sein.

07. Februar 1914
Der hiesige Naturheilverein will im laufenden Jahre eine Erweiterung seiner Anlagen vornehmen. Geplant ist der Bau eines Zweifamilienhauses. Dasselbe soll u.a. eine Wohnung enthalten für den Verwalter der Unterkunftshalle. Das von der Stadt zur Verfügung gestellte Grundstück ist bereits eingezäunt worden und sollen die gärtnerischen Anlagen nach dem Entwurf des Stadtgärtners Herrn Kaiser-Glauchau ausgeführt werden. Auf dem neuen Grundstück soll eine neue moderne Anlage für Licht-, Luft- und Sonnenbäder angelegt werden.

12. Februar 1914
Prinz Karneval hatte gestern abend in der „Hüttenmühle“ eine große Anzahl seiner Getreuen um sich geschart. Es mochten wohl an die 40 Masken gewesen sein, die selbstverständlich im Zusammenwirken mit den sehr zahlreich anwesenden Zuschauern ein reges Leben entwickelten. Bei der großen Anzahl schöner Masken fiel es den Preisrichtern schwer, die richtige Wahl zu treffen. Es erhielten Preise, von den Herren der „Vogelhändler“, die „Plakatsäule“, der „Lump“; von den Damen wurden bedacht „Königin der Nacht“, der“ Weihnachtsbaum“ und die „Wasserrose“.

17. Februar 1914
Wie eng verknüpft mit allen gesellschaftlichen Kreisen unserer Stadt der am Freitag am Gehirnschlag verschiedene Stadtmusikdirektor Eduard Naumann war, zeigte sich heute nachmittag vor aller Oeffentlichkeit, als man ihn zu Grabe trug. Bereits gestern erwiesen ihm eine große Anzahl unserer Sänger, denen er stets ein lieber Freund, Berater und Helfer war, die letzte sangesbrüderliche Liebe, indem sie vor dem Hause Trauerständchen sangen. Und heute in den ersten Nachmittagsstunden trug man ihn hinaus, der mit allen Fasern seiner Lebens der Musik ergeben war, betrauert und geleitet von einer außerordentlich großen Zahl treuer Freunde, denen er im Leben nahegestanden. Die Stadtkapelle geleitete ihn mit dem Chopinischen Trauermarsch zur letzten Ruhestätte. Eine große Anzahl von Vereinen mit Fahnen folgte seinem Sarge, der über und über mit prachtvollen Blumenspenden geschmückt war.

20. Februar 1914
Vor kurzem hatte ein Rechtsanwaltsschreiber auf hiesigem Bahnhofe seine Taschenuhr mit Kette verloren. Es war beobachtet worden, daß jemand sie aufhob, sie ward aber nicht auf dem Fundamt abgeliefert, der unehrliche Finder hatte sie vielmehr versetzt. Er ward von der Polizei ermittelt, die dem Verlustträger die Uhr wieder zurückgeben konnte. Es wird nunmehr Bestrafung wegen Fundunterschlagung erfolgen.

25. Februar 1914
Höchst raffiniert zeigten sich dieser Tage zwei größere Schulmädchen. Eine am Altmarkt wohnende Arbeitersehefrau hatte ihr 4 Jahre altes Töchterchen in ein Buttergeschäft geschickt und ihr eine Mark in einem Geldsäckchen mitgegeben. Das Kind versorgte den Einkauf und bekam auf die Mark einige Pfennige heraus, die es dann ins mitgeführte Handkörbchen legte. Nun kamen die beiden Mädchen hinzu, nahmen dem Kind das Portemonnaie aus dem Korbe, entleerten es und legten es wieder in den Korb zurück, worauf sie verschwanden. Hoffentlich gelingt es die beiden Mädchen zu ermitteln.

28. Februar 1914
Zweimal vom Brande heimgesucht wurde gestern abend ein dem Abbruch verfallenes Gebäude, das dem Eisenbahnarbeiter Herrn Opelt gehörige Badergut in der Nähe des Neustädter Schützenhauses, das man wohl als eins der ältesten Gebäude Alt-Ernstthals ansprechen kann. Bereits ½ 8 Uhr waren, nach erfolgtem kleineren Alarm, einige Wehrmänner tätig, um einen kleinen Brand in diesem Gebäude, das unbewohnt ist, zu dämpfen, der auch völlig abgelöscht wurde und keinesfalls die Ursache des erneuten Brands sein kann der kurz nach 10 Uhr entstand, und zwar an der Treppe. Als diesmal die 2. Kompagnie der Feuerwehr eintraf, war es ihr nicht möglich, über die Treppe ins innere des Hauses zu gelangen, da diese bereits von den Flammen ergriffen war. Die Wehr musste von der Rückseite des Gebäudes eingreifen und konnte auch den Brand auf seinen Herd beschränken. Der Abbruch des Badergutes war in Angriff genommen, befand sich aber noch im Anfangsstadium, und nun haben die Flammen in dieser Hinsicht tüchtig vorgearbeitet, denn mehrere Mauern gingen in Trümmer. Nach 1 Uhr morgens konnte die 2. Kompagnie der Freiwilligen Feuerwehr wieder abrücken, ohne daß es nötig war, eine Brandwache zurückzulassen.

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Januar 1914

10. Januar 1914
Eine wahre Freude war es, gestern abend zu beobachten, wie sich Männlein und Weiblein in großer Zahl auf der Rodelbahn des Erzgebirgsverein tummelten, noch mehr Freude aber bot sich dem, der sich dem lustigen Treiben anschließen konnte. In schöner Fahrt ging es trotz einiger störender Buckel talwärts bis in den Wald hinein, wenn auch auf etwa halber Höhe der Bahn der Wind die Eiskörnchen von der Schneedecke ablöste und dem Fahrer ins Gesicht trieb. Wem der Wind zu sehr durchs Gewand pfiff, der hielt zur Einnahme von etwas Wärmenden Einkehr beim Hüttenwirth, der bänglich Ausschau nach dem Wetter hielt und jedenfalls schon gestern geahnt hat, daß er nun bis auf weiteres des beschwerlichen Bergsteigens enthoben ist, denn solchem durchdringenden Regen hält schließlich auch eine hartgefahrene Bahn nicht stand.

14. Januar 1914
Die goldene Hochzeit feiern zu können, ist nächsten Sonnabend, den 17. Jan., dem Webermeister August Otto und seiner Ehefrau geb. Gräfe vergönnt. Sind die alten Leute leider auch nicht mehr so rüstig, daß sie ihrer gewohnten Lebenslangen Berufsarbeit noch nachgehen könnten, so freuen sie sich doch auf den Ehrentag und schauen lebensfreudig in die Zukunft, von der sie noch einige Jahre beschaulicher Ruhe erwarten. Ein reicher Kreis von Kindern, Enkeln und Urenkeln umgibt die alten Leute und wird am Tage der goldenen Hochzeit um sie versammelt sein. Erwähnenswert ist bei dieser Gelegenheit, daß das Jubelpaar noch heute in der Wohnung am Silbergäßchen wohnt, die es vor reichlich 40 Jahren nach dem Brande des genannten Gäßchens Anfang der 70er Jahre bezogen hatte. Wir möchten heute als erste den Kranz der Glückwünsche eröffnen, der den braven alten Leuten sicher beschert wird.

16. Januar 1914
Feuersignale erschollen gestern in der 6. Abendstunde durch die Stadt. Gegen 5 Uhr war ein Trockenraum des Wollhauses der Chemischen Bleicherei Hüttengrund durch Fahrlässigkeit ein Brand entstanden, der außerordentlich schnell um sich griff. Sehr bald waren Teile der 1. Komapagnie unserer Freiw. Feuerwehr sowie die Hüttengrunder Wehr zur Stelle und machten sich unter Leitung des Herrn Branddirektors Lange ans Löschwerk, das insofern von bestem Erfolge war, als es gelang, den Lagerraum für fertige Wolle, der mit großen Vorräten gefüllt war, vor dem gefräßigen Element zu schützen. Wie polizeilich festgestellt ward, ist der Brand fahrlässiger Weise verursacht worden, und zwar durch einen im Trockenraum arbeitenden, jungen Mann, der auf Veranlassung seines Kollegen eine den Trockenraum beleuchtende Gaslampe mit einem Streichholz anzündete und das noch brennende Hölzchen in den die Lampe umschließenden Schutzkasten warf, an dessen Boden sich Luftlöcher befanden. Der im Schutzkasten angesammelte Wollstaub entzündete sich sofort und das Feuer wurde durch den vom Exhaustor hervorgerufenem starken Luftzug weitergetragen, zunächst auf die auf Trockennetzen ausgebreitete Wolle. Die Arbeiter mussten sich so schnell wie möglich in Sicherheit bringen. Große Mengen von Wollen, Baumwolle u. dergl. sind durch den Brand vernichtet worden, der auch daß ganze Trockengebäude ergriff, das völlig ausbrannte. Die Flammen schlugen oft bis fast zum angrenzenden Walde hinüber und nur der günstigen Windrichtung ist es zu danken, daß der Brand nicht auch die übrigen Baulichkeiten ergriff. Der Schaden, den die Firma Gebrüder Meißner erleidet, ist ein recht beträchtlicher, wenngleich er teilweise durch Versicherung gedeckt werden dürfte. Bereits vor zwei Jahren brannte das gleiche Gebäude fast völlig aus. Der junge Mann, der den Brand verursachte, ward in Haft genommen und zwecks Vernehmung dem Amtsgericht zugeführt. Von den auswärtigen Wehren gab die Feuerwehr Hermsdorf das erste Wasser.

18. Januar 1914
Mit dem Wegschaffen von Schnee aus den verkehrsreichsten Straßen ist unsere Stadtverwaltung schon seit reichlich einer Woche beschäftigt. Seit einer Reihe von Jahren war dies nicht in dem Maße der Fall, wie heuer. Es ist dies ein Zeichen von der Andauer und dem Umfang der Schneefälle, die in Verbindung mit der eingesetzten Kälte bewirkten, daß wir endlich einmal von einigen Schneewinterwochen. Außer von der gesundheitlichen Seite ist das besonders auch vom Standpunkt des Geschäftslebens aus zu begrüßen, das zwar nicht auf die Höhe gebracht werden kann, als wie dies um Weihnachten möglich war, immerhin aber eine wünschenswerte Ausrichtung erfuhr.

22. Januar 1913
! Feuer im Rathause ! Dieser Ruf erscholl gestern Dienstag abend in der 8. Stunde, nachdem zunächst einzelne Feuersignale in den Straßen ertönt waren. Glücklicherweise war die Sache an sich nicht schlimm, wiewohl einiger Schaden beim Aufsuchen des Brandherdes und beim Löschen entstanden ist. Kurz nach ½ 8 Uhr bemerkten im Meldeamtszimmer beschäftigte Beamte Brandgeruch und benachrichtigten sofort Herrn Bürgermeister Dr. Patz. Bei näherer Untersuchung bemerkte man in der Decke nahe der Esse einen weißen Fleck und hörte auch gleichzeitig ein Knistern im Fehlboden. Beim Durchstoßen dieses weißen Fleckes sah man weiter, daß die innere Decke zwischen dem Meldeamts- und dem Ratssitzungszimmer brannte, und zwar war der Deckel von den Flammen ergriffen, der den Luftschacht neben der Esse abschließt; auch das Ballenwerk war bereits in Brand geraten. Mit sofort angewandten Minimax- und Trockenlöschapparaten ging man dem Brandherd zuleibe und konnte das Feuer auch unterdrücken, ehe die alarmierte Wehr in Tätigkeit zu treten brachte. Man ist sich noch nicht klar über die Ursache des Brandes, der sich sicher von den schlimmsten Folgen begleitet gewesen sein würde, wenn er einige Stunden später ausgekommen und nicht von den Beamten beobachtet worden wäre. Infolge der Löscharbeiten ist die Dielung vollständig zerstört; der Luftschacht und die Ballendecke zum teil beschädigt worden; natürlich ist auch Schaden durch Wasser entstanden und die Wände haben durch Ruß usw. gelitten.

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Oktober 1915

22. Oktober 1915
Schwer verunglückt ist, anscheinende durch eigenes Verschulden, der in der Betriebsleitung der elektrischen Ueberlandbahn beschäftigte kaufmännische Lehrling Krämer. Beim Verschieben von Wagen auf dem hiesigen Güterbahnhof geriet er zwischen die Puffer zweier Straßenbahnwagen und erlitt dabei so schwere Verletzungen an der rechten Hand, daß er nach dem Kreiskrankenstift Zwickau gebracht werden mußte.

24. Oktober 1915
Herrn Max Reinhard, Leutnant d. R. im Reserve-Feld-Artillerie-Regiment Nr. 40, Sohn des Herrn Kommerzienrat Reinhard hier, ist das Ritterkreuz 2. Klasse mit Schwertern vom Albrechtsorden verliehen worden. Der Ausgezeichnete ist in hervorragender Weise bei den letzten schweren Kämpfen in der Champagne beteiligt gewesen. Für gleiches tapferes Verhalten ist der Pionier Herr Walter Hötzsch in der Minenwerfer-Kompagnie Nr. 224, Sohn des Herrn Baumeister Hötzsch hier, mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet worden.

26. Oktober 1915
Die Weberinnung konnte heute aus der Stiftung des verstorbenen Herrn Friedensrichter und ehemaligen Weberobermeisters Thiele an zehn bedürftige Meister der Neustadt je einen Betrag von 10 Mk. verteilen lassen. Weiter war es der Innung möglich, zehn weiteren Meistern der Alt- und Neustadt noch je einen ansehnlichen Betrag übergeben zu können, der von Herrn Privatmann Karl Scheer aus Anlaß seines kürzlich stattgefundenen 50jährigen Meisterjubiläums zur Verfügung gestellt worden war.

Von der Leitung der Neustädter Schule wird uns geschrieben: Mittwoch, den 27. Oktober, also morgen, werden Schulknaben an allen Wohnungen im Ortsteil Neustadt anklopfen und um gebrauchtes Schuhwerk aller Größen für Erwachsene, schulpflichtige und vorschulpflichtige Kinder, sowie Lederreste aller Art bitten. In vielen Familien wird Schuhwerk aufbewahrt, dem die Familienmitglieder entwachsen sind oder das abgenutzt ist. Wir ersuchen höflichst, die Schuhpaare zusammenzubinden. Die Schüler haben einen schriftlichen, von der Schule abgestempelten Ausweis. Es wird herzlich gebeten, der Sammlung zu einem reichen Erfolg zu verhelfen. In einer Schule eines Nachbarortes holten die Knaben 650 Paar reparaturfähige Schuhe ein.

27. Oktober 1915
Schweres Leid bringt der Krieg auch über die Familie Fritzsche auf der Chemnitzer Straße. Kurz nacheinander erlitten den Heldentod der Schwiegersohn der Frau verw. Fritzsche, der zuletzt in Oberlungwitz an der Nutzunger Straße wohnende Herr Richard Trinks, und ihr eigener Sohn, den Infanterist Herr Kurt Fritzsche. Besonders erschütternd wirkt der Fall um deswillen, als der Sohn, kurz nachdem er die Mutter den Tod seines Schwagers mitgeteilt, selbst das tödliche Blei erteilte. Das Vaterland erblühet groß aus seinen Heldensöhnen.

28. Oktober 1915
Am kommenden Freitag ist es dem auf der Gartenstraße wohnenden Webermeister Karl Aug. Ranft vergönnt, mit seiner Gattin, geb. Wagner, das goldene Ehejubiläum bei noch seltener körperlicher und geistiger Frische feiern zu können. Auch wir wünschen dem geachteten Jubelpaar, das von des Lebens Stürmen nicht verschont wurde und das drei Söhne im Felde stehen hat, noch einen langen sonnigen Lebensabend.

31. Oktober 1915
Vom Pfarramt St. Christophori wird uns mitgeteilt, daß Herrn Pfarrer Dybeck die Seelsorge allein zu versehen hat, von nächster Woche ab eine geistliche Hilfskraft zur Seite stehen wird. Herr Gerstmayer, gegenwärtig in Dresden, ein früherer bayrischer Geistlicher, der auch viele Jahre an einer Privat-Knabenschule wirkte, wird sich mit dem Herrn Pfarrer in die Seelsorge teilen. An unsere Kirchgemeinde ergeht die herzliche Bitte, diesem Herrn in jede Hinsicht Liebe und Vertrauen entgegenzubringen.

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September 1915

3. September 1915
Der heutige 2. September ist auch insofern ein Erinnerungstag für unsre Stadt, als heute vor 25 Jahren das Kaiser Wilhelm Denkmal eingeweiht ward. Es hatte anfangs seinen Platz auf dem Altmarkt, ward aber nach der Erbauung des Amtsgerichts an der König Albert- und Schillerstraße in die gegenüber befindlichen Anlagen versetzt.

4. September 1915
Da man jetzt die Wasserleitung nach dem Altstädter Friedhof gelegt hat, erhielt gleichzeitig das Gartengrundstück des evangelischen Arbeitervereins, das noch etwas höher als der Friedhof liegt, Anschluss an dieselbe. Es dürfte dies bis jetzt der höchstgelegene Abgabepunkt für unsere Wasserleitung sein.

10. September 1915
Allgemein wird es als außergewöhnlich störend empfunden, dass tagtäglich, fast von früh bis abends, ganze Scharen von Müßiggängern am Bahnhof aufliegen; abends sind es junge Burschen und Mädchen, nachmittags verheiratete Frauen. Zumal an Sonntagen ist die Menge derer, die den Vorplatz und den Zaun belagern, besonders groß, sodass sie ein Verkehrshindernis darstellen. Von amtlicher Stelle wird darauf hingewiesen, dass sich auf Grund der Bestimmungen der Verkehrsordnungen der sächsischen Staatseisenbahnen u. Ü. jeder strafbar macht, der auf diese Weise den Verkehr hindert. Die Bahnhofs- und Sicherheitspolizei ist angewiesen worden, mit schärferen Maßnahmen gegen alle vorzugehen, die, ohne dort etwas zu tun zu haben, sich in der Bahnhofshalle oder am Zugang zum Bahnhof in Massen aufhalten.

15. September 1915
Das Reichsamt des Innern hat für den 15. September eine Zählung der im Deutschen Reiche bei den Fabrikanten im Groß- und Kleinhandel vorhandenen Strümpfe und Handschuhe angeordnet. Die Fragebogen werden laut „Konfektionär“ in diesen Tagen durch die Ortsbehörden ausgegeben. Vorräte von Stoffhandschuhen und Strümpfen, die zusammen weniger als 50 Dutzend betragen, sind nicht anmeldepflichtig. Von den Ergebnis der Aufnahme ist der Umfang der Bewilligung von Ausfuhrerlaubnissen für diesen Artikel abhängig.

17. September 1915
Auf Grund der Verordnungen des Kgl. Ministerium des Innern vom 19. Januar 1911 und vom 15. Februar 1915 wurden in diesem Jahre von der Gewerbekammer Chemnitz Lehrbeihilfen von je 60 Mark 20 im 1. Lehrjahr stehenden Lehrlingen bewilligt, darunter einem Schmiede- und einem Tischlerlehrling in Hohenstein-Ernstthal.

23. September 1915
Der 41 Jahre alte Strumpfwirker Max D., welcher mit einer Sense auf der Schulter zum Grasmähen ging, glitt aus und kugelte sich das rechte Schultergelenk aus. Als ein Glück im Unglück ist es zu betrachten, dass er nicht in die Sense fiel.

24. September 1915
Es besteht vielfach die Ansicht, dass gefallende Soldaten mit allem, was sie bei sich tragen, der Erde übergeben werden. Das ist jedoch, nicht der Fall. Sämtliche Gegenstände, wie Uhr, Taschenmesser, Bücher, Geld, Briefe, Ringe usw. werden dem Toten abgenommen, genau verzeichnet, gesammelt und den Hinterbliebenen zugesandt. Für diese Arbeit besteht bei der General-Militärkasse in Berlin, Königgrätzerstraße 12, eine besonders eingerichtete Nachlassstelle, wohin also etwaige Anfragen über den Nachlass gefallener, ebenso auch in Lazaretten gestorbener Angehöriger gesichtet werden können.

26. September 1915
Der Stadtrat hat sich veranlasst gesehen, eine Polizeistunde für Schulkinder und Jugendliche derart einzuführen, das Schulpflichtige spätestens abends 8 Uhr und Jugendliche unter 17 Jahren spätestens abends 10 Uhr die Straßen, Anlagen und Plätze zu verlassen haben, sofern sie sich nicht in Begleitung Erwachsener befinden. Eltern, Dienstherrschaften und Lehrherren seien besonders auf diese Bestimmung hingewiesen.

28. September 1915
Die hiesige Webschule war am 25. September der Einladung des Herrn Prof. Gräbner gefolgt und besichtigte im Verein mit Lehrern und Schülern der Webschulen anderer Städte zunächst die Sächsische Webstuhlfabrik in Chemnitz, dann die städtische Vorbildersammlung und die höhere Webschule wie die höhere Wirkschule. Überall fanden die Besucher liebenswürdige Führer und Erklärer.

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August 1915

3. August 1915
Zwei Flieger im Zeitraum von einer halben Stunde zu sehen zu bekommen, gehört bei uns wohl zu den Seltenheiten. Ein Doppeldecker zog gestern vormittag bald nach 9 Uhr seine ruhige, sichere Bahn von Ost nach West und war, da er nicht sehr hoch flog, sehr gut zu beobachten; sein Flug ging etwa im Zuge der Dresdner Straße. Etwa eine halbe Stunde später war abermals ein Flieger zu sehen, der über de, westlichen Stadtteil dahinzog, und in der Richtung Nordwest flog.

4. August 1915
Anläßlich der neulichen Vollendung eines 25jährigen Zeitraumes seit der Begründung des Bethlehemstiftes im Hüttengrunde fand sich am Sonntag daselbst Herr Bürgermeister Dr. Patz ein, um eine von der Stadtgemeinde gestiftete Glückwunschadresse und Anerkennungsurkunde zu überbringen. Die Ehrenurkunde bei folgendem Wortlaut: „Dem Bethlehemstift des Niedererzgebirges hier werden anläßlich der Vollendung eines 25jährigen Zeitraumes seines Bestehens die herzlichsten Glückwünsche dargebracht. Tausende von Kindern fanden bei ihm Hilfe, und weiterhin drang der Ruf des Hüttengrundes als einer Stätte des reichsten Segens für Leib und Seele der daselbst Verpflegten. In dankbarer Anerkennung des gemeinnützigen Wirkens des Stiftes wird diese Ehrenurkunde ausgestellt. Hohenstein-Ernstthal, am 24. Juli 1915. Der Stadtrat. Die Stadtverordneten.“ Die unter Glas und Rahmen gebrachte Ehrenurkunde wurde durch Herrn Bürgermeister Dr. Patz dem Vorsteher des Bethlehemstiftes, Herrn Kirchenrat Siebenhaar aus Leipzig, unter entsprechenden mündlichen Glückwünschen überreicht.

5. August 1915
Wie wir seinerzeit mitteilten, hatten die städtischen Kollegien der Militärbehörde ein Gesuch um Befreiung des Herrn Bürgermeisters Dr. Patz vom Heeresdienst unterbreitet. Wie in der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten mitgeteilt ward, hat dieses Gesuch Erfolg gehabt und der Herr Bürgermeister widmet sich bereits seit einiger Zeit wieder den städtischen Verwaltungsgeschäften. Im Anschluß an die allerorts geförderten Bestrebungen der Fürsorge für Kriegsbeschäftigte sollen auch hierorts Unterrichtslehrgänge für solche an der Web- und Wirkschule eingerichtet werden. Hierzu gab die Stadtverordneten-Versammlung ihre Zustimmung. Sie sprach sich ferner für die Schaffung einer Wasserleitung nach dem Altstädter Friedhofe aus, bewilligte die Kosten für die Beseitigung der Unwetterschäden in Höhe von 3020 Mk. und für den Neubau eines Schulabortes (Altstadt), der 5500 Mk. erfordert. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde mit Dank Kenntnis genommen von der Stiftung eines Kapitals von 10000 Mk. durch Herrn Fabrikbesitzer Ernst Meisch, der damit eine Freistelle im Bürgerheim König Albert-Stift für einen seiner Arbeiter und Angestellten errichtet. In geheimer Sitzung wurde sodann Beschluß gefaßt über die Errichtung einer örtlichen Kriegerstiftung und über einen städtischen Beitrag zur Stiftung „Heimatdank“.

7. August 1915
Eine Flaschenpost aus dem Rhein erreichte uns heute; Söhne unserer Stadt haben sie auf ihrer Fahrt ins Feindesland, und zwar bei Mainz, am 12. Juli dem Wasser anvertraut. Unterzeichnet ist die Feldpostkarte, die anscheinend nähere Bekanntschaft mit den Fluten gemacht hat, von Bruno Jahn, Max Oesterreich und Ernst Huth aus Hohenstein-Ernstthal, Max Böttcher aus Limbach, Joh. Schönig aus Lichtenstein. Einer der Namen ist unleserlich (Paul?). Der Bitte der Absender an den Finder, die Karte zu befördern, ist in dankenswerter Weise nachgekommen worden, wie folgender Vermerk zeigt: „Aufgefunden am 5. August am Ufer der Rostbergsau gegenüber von Mainz-Mombach. Hans Schrader, Wiesbaden, Stiftstraße 4, 1. Etg.“ Wir danken den Absendern für ihre freundlichen Grüße und wünschen ihnen gesunde und siegreiche Heimkehr.

8. August 1915
Ein herrenloses Grundstück wird soeben zur Versteigerung ausgeschrieben. Es handelt sich, wie aus der heutigen Bekanntmachung des Kgl. Amtsgerichts ersichtlich, um das zum Bäckereibetrieb eingerichtete Hausgrundstück Lichtensteiner Straße 12. Es ist einschl. der Innen-Einrichtung auf 18000 Mk. geschätzt und mit 10140 Mk. zur Landesbrandversicherung versichert und soll am 1. Oktober vormittags 10 Uhr im Wege der Zwangsvollstreckung „an den Mann gebracht“ werden.

13. August 1915
Gelegenheit macht Diebe – das ist ein Wort, das seine Geltung immer behalten wird. Umso leichter wird den Dieben die Ausübung ihres Handwerkes gemacht, wenn – wie dies auf Bleichplätzen geschieht – Sachen unbeaufsichtigt auch nachtsüber im freien liegen bleiben. So wurden in letzter Nacht von einem Bleichplatz am Schlackenweg mehrere Wäschestücke gestohlen, die einen Gesamtwert von gegen 30 Mk. besitzen. Es handelt sich um Frauenhemde, weiße Unterröcke und rotgestreifte Handtücher. Wahrnehmungen, die zur Ermittlung des Diebes führen könnten, bittet man der Polizei mitzuteilen.

20. August 1915
Einer kleinen Garnison glich gestern nachmittag unsere Neustadt, allwo auf dem Marktplatze um die Kirche herum eine Abteilung Chemnitzer Militär ihr „Lager“ aufgeschlagen hatte. Gegen 12 Uhr mittags war die 1, Kompagnie des 1, Ersatz-Bataillons des Infanterie-Regiments Nr. 181 aus der Garnison abmarschiert zu einer Feldübung auf dem Pfaffenberge. Vorher machte, nachdem die eine Hälfte der Kompagnie nach Meinsdorf abgebogen war, die andere Hälfte, die unter Führung des Herrn Leutnant Ende von hier in unsere Stadt eingezogen war, an dem Neumarkte Rast, wo die gleichfalls eingetroffene Regimentskapelle zur großen Freude der Anwohner ihre schönen Weisen ertönen ließ. Der militärische Besuch hatte eine große Zahl von Einwohner nach dem Neumarkt auf die Beine gebracht, und daß dabei auch für unsre lieben Landser, von denen fast alle schon am Feldzug beteiligt waren und verwundet heimgekehrt sind, etwas Leib- und Magenstärkendes abfiel, versteht sich am Rande. Unter den Klängen der zurückbleibenden Kapelle die später in Bürgerquartierte ging, zog die Abteilung gegen 1/28 Uhr aus nach dem Pfaffenberge, wo ein Nachtgefecht mit der aus Meinsdorf anrückenden zweiten Abteilung, der roten, stattfand. Auch dieses kriegerische Schauspiel hatte eine große Zahl „Schlachtenbummler“ nach dem Berge gelockt. Nach heftigem Feuergefecht blieb die rote Partei Sieger. Freund und Feind bezog sodann in den Bergfestbauten Nachtlager, und heute in aller Frühe gings wieder heimwärts, nach der Garnison Chemnitz.

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Juli 1915

1. Juli 1915
Wie uns mitgeteilt wird, steht das städtische Mineralbad bis Ende September für Kurgäste und Sommerfrischler zur Verfügung. Es ist zu wünschen, daß hiervon ausgiebig Gebrauch gemacht und unser herrlich gelegenes Mineralbad allseitig als Sommerfrische empfohlen wird.

7. Juli 1915
Ein Unfall, der leicht sehr schlimme Folgen hätte haben können, trug sich gestern nachmittag gegen ½ 6 Uhr vor dem hiesigen Bahnhof zu. Dort war der Monteur St. Von der Ueberlandbahn an der elektrischen Leitung beschäftigt, wozu er das hohe Fahrgestell benutzte. Bei seiner Arbeit kam er jedenfalls der Leitung zunahe, erhielt einen kräftigen elektrischen Schlag und stürzte kopfüber vom Gestell. Herr St. Scheint aber außer einer größeren Wunde am Kopf keinen weiteren Schaden davongetragen zu haben.

In der Dampfbleicherei Hüttengrund trug sich gestern gegen Mittag ein bedauerlicher Unglücksfall zu. Der dort beschäftigte 30 Jahre alte Arbeiter Kaulfuß aus Hüttengrund, dem erst vor kurzem die Ehefrau starb, geriet in die Transmission und wurde herum geschleudert, sodaß er besinnungslos liegen blieb. Er hat anscheinend sehr schwere Verletzungen erlitten.

13. Juli 1915
Wieder ist ein Hohenstein-Ernstthaler auf dem Felde der Ehre gefallen. Die auf der Feldstraße wohnende Familie des Maurers Herrn Feldmann erhielt am Sonnabend die traurige Nachricht, daß ihr verheirateter Sohn Richard bei den Kämpfen an der Lorettohöhe gefallen ist. Ehre seinen Andenken.

17. Juli 1915
Seine goldene Hochzeit feierte in aller Stille im Kreise von Kindern und Enkeln Herr Webermeister Julius Schaller mit seiner Ehefrau geb. Bläser, König-Albert-Straße 31 wohnhaft. Herr Pfarrer Albrecht segnete das Goldbrautpaar ein und überreichte ihm unter herzlichsten Glückwünschen eine Ehrenbibel.

Die allbekannte, namentlich von Leipzig und Dresden stark besuchte Sommerfrische des Herrn Oehmischen im Hüttengrunde ist dieses Jahr für Erwachsene nicht geöffnet, da von Dresden sogenannte Kriegsferienkinder dort untergebracht sind. So hat der große Krieg auf diesem Gebiet eine Aenderung hervorgebracht, die den Beteiligten von rechtem Segen sein möge.

20. Juli 1915
Treue Mitarbeit im Kirchenvorstand St. Christophorus fand gestern wohl verdiente Ehrung. Nach dem gestrigen Vormittagsgottesdienst fand sich der Kirchenvorstand zusammen und Herr Pfarrer Albrecht verabschiedete zunächst mit herzlichen Herrn Pastor Dybeck. Hierauf schloß sich eine Ehrung des Herrn Stadtrat Oskar Beck, der am gestrigen Sonntag genau 25 Jahre lang dem Kirchenvorstand angehört. Das Konsistorium ließ ihm eine Anerkennungsurkunde überreichen, wobei der Herr Pfarrer in warmen Worten die Wertschätzung hervorhob, deren sich der Jubilar allenthalben erfreut. Die Ehrung war eine wohlgelungene Überraschung für Herrn Stadtrat Beck, der seinerseits für diese Aufmerksamkeit herzlichen Dank sagte.

21. Juli 1915
Der hiesige Erzgebirgsverein schreibt die Verpachtung des Berggasthauses „Zur Bismarckhöhe“ auf dem Pfaffenberge aus. Als Tag der Uebernahme ist der 1. Oktober d. J. angegeben. Zur Uebernahme sind 4 – 5000 Mk. erforderlich. Militärfreie Bewerber, die möglichst ähnlichen Unternehmen bereits längere Zeit erfolgreich vorgestanden haben, wollen sich mit Herrn H. H. Ebersbach in Verbindung setzen.

27. Juli 1915
Der Pionier Herr Arthur Bohne aus dem Hüttengrund, Sohn des Gasanstaltsfeuermanns Herrn Robert Bohne, der den Feldzug bei der Südarmee in Galizien mitmacht, erhielt für hervorragende Leistungen das Eiserne Kreuz 2. Klasse. Vor kurzem wurde Herr Bohne bereits die bronzene Friedrich-August-Medaille verliehen.

29. Juli 1915
Die Stadtverwaltung ließ am Sarge der Frau Auguste Reinhard einen Kranz mit Schleife in den Stadtfarben niederlegen. Die Schleifeninschrift „Die dankbare Stadt Hohenstein-Ernstthal“ will besagen, welcher Dankesschuld unser Gemeindewesen einer großen Wohltäte in gegenüber sich bewußt ist. Die Verblichene hat in Gemeinschaft mit ihrem Gatten, Herrn Kommerzienrat Edmund Reinhard, anlässlich dessen 25jähriger Zugehörigkeit zur Firma G. F. Beck im Jahre 1890 mit 24000 Mk. eine Edmund und Auguste Reinhard-Stiftung* für Gemeindediakonie in Hohenstein (jetzt Altstadt von Hohenstein-Ernstthal) begründet. Diese menschenfreundliche Tat hat unendlich viel Segen auf unsere Einwohnerschaft ausgehen lassen und wird das Andenken der Verewigten und ihres Gatten allzeit in dankbaren Herzen wach halten. Daneben ist die Stifterin eine unermüdliche Wohltäterin in der Stille im reichsten Maße gewesen, der manches bedrückte und von ihr aufgerichtete Menschenherz nachtrauern wird.

*Die Edmund und Auguste Reinhard –Stiftung wurde am 3. Dezember 1890 durch Edmund Reinhard als „Stiftung für Gemeindediakonie“ gegründet. Die Stiftung bezweckte Einwohner der vormaligen Stadt Hohenstein, Krankenpflege zu gewähren. Mit dem gespendeten Geld wurde die „Altstädter Gemeindediakonie“ gegründet.

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Juni 1915

3. Juni 1915
Die Frage der Erweiterung und des Ausbaues unserer städtischen Gastanstalt stand in der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten abermals zur Beratung. Den Anlaß hierzu gab eine Anfrage des Stadtrates, ob das Kollegium, das sich mit seinem letzten zustimmenden Beschluß im Gegensatz zu dem ablehnenden des Rats befand, auch jetzt noch diesen Beschluß aufrecht erhalte. Wie zu erwarten war, änderte das Kollegium auch gestern seine Ansicht nicht, denn es wurden ja bereits verschiedene Maßnahmen getroffen, die ein Zurück schlechterdings fast ausschließen. Gestern allerdings wurden lediglich politische Beweggründe bei dem Für und Wider erörtert, weniger Gemüht legte man auf die technische Notwendigkeit des Baues, die lediglich in Herrn Gasinspektor Martini einen Verfechter fand. Den ausführlichen Bericht über diese Sitzung finden unsere Leser im Zweiten Blatt.

5. Juni 1915
Herr Lehrer Arnold feierte heute, den 4. Juni, sein 25jähriges Amtsjubiläum. Die Lehrerschaft der 2. Bezirksschule versammelte sich aus Anlaß dieses Jubiläums mittags nach Schulschluß zu einer schlichten Feier. Herr Direktor Patzig brachte dem Jubilar die besten Glückwünsche des Kollegiums dar. Als sichtbares Zeichen der Wertschätzung und zur dauernden Erinnerung an den Ehrentag widmeten ihm seine Amtsgenossen ein sinniges Geschenk. Möge Herr Arnhold noch viele Jahre in gleicher Rüstigkeit wie bisher seinem Amte vorstehen zum Segen der Schule wie der ganzen Gemeinde.

9. Juni 1915
Die chemische Dampfbleicherei Hüttengrund (Inh. Gebrüder Meißner) führte am Sonnabend für ihre Arbeiterinnen und Arbeiter eine nachahmenswerte Einrichtung ein, indem sie ohne vorherige Bekanntgabe allen bei ihr Beschäftigten von diesem Tage an eine ansehnliche Teuerungszulage zahlte.

13. Juni 1915
Die Gruberhöhe, die erste Anpflanzung auf unserem Berge, von deren Schenkung an den Erzgebirgsverein wir seinerzeit berichtete, ist nunmehr durch diesen Verein in Gemeinschaft mit der Stadtgemeinde zu einem Erinnerungsplatze für den ersten und langjährigen Vorsitzenden des Erzgebirgsvereins und Förderer der Verschönerung und Erschließung unserer Heimat ausgestaltet worden. Der inmitten des Rundteiles stehende Eichbaum ist von seinen Nachbarn befreit und zum Gedenkbaum gemacht worden. Um ihn her sind Latschenkiefern gepflanzt, die sich durch Blöcke von heimischem Gestein, Kuhschnappler Serpentin, winden. Das Ganze macht durch Vermeidung alles Unkräftigen einen der markigen Persönlichkeit des genannten Naturfreundes entsprechenden Eindruck. In dem größten Serpentinitsteinblock ist eine Tafel eingelassen, die die Inschrift trägt:

Zur Erinnerung an Carl Gruber,
Ritter pp.
Ehrenbürger der Stadt,
Ehrenmitglied des Erzgebirgsvereins.

Die Jahreszahl 1913 bedeutet auf das Jahr des Heimganges. Oestlich und westlich vom Rundteil ist je eine Bank aufgestellt worden, die in dankenswerter Weise von privater Seite gestiftet wurden. Einige angepflanzte Bäume auf den vorgelagerten Rasenflächen leiten den Blick vom Hauptwege über nach der schönen Erinnerungsstätte, die einen neuen und wirkungsvollen Schmuck des heimatlichen Berges bilden.

22. Juni 1915
Wieder hat der Krieg mehrere Opfer aus unserer Stadt gefordert. Herr Zahnarzt Lindemann, Oberleutnant und Kompagnieführer in einem Landwehr-Infanterie-Regiment, hat auf den Schlachtfeldern von Galizien in den letzten Tagen der vorigen Woche den Heldentod gefunden. Herr Lindemann war bereits in den Gefechten um Rethel zu Anfang des Feldzuges durch ein Schrapnellgeschoß verwundet worden, war dann nach seiner Heilung bei dem Ersatzbataillon seines Regimentes in Breslau tätig und erst vor wenigen Tagen wieder an die Front gekommen, wo ihn in den schweren Kämpfen um Grodek ein feindliches Geschöß tödlich traf. Um ihn trauern seine Gattin und zwei im zartesten Alter stehende Kinder. Herr Lindemann, der aus Schleswig-Holstein stammte und seit etwa 10 Jahren hier als Zahnarzt tätig war, hatte sich einen großen Freundeskreis und eine zahlreiche Kundschaft zu erwerben verstanden, die sein frühes Hinscheiden lebhaft beklagen. – Ferner fand am 15. Juni der Soldat Ernst Paul Arnold vom Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 106 durch einen Granatsplitter im Schützengraben den Tod. Der für sein Vaterland Gefallene war der Sohn des auf der Herrmannstraße wohnhaften Fabrikwebers Herrn Arnold und war erst vor wenigen Wochen nach seiner Rekrutenausbildung in Feindesland gekommen. Weiter fiel vor dem Feinde der Jäger Heino Pilz, der Schwiegersohn des auf dem Pfarrhain wohnenden Materialwarenhändlers Herrn Herrmann Uhlig. Der junge Krieger hatte einen Bauchschuss erhalten, dem er im Lazarett erlag. – Schließlich ist noch der Kanonier Hermann Singer im Feld-Artillerie-Regiments Nr. 116, der Sohn des Herrn Fleischermeister Franz Singer auf der Bismarckstraße, vor dem Feinde gefallen. Den jungen Kriegern, die mit ihrem Blute die Liebe zum Vaterlande besiegelten, wird das Gedenken der Mitwelt bleiben.

Gestern morgen gegen ½ 7 Uhr überflog ein militärischer Doppeldecker neuesten Systems unsere Gegend südlich der Stadt, der sich schon von weitem durch das Geräusch seines Propellers ankündigte. Das mächtige Flugzeug nahm den Weg nach Zwickau zu, erlitt aber, noch ehe es aus unserem Gesichtskreis verschwand, einen Motorschaden, der den Flieger zwang, in der Nähe von St. Egidien auf einem Haferfelde des Gutsbesitzers Weber im Gleitflug niederzugehen. Da sich bei näherer Untersuchung herausstellte, daß zwei Zylinder des Motors den Dienst versagten, so wurde das Flugzeug, das bei dem Niedergehen keinerlei Beschädigungen erlitten hatte, abmontiert und gegen Abend von Soldaten der Glauchauer Garnison, schleunigst herbeigerufen worden waren, nach dem Bahnhofe von St. Egidien befördert. Während der Rumpf durch eigene Motorkraft auf der Straße weitergebracht werden konnte, mußten die großen Tragflächen von den hilfsbereiten Kräften nach St. Egidien getragen werden. Das Fahrzeug das von Großenhain kam und mit dem Führer und einem Leutnant besetzt war, wollte auf seiner Erkundungsrundfahrt über Zwickau nach Leipzig, um von dort nach dem Flugplatz bei Großenhain zurückzukehren. Das Flugzeug wurde nach seiner Landung aus dem Haferfelde nach einem abgeernteten Kleefelde geschleppt und dort bis zum Eintreffen des Militärs von der St. Egidiener Feuerwehr und Gendarmerie bewacht. Die Kunde von dem Unfall des Doppeldeckers hatte sich schnell herumgesprochen, so dass die Unfallstelle tagsüber von zahlreichen Besuchern umlagert war.

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Mai 1915

4. Mai 1915
In einem am Zillplatz gelegenen Hause entstand am Sonnabend abend aus Unvorsichtigkeit ein Stubenbrand. Zum Glück wurde man auf die Gefahr rechtzeitig aufmerksam und löschte das Feuer, ehe es größeren Schaden anrichtete.

Zu einer Einbrecherjagd kam es gestern am späten Nachmittag in der Weinkellerstraße bez. In den Gärten zwischen Weinkeller- und Schulstraße, und zwar waren die Einbrecher einige Schulknaben im Alter von etwa 12 Jahren. Zunächst hatten die Jungen sich bemüht, Gelegenheit zum Stehlen zu finden, merkten aber, sie dort nichts ausrichten konnten. Sie fanden aber gar bald heraus, daß in dem Hause schräg über, in der Schulzeschen Eisenhandlung, die Luft ziemlich rein war. Zwei Jungen machten sich daran, Eingang durch ein Fenster ins Kontor zu erhalten, von wo aus sie sich in den Laden begaben und dort allerlei, wonach ihnen der Sinn stand – Messer, Dolche, Taschenlampen usw. – und auch einiges Wechselgeld zu sich zu stecken. Auf der Straße war man bald auf das verbrecherische Treiben aufmerksam geworden und stellte im Hause Posten aus, die des Herauskommens der Jungen harrten. Bald hatte sich eine fast unübersehbare Menschenmenge angesammelt. Die Jungen sahen sich, als sie ihre Beute in Sicherheit bringen wollten, überrascht und entdeckt und flüchteten kurzerhand durch die Gärten, wurden aber bald dingfest gemacht.

6. Mai 1915
Auf der Karlstraße trug sich dieser Tage ein bedauerlicher Unfall zu. Einem dort durchfahrenden Chemnitzer Radler lief ein 7Jahre alter Knabe ins Rad. Während letzterer gut davon kam, stürzte der Radler ab und fiel mit dem Kopfe an die dort stehende Steinmauer, wodurch er schwere Verletzungen erlitt. In einer nahen Wohnung wurde dem Bedauernswerten die erste Hilfe zuteil.

12. Mai 1915
Die Freiw. Feuerwehr 2. Komp. hielt in einfach schlichter Weise im Vereinslokal „Stadthaus“ ihr 59. Stiftungsfest ab, zu dem sich die Mitglieder nebst Ehrenmitgliedern zahlreich eingefunden hatten. Der ernsten Zeit entsprechend wurde der Abend durch Musik- und Gesangsvorträge, sowie Ansprachen ausgefüllt. Auch gedachte man der im Felde stehenden und bereits gefallenen Kameraden. Die Reihen der Mitglieder haben sich sehr gelichtet, sind doch zur Fahne ziemlich die Hälfte der Weber einberufen worden. Dem geselligen Beisammensein ging eine größere Uebung am Wohnhaus des Herrn Tischlermeister Bonitz an der Chemnitzer Straße voraus.

18. Mai 1915
So ganz nach dem Wunsche aller Besucher, die in großer Zahl erschienen, verlief gestern und heute der Jahrmarkt in der Altstadt. Der Wettergott zeigte zumal gestern ein recht freundliches Gesicht und lockte auf diese Weise eine sehr beträchtliche Zahl Gäste aus unseren Nachbarorten nach der Stadt, die die Budenstadt belebten. Die Einkäufe erstreckten sich meist auf hauswirtschaftliche Gegenstände, daneben sprang aber auch mancher Nickel an den Spiel- und Eßwarenbuden. Der erzielte Umsatz dürfte im allgemeinen ein befriedigender sein, da eine ziemliche Kauflust herrschte.

Ihr 175jähriges Bestehen kann im laufenden Jahre die hiesige privilegierte Schützenkompagnie Neustadt feiern. Mit Rücksicht auf die ernste Zeit wurde vorläufig wegen der Abhaltung einer Feierlichkeit noch kein Beschluß gefasst.

An der Ecke Schubert- und Weinkellerstraße spielte sich am Sonnabend nachmittag eine hässliche Straßenszene ab. Zwei 12 Jahre alte Schulknaben waren in Tätlichkeiten geraten und bearbeiteten sich dermaßen, daß schließlich ein Erwachsener die Beiden auseinander bringen musste. Einer der Knaben erhielt mit einem harten Gegenstand solche Schläge über den Kopf und ins Auge, daß er sofort in ärztliche Behandlung gegeben werden mußte. Sein Zustand ist bedenklich.

21. Mai 1915
Wie sehr die Errichtung des Berggasthauses zur Hebung des Fremdenverkehrs in unserer Stadt und ihrer herrlichen Umgebung beiträgt, zeigten die letzten Tage so recht. Seit der schönen Witterung sind fast täglich auswärtige Besucher auf unserem Berge anzutreffen. Aber auch Vereine nahmen bereits das Berggasthaus und damit die Stadt zum Ausflugsziel. Am vorigen Sonntag war der Turnverein von Bräunsdorf mit Damenabteilung auf unserer frischgrünen Höhe und heute sind eine große Anzahl Gymnasiasten von Schneeberg zum Mittagsmahl im Berggasthause versammelt. Unter Führung von Herren des Vereins werden sie dann die angrenzenden Höhen und Täler, die im Schmucke des Maien prangen, durchwandern. Mag auch fernerhin unsere schöne Höhe mit ihrer traulichen Einkehrstätte geeignet sein, unserer Stadt recht viele liebe Gäste zuzuführen.

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April 1915

7. April 1915
Der allbekannte Lohnkellner Herr Karl Keller war am 1. Feiertag fünfundzwanzig Jahre als Aushilfskellner auf dem hiesigen Bahnhofe tätig. Aus diesem Anlasse ließ ihm der Verband der sächsischen Bahnhofswirt durch den Bahnhofswirt Herrn Kühn eine Ehrenurkunde überreichen, an die sich eine schlichte Feier schloß. Der Ausgezeichnete nahm die ihn sichtlich überraschende Ehrung mit herzlichen Dank entgegen.

15. April 1915
Von der Neustädter Schule wird uns geschrieben: Heute waren es 25 Jahre daß Herr Walter Kläß als Lehrer an der Neustädter Schule tätig ist. Sofort nach beendeter Studienzeit am Seminar zu Waldenburg fand Herr Kläß hier zunächst als Hiöfslherer Anstellung, und wurde ihm später das Amt eines ständigen Lehrers übertragen. In dieser langen Zeit hat Herr Kläß sein Amt jederzeit mit Treue und anerkennungswerten Erfolgen verwaltet. Durch seine Liebe zu den ihm anvertauten Kindern hat sich Herr Kläß die allgemeine Achtung und Wertschätzung erworben. Dem Jubilar wurde heute in dankbarer Anerkennung der geleisteten Dienste und der bewiesenen Treue vom Herrn Stadtrat Anger als Vertreter des beurlaubten Herrn Bürgermeisters in Gegenwart des Herrn Schuldirektors Patzig und des gesamten Lehrerkollegiums Glückwünsche unter Ueberreichung einer Ehrenurkunde dargebracht. Darauf gedachte Herr Schuldirektor Patzig der treuen und peinlichen Pflichterfüllung des Jubilars, der frohen und schweren Tage aus seinem Leben, des freundlichen Umganges mit seinen Schülern und Mitarbeitern. Er wünschte ihm Kraft und Gesundheit, daß er noch lange seines Amtes walten könne zum Wohle der Schule, seiner werten Angehörigen und zu seinem eigenen Wohle. Vor allem möge ihm die Begeisterung für sein Amt ein steter Jungbrunnen bleiben. Als Zeichen der Liebe und Verehrung überwies er ihm im Namen des Kollegiums ein Geschenk. Der Jubilar dankte allen für die freundliche und herzlichen Wünsche und stiftete zum gedenken an seinen Ehrentag eine Geldsumme für arme Kinder. Dafür sprach ihm Herr Dir. Patzig den innigen Dank aus.

18. April 1915
Ein Alter von 200 Jahren weist eine große Buche auf, die mitsamt ihren etwas jüngeren Schwestern den Schmuck des Badwaldes bildete, der jetzt dem Holzfäller zum Opfer gefallen ist. Wohl muß man zugeben, daß der Wald ein Wirtschaftsobjekt ist, daß Soll und Haben sich also mindestens die Wage halten müssen, doch sind bei seiner Pflege auch noch andere Gesichtspunkte maßgebend gewesen, die neuerdings in den Worten „Heimatschutz“, „Naturschutz“, „Naturdenkmäler“ ihren Ausdruck finden. Wie schön wäre es gewesen, wenn die Waldwirtschaftspolitik die Möglichkeit offen gelassen hätte, Zeugen der Vergangenheit, Beweise umwandelbarer Naturkraft, Ziele für schönheitssuchende Naturfreunde zu erhalten und so einer weiteren Verarmung unserer Landschaft vorzubeugen.

21. April 1915
Wie bereits im Inseratenteil unseres „Tageblattes“ zu ersehen war, wurde am Sonnabend nachmittag das Passage-Kaufhaus dem Verkehr übergeben. Bereits mittags 2 Uhr strömte eine Menge Frauen mit ihren Kindern dem Geschäfte zu, denn wie wir hörten, wurden nachmittags eine große Anzahl Kinder, deren Väter im Felde stehen, von der Firma auf eigene Kosten neu bekleidet. Man beobachtete die Kinder, wie glückstrahlend sie das Kaufhaus verließen. Der Inhaber des neuen Unternehmens schuf damit ein hoch anzuerkennendes gutes Werk, welches sicher gutes Werk, welches sicher gute Früchte tragen wird. Unser Stadtrat hat auf Ersuchen der Firma die bedürftigen Familien vorgeschlagen. Gegen Abend waren trotz des schlechten Wetters die Straßen in der Nähe und der Teichplatz von einer großen Menschenmenge besucht, alle wollten die Eröffnung des neuen Kaufhauses sehen. – Das Geschäftshaus macht schon von außen einen wirklich großstädtischen Eindruck, dann aber auch ist die Inneneinrichtung sowie die Dekoration wirklich pompös. Die Firma, welcher es sich zum Grundsatz gemacht hat, nur beste Waren zum Verkauf zu bringen, wird auch in unserer Stadt unterstützt durch die dichtbevölkerte Umgebung, großen Absatz finden und trotz der gegenwärtig nicht so guten Lage unserer Industrie auf ihre Kosten kommen. Das wünschen wir von Herzen.

27. April 1915
Ein bedauerlicher Unglücksfall trug sich heute mittag an der Aue zu. In der Nähe der Scheibnerschen Färberei fiel das 4 Jahre alte Enkelkind des dort wohnenden Hausbesitzers Wilhelm Reuthner in einem zur Färberei gehörigen Bassin und ertrank darin. Hinzugeholte Feuerwehrleute brachten den leblosen Körper aus dem Wasser. Als die Mutter des Kindes das Unglück erfuhr, wurde sie ohnmächtig. Das Unglück ist umso tragischer, da der ater des ertrunkenen Mädchens seit Beginn des Krieges im Felde steht.

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März 1915

2. März 1915
In heimischer Erde zur letzten Ruhe gebettet wurde gestern nachmittag Herr Fleischermeister Bruno Ebersbach, der fern der Heimat in einem schlesischen Lazarett starb. Im besten Mannesalter raffte ihn, der mit des Vaterlands Verteidigung berufen war, eine Krankheit plötzlich und unerwartet dahin. Gestern nun wurde seine Leiche der heimischen Erde übergeben. Die Fleischer-Innung, der Königl. Sächs. Militärverein „Deutscher Kriegerverein“, zahlreiche zur Genesung hier aufhältliche Krieger und der „Turnerbund“ gaben ihm neben den Angehörigen wie einer großen Reihe von Freunden und Bekannten das letzte Geleit. Am Grabe sprach Herr Pastor Dybeck ehrende und tröstende Worte, die Gewehrabteilung des Kriegervereins feuerte die Ehrensalve übers Grab.

6. März 1915
Herrn Schmied Paul Wolf hier, der in der Landgraffstraße wohnt und den Feldzug auf dem westlichen Kriegsschauplatze als Unteroffizier bei der Maschinengewehrabteilung des 244. Regiments mitmacht, ist für besondere Tapferkeit während der Kämpfe um Zypern, wobei er schwer verwundet wurde, das Eiserne Kreuz 2. Klasse verliehen worden.

10. März 1915
Gestern abend konnte das Kirchenchor und die Liedertafel eine dreifache Jubilarfeier abhalten. Die Jubilare waren die Herren Emil Goldschmidt, Gustav Gläßer mit 50jähriger Mitgliedschaft der Liedertafel und Emil Stöß mit 25jähriger Mitgliedschaft. Der Erstgenannte war 30 Jahre Kassierer des Vereins, der andere 30 Jahre Archivar des Vereins. Nach dem Gesang einer Motette hielt Herr Kantor Merker eine herzliche Ansprache an die Jubilare, worauf Herr Vorsteher Adolf Winter denselben Urkunden überreichte, worin die beiden Erstgenannten zu Ehrenmitgliedern ernannt wurden. Herr Stöß bekam einen wertvollen Spazierstock. Herr Emil Lohse überreichte im Namen des Kirchenvorstandes unter anerkennenden Worten den Herren Goldschmidt und Gläßer ein schönes Diplom. Auch die Damen des Vereins hatten sichs nicht nehmen lassen, die beiden erstgenannten Herren zu beschenken.

17. März 1915
Durch den fortsetzenden Regen der letzen Tage ist der Hüttengrundbach stark angeschwollen, sodaß er an verschiedenen Stellen austrat und die Wiese überschwemmte. Dieser Umstand konnte nun am Sonntag gegen abend dort leicht ein Menschenleben fordern, indem ein im Bethlehemstift untergebrachter verwundeter Krieger, der sich auf dem Heimweg befand an der Talstraße infolge eines Krampfanfalles in den Bach stürzte. Zum Glück hatte ein Kamerad den Vorgang bemerkt. Er eilte schnell hinzu und brachte den fast Leblosen, mit Hilfe von gerufenen Personen, wieder in Sicherheit.

18. März 1915
Eine kurze, aber eindrucksvolle Feier fand gestern abend in der städtischen Webschule statt: vollendeten sich doch am 25. März fünfundzwanzig Jahre, daß der Weblehrer Herr Walther im Hause C. F. Jäckel an der Schule tätig ist. Im Beisein der übrigen praktischen Lehrer sowie der Lehrer der Gewerbeschule, der Herren Direktor Jähnig und Hauck, überreichte Herr Stadtrat Müller im Namen des Rates und des Ausschusses der Schulen zum Jubilar die städtische Ehrenurkunde, beglückwünschte ihn zu der erreichten langjährigen segensreichen Tätigkeit und sprach die Hoffnung aus, daß es ihm noch weitere Jahre vergönnt sein möge, der Schule sein Bestes zu geben. Im weiteren sprach noch Herr Direktor Jähnig die Glückwünsche der Kollegen aus, die Herrn Walther zum Andenken an den Tag einen Lehnstuhl stifteten. Gerührt von den Aufmerksamkeiten bedankte sich der Jubilar und versicherte auch seinerseits, daß er hoffe, seine Kräfte so Gott will, noch lange in der Schule widmen zu dürfen. Ein kurzes gemeinsames Beisammensein schloß die Feier.

27. März 1915
In russischer Zivilgefangenschaft befindet sich auch ein Neustädter, der 40 Jahre alte Herr Paul Bohne, Sohn des auf der Aue wohnenden Hausbesitzers Herrn Bohne, der seit einiger Zeit in Groschik bei Warschau als Werkführer in einer Tüllfabrik tätig war. Um demselben Los zu entgehen, ließ die Ehefrau Bohnes, die aus Pleißa bei Wüstenbrand stammt, ihre Habe dort in Stich und reiste mit ihren drei Kindern unter vielerlei Gefahren auf Umwegen nach hier, wo sie auch vor kurzem eintraf. Wie wir hören, soll Bohne über seine Behandlung in der Gefangenschaft keine schlechte Mitteilung gemacht haben.

30. März 1915
Nun liegt der erste besondere Gedenktag des Herzens hinter jenen, die in diesem Jahre die Schule verließen, der Tag, an dem sich feierliche Gelübde auf jedes Lippen drängten – der Tag der Einsegnung. Unter feierlichem Glockengeläut und unter Führung der Lehrer bewegten sie sich gestern in geschlossenem Zuge von den Schulhäusern nach den Kirchen, um dort den Worten der Geistlichen zu lauschen, die ihnen den Segen eines praktischen Christentums eindringlich vor Augen führten. Viele von ihnen, die doch noch wirklich junge Kinder sind, ist der gegenwärtige Ernst der Zeit gewiß auch gerade gestern wieder zu erhöhtem Bewußtsein gekommen – fehlte doch so vielen bei dieser Feier der Vater, der Bruder, die in den Reihen der Verteidiger unseres schönen Vaterlandes stehen; mancher derselben hat schon den Heldentod erlitten. So ziehen sie denn nun hin und treten ein in den Lebens- und Wirkungskreis der Erwachsenen. Wohlauf denn, ihr lieben jungen Menschen: wir wünschen von Herzen Glück auf den Weg, Vertrauen in die Zukunft und Kraft für alle schweren Stunden, die ja nun einmal nicht ausbleiben.

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