März 1915

2. März 1915
In heimischer Erde zur letzten Ruhe gebettet wurde gestern nachmittag Herr Fleischermeister Bruno Ebersbach, der fern der Heimat in einem schlesischen Lazarett starb. Im besten Mannesalter raffte ihn, der mit des Vaterlands Verteidigung berufen war, eine Krankheit plötzlich und unerwartet dahin. Gestern nun wurde seine Leiche der heimischen Erde übergeben. Die Fleischer-Innung, der Königl. Sächs. Militärverein „Deutscher Kriegerverein“, zahlreiche zur Genesung hier aufhältliche Krieger und der „Turnerbund“ gaben ihm neben den Angehörigen wie einer großen Reihe von Freunden und Bekannten das letzte Geleit. Am Grabe sprach Herr Pastor Dybeck ehrende und tröstende Worte, die Gewehrabteilung des Kriegervereins feuerte die Ehrensalve übers Grab.

6. März 1915
Herrn Schmied Paul Wolf hier, der in der Landgraffstraße wohnt und den Feldzug auf dem westlichen Kriegsschauplatze als Unteroffizier bei der Maschinengewehrabteilung des 244. Regiments mitmacht, ist für besondere Tapferkeit während der Kämpfe um Zypern, wobei er schwer verwundet wurde, das Eiserne Kreuz 2. Klasse verliehen worden.

10. März 1915
Gestern abend konnte das Kirchenchor und die Liedertafel eine dreifache Jubilarfeier abhalten. Die Jubilare waren die Herren Emil Goldschmidt, Gustav Gläßer mit 50jähriger Mitgliedschaft der Liedertafel und Emil Stöß mit 25jähriger Mitgliedschaft. Der Erstgenannte war 30 Jahre Kassierer des Vereins, der andere 30 Jahre Archivar des Vereins. Nach dem Gesang einer Motette hielt Herr Kantor Merker eine herzliche Ansprache an die Jubilare, worauf Herr Vorsteher Adolf Winter denselben Urkunden überreichte, worin die beiden Erstgenannten zu Ehrenmitgliedern ernannt wurden. Herr Stöß bekam einen wertvollen Spazierstock. Herr Emil Lohse überreichte im Namen des Kirchenvorstandes unter anerkennenden Worten den Herren Goldschmidt und Gläßer ein schönes Diplom. Auch die Damen des Vereins hatten sichs nicht nehmen lassen, die beiden erstgenannten Herren zu beschenken.

17. März 1915
Durch den fortsetzenden Regen der letzen Tage ist der Hüttengrundbach stark angeschwollen, sodaß er an verschiedenen Stellen austrat und die Wiese überschwemmte. Dieser Umstand konnte nun am Sonntag gegen abend dort leicht ein Menschenleben fordern, indem ein im Bethlehemstift untergebrachter verwundeter Krieger, der sich auf dem Heimweg befand an der Talstraße infolge eines Krampfanfalles in den Bach stürzte. Zum Glück hatte ein Kamerad den Vorgang bemerkt. Er eilte schnell hinzu und brachte den fast Leblosen, mit Hilfe von gerufenen Personen, wieder in Sicherheit.

18. März 1915
Eine kurze, aber eindrucksvolle Feier fand gestern abend in der städtischen Webschule statt: vollendeten sich doch am 25. März fünfundzwanzig Jahre, daß der Weblehrer Herr Walther im Hause C. F. Jäckel an der Schule tätig ist. Im Beisein der übrigen praktischen Lehrer sowie der Lehrer der Gewerbeschule, der Herren Direktor Jähnig und Hauck, überreichte Herr Stadtrat Müller im Namen des Rates und des Ausschusses der Schulen zum Jubilar die städtische Ehrenurkunde, beglückwünschte ihn zu der erreichten langjährigen segensreichen Tätigkeit und sprach die Hoffnung aus, daß es ihm noch weitere Jahre vergönnt sein möge, der Schule sein Bestes zu geben. Im weiteren sprach noch Herr Direktor Jähnig die Glückwünsche der Kollegen aus, die Herrn Walther zum Andenken an den Tag einen Lehnstuhl stifteten. Gerührt von den Aufmerksamkeiten bedankte sich der Jubilar und versicherte auch seinerseits, daß er hoffe, seine Kräfte so Gott will, noch lange in der Schule widmen zu dürfen. Ein kurzes gemeinsames Beisammensein schloß die Feier.

27. März 1915
In russischer Zivilgefangenschaft befindet sich auch ein Neustädter, der 40 Jahre alte Herr Paul Bohne, Sohn des auf der Aue wohnenden Hausbesitzers Herrn Bohne, der seit einiger Zeit in Groschik bei Warschau als Werkführer in einer Tüllfabrik tätig war. Um demselben Los zu entgehen, ließ die Ehefrau Bohnes, die aus Pleißa bei Wüstenbrand stammt, ihre Habe dort in Stich und reiste mit ihren drei Kindern unter vielerlei Gefahren auf Umwegen nach hier, wo sie auch vor kurzem eintraf. Wie wir hören, soll Bohne über seine Behandlung in der Gefangenschaft keine schlechte Mitteilung gemacht haben.

30. März 1915
Nun liegt der erste besondere Gedenktag des Herzens hinter jenen, die in diesem Jahre die Schule verließen, der Tag, an dem sich feierliche Gelübde auf jedes Lippen drängten – der Tag der Einsegnung. Unter feierlichem Glockengeläut und unter Führung der Lehrer bewegten sie sich gestern in geschlossenem Zuge von den Schulhäusern nach den Kirchen, um dort den Worten der Geistlichen zu lauschen, die ihnen den Segen eines praktischen Christentums eindringlich vor Augen führten. Viele von ihnen, die doch noch wirklich junge Kinder sind, ist der gegenwärtige Ernst der Zeit gewiß auch gerade gestern wieder zu erhöhtem Bewußtsein gekommen – fehlte doch so vielen bei dieser Feier der Vater, der Bruder, die in den Reihen der Verteidiger unseres schönen Vaterlandes stehen; mancher derselben hat schon den Heldentod erlitten. So ziehen sie denn nun hin und treten ein in den Lebens- und Wirkungskreis der Erwachsenen. Wohlauf denn, ihr lieben jungen Menschen: wir wünschen von Herzen Glück auf den Weg, Vertrauen in die Zukunft und Kraft für alle schweren Stunden, die ja nun einmal nicht ausbleiben.

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