August 1913

02. August 1913
Der Hüttengrund gewinnt von Jahr zu Jahr mehr Bedeutung bei den Sommerfrischlern, was seinen Grund hat in der herrlichen waldreichen Lage. Seit Wochen sind im Hüttengrund fast sämtliche Sommerlogis vom auswärtigen Sommerfrischlern und Ferienkolonisten besetzt und für die nächste Zeit liegen noch zahlreiche Anmeldungen vor. Gerade die jetzigen großen Ferien brachten wieder einen starken Fremdenzug, namentlich aus den Großstädten Leipzig, Chemnitz, Dresden und sogar Berlin nach unseren prächtig gelegenen Hüttengrund. Unsere Gegend durfte übrigens schon seit einigen Jahren eine der bestbesuchten des niederen Erzgebirges mit sein.

Die altrenommierte Butterhandlung von Wilhelm Lässig am Neumarkt kann heute auf ein 40jähriges Bestehen zurückblicken. Die Stadtkapelle überraschte heute früh den Firmeninhaber und seine Gattin mit einem Ständchen. Auch sonst wurden Herrn Lässig noch Aufmerksamkeiten zuteil.

13. August 1913
Der gestrige Montag war für den Ortsteil Hüttengrund ein bedeutungsvoller Tag, brannte doch zum erstenmal gestern abend das Gas in den Straßenlaternen. Ueber die neue Beleuchtung ist natürlich die Einwohnerschaft im Hüttengrund sehr erfreut und ist damit einem dringenden Bedürfnis Genüge getan. In den nächsten Tagen werden nun die Hausanschlüsse vollends fertiggestellt, so daß man glaubt, in spätestens 14 Tagen das Gas auch in den Häusern zu Leucht- und Kochzwecken benutzen können.

14. August 1913
Kehraus auf dem Berge. Noch einmal zogen Scharen hinauf auf unsere Höhe, um die Annehmlichkeiten des Festes auf sich wirken zu lassen, noch einmal saß in den Zelten und Buden dichtgedrängt Männlein und Weiblein, um sich an Gerstensaft, Wein und Kaffee zu laben, noch einmal hatten die Losverkäufer regen Absatz, noch einmal fand Meister Grabner für seine fleischigen Leckerbissen eine dankbare Gemeinde. Mehr als 5000 Personen waren es, die gestern Eintrittskarten lösten, da ja das Wetter sich gebessert hatte und ein warmer Sommerabend ins Freie lockte. Und so dauerte auch der Abschied länger als am Sonntage; es wollte so eigentlich niemand nach Hause gehen und es war längst Mitternacht vorüber, als sich die Reihen lichteten und man allmählich der Stadt zustrebte. In der dritten Morgenstunde aber erloschen die letzteren Lichter und das Bergfest war für dieses Jahr vorüber!

19. August 1913
Der Buchhalter H. einer hiesigen großen Firma hat seit mehreren Jahren fortgesetzt Unterschlagungen verübt, die er so geschickt zu verschleiern wußte, daß sie jetzt erst entdeckt wurden. H., der zum zweitenmal verheiratet und Vater eines Kindes ist, ist seit gestern flüchtig und wird steckbrieflich verfolgt. H. gab in letzter Zeit ziemlich viel Geld aus und dürfte die unterschlagene Summe wohl zum größten Teile vertan haben.

22. August 1913
Ein gemeiner Streich wurde gestern abend gegen 9 Uhr am Seidelberg verübt. Von ruchlosen Händen ist in etwa 20 Zentimeter Höhe eine Schnur über den Weg gezogen worden. Eine dort wohnende junge Frau, welche um die genannte Zeit den Weg passierte, wäre beinahe recht ernstlich zu Schaden gekommen, indem sie über die Schnur stürzte. Eine solche rohe Handlungsweise verdiente eine recht nachdrückliche Strafe.

24. August 1913
In unserer Stadt geht das Gerücht um, daß sich der nach der Unterschlagung ziemlich bedeutender Summe flüchtig gewordene Kaufmann H. in der Schweiz habe von einem Eisenbahnzug überfahren lassen. Eine Bestätigung des Gerüchts konnten wir aber an keiner Stelle erhalten.

28. August 1913
Seit wenigen Tagen hat, wie schon kurz gemeldet, unsere Stadt ihren dritten Brunnen erhalten. Dem von üppiger Vegetation umwucherten Springbrunnen in den Friedhofsanlagen und dem monumentalen Altmarktbrunnen folgte ein kleiner Wandbrunnen im Hofe des Rathauses. Wie der an zweiter Stelle genannte steht er im Zusammenhange mit dem 400jährigen Stadtrechtsjubiläum, das unsere Stadt 1910 feierte. Hatte jenen der sächsische Kunstfonds gestiftet, so schenkte den Wandbrunnen, wie die Inschrift besagt, Se. Erlaucht der Graf Joachim, Graf und Herr von Schönburg, in Glauchau. – Das kreisförmige Becken ist an die nördliche Umfassungsmauer des Rathauses angesetzt. Es steht auf einer größeren Steinplatte und wird an der Mauer von einer anderen Platte überragt, durch die das Wasserauslaufrohr führt und die die Inschrift trägt „Stadtrechtsjubiläum 1510-1910“. Den einzigen Schmuck des Brunnens trägt diese Platte, nämlich das Schönburgische Wappen. Es ist ein sogenanntes Mantelwappen. Der Helm fehlt, dafür wird der Schild von dem Purpurmantel umgeben, auf dem die Fürstenkrone liegt. Bekanntlich führt auch die gräfliche Linie des Hauses Schönburg das Fürstenwappen. Der nette kleine Brunnen wird dadurch besonders interessant, daß er berufen ist, dem praktischen Leben zu dienen. Den bei dem starken Verkehr an Wochen- und Jahrmarktstagen immer sehr zahlreichen durstigen Kehlen wird er das erquickende Naß spenden. Außerdem ist sein Wert als Zierstück nicht gering auszuschlagen. Wer sich künftig als Fremder den Altmarkt und den Kirchplatz besehen und an ihren mehrfach erhaltenen schönen alten Gebäuden, an den durch Stolleneingänge, Denkmäler sowie Gedenktafeln wachgehaltenen historischen Erinnerungen und ferner an der malerischen St. Christophorikirche erfreut hat, der wird dann nach einem Viertelstündchen Rast auf den rosengeschmückten, aussichtsreichen Terrassen wohl auch den Rathaushof besuchen, der hoffentlich in nicht zu ferner Zeit recht hübsch mit Zierpflanzen ausgestattet sein wird. Hier erzählt ihm das ehrenwürdige Portal mit Helm und Schild der Schönburger von 1702 aus alter Zeit. Und wenn dann vom Rathaustürmchen das alte Bergglöcklein die Abschiedsstunde schlägt, dann wird der Wanderer ungern von einem der schönsten Städtebilder Sachsens scheiden, über de, verständnisvolle und kunstsinnige Menschen bewahrend walten mögen, wie hoch oben in St. Christophs großer Wetterfahne der alte deutsche Reichsadler mit dem Schönburgischen Schild auf der Brust seine Schwingen schützend über diesem Glanzpunkt sächsischer Städte hält.

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Juli 1913

1. Juli 1913
Ehrendiplome der Stadtverwaltung für 25- jährigen ununterbrochenen Dienst bzw. Arbeitszeit wurden heute Vormittag in drei Fällen ausgehändigt. Bei der Firma Halpert & Co. erhielt es die Spulerin Fräulein Auguste Marie Hoborla (Fr. bei A. Albert) und bei der Firma Gebr. Säuberlich wurden Herr Brokurist Ernst Bernhard Biermann und Herr Erpedient Karl Hermann Kluge damit ausgezeichnet. Die Überreichung erfolgte unter entsprechender Beglückwünschung durch Herrn Bürgermeister Dr. Jubilar mit einem Geschenk.

Auch die Handelskammer Chemnitz verlieh dem Brokuristen der Firma Gebr. Säuberlich, Herrn Bernhard Biermann, für 25- jährige treue Dienste in derselben Firma eine Ehrenurkunde.

Als ein Muster von Sesshaftigkeit darf wohl die Familie Schumann angesprochen werden, die am heutigen 1. Juli vierzig Jahre lang in einem Hause wohnt, und zwar Altmarkt 10, Ecke Karlsstraße, im früheren Bergamtshause, das gegenwärtig Herrn Paul Starke gehört. Während Herr Schumann, der frühere Ratskanzlist, vier Dezennien in ein und demselben Hause Freud und Leid mit den Seinen teilte, hat in dieser Zeit das Haus selbst heute den vierten Besitzer aufzuweisen. Gestern erschien im Auftrage des Hausbesitzervereins dessen Vorsteher Herr Theodor Wächter in der Wohnung des Herrn Schumann, um ihm unter anerkennenden Worten und den Wünschen, dass es ihm vergönnt sein möge, noch recht lange in der bisherigen Rüstigkeit dieselbe Wohnung innehaben zu können, ein Diplom des Hausbesitzervereins zu überreichen, das das erste dieser Art ist. Auch Herr Starke als Hauswirt erfreute den Jubilar mit einem Geschenk.

4. Juli 1913
Wie wir hören, ist die hiesige Maschinenfabrik von Theodor Lieberknecht mit der Firma Schubert und Salzer, Aktiengesellschaft, Maschinenfabrik in Chemnitz verschmolzen worden. Herr Theodor Lieberknecht wird Direktor des neuen Unternehmens. Man darf hoffen, dass mit dieser Veränderung eine wesentliche Vergrößerung und Ausdehnung des Etablissements verbunden ist, die vielen Arbeitskräften hier lohnenden Verdienst verschaffen dürfte.

8. Juli 1913
Das Kunzegässchen, dessen Umbau wir kürzlich meldeten, hat, nachdem es so gut wie fertiggestellt ist, ein recht schmuckes Aussehen erhalten. Längs seiner Ausdehnung begrenzen es, soweit nicht Baulichkeiten infrage kommen, schöne Zäune auf beiden Seiten. Es wird ein beliebter Verbindungsweg zwischen dem Altmarkt und der Konrad- Claus- Straße werden, umsomehr, als durch die Verbreiterung der Verkehr ein besserer und bequemer geworden ist und es auf seiner größeren Hälfte von Gärten begrenzt wird. Zugleich mit dem Ausbau des Gässchens wird der zukünftige Budengeräteschuppen der Stadt bessere Zufahrtsgelegenheit bekommen.

Der aus unserer Stadt gebürtige, in Radebeul verstorbene Schriftsteller Karl May hat sein gesamtes Vermögen und die aus seinen Werken während der dreißigjährigen Schutzfrist stammenden Einkünfte einer Stiftung vermacht, deren Erträgnisse unbemittelten Talenten und invaliden deutschen Schriftstellern und Journalisten zukommen sollen. Die Witwe Mays hat bei ihren Lebzeiten die Nutznießung. Die Witwe, der bisherige Verleger von Mays Werken, E. Fehsenseld, und Dr. E. Schmidt haben, um der letztwilligen Verfügung nachzukommen, den Verlag der Karl- May- Stiftung gegründet, der Verlagsrecht und Vertrieb der Mayschen Werke auszuüben hat.

9. Juli 1913
Wenn Frauen sich treffen, haben sie sich viel zu erzählen und wenig Aufmerksamkeit für die Umgebung. Auf dem Altmarkt, Ecke der Weinkeller- und Dresdnerstraße, hatten sich gestern während des Wochenmarktes zwei Frauen dermaßen in ein Gespräch vertieft, dass sie trotz mehrerer Zurufe ein daherkommendes Geschirr nicht bemerkten. Die jüngere der Frauen wurde gestreift und mit zwei kleinen Knaben, die sich in ihrer Begleitung befanden, niedergerissen. Zum Glück kamen aber alle drei Personen ohne Schaden davon. Die Frau muss sich aber über die Unterbrechung sehr geärgert haben, denn sie verabreichte beiden Knaben Schläge, trotzdem dieselben an dem Unfall keine Schuld trugen.

18. Juli 1913
Interessant für den Zuschauer und sehr gefahrvoll für die Ausführenden gestalten sich die Dachdeckerarbeiten am Turmdach der St.- Christophori- Kirche. Die Kehlen unterhalb der Kuppel werden durch die hiesige Dachdeckerfirma Schrepel mit Zinkblech ausgeschlagen, zu diesem Zwecke ist ein Schwebegerüst gebaut, auf dem die Dachdecker hantieren. Außerdem hat unsere Kirche Reparaturen, soweit sie ohne großes Gerüst erreichbar waren, erfahren.

19. Juli 1913
Gedenktafeln an Bürgerhäusern vermögen auch den bescheidenen Straßen der Mittel- und Kleinstädte ein historisches Gepräge zu verleihen. Wo sie, wie bei uns, nicht von Beschießungen oder Hochwässern Kunde geben können, da können sie die Erinnerung an Persönlichkeiten u. a. wachhalten. So befindet sich am Christophori- Pfarrhause eine Tafel, die besagt, dass in diesem Hause der Naturforscher und Naturphilosoph G. H. v. Schubert geboren ist, und ein Haus am oberen Altmarkt rühmt sich durch die Tafel, die es trägt, einmal Quartier des Generalfeldmarschalls Grafen v. Moltke gewesen zu sein. Auch das Gedächtnis an Verschwundenes kann auf diese Weise erhalten werden. Dies ist neuerdings in hiesiger Stadt ebenfalls geschehen. Seit wenigen Tagen befindet sich an der Stützmauer des ehemaligen Lampertusgrundstücks eine Tafel mit der Inschrift: „St. Lampertus, letzte Zeche des Hohensteiner Bergbaues. Stillgelegt 1910.“ Der Wanderer der vorübergeht, wird dadurch an die frühere Eigenschaft Hohensteins als einer Bergstadt erinnert. Dass auf dem Grundstücke die letzte Stätte des Jahrhunderte lang betriebenen Bergbaues sich befand, kann man ihm jetzt nicht mehr ansehen, nachdem die bergmännischen Gebäude bis auf das, einem der Wohnhäuschen jener Gegend gleichenden Huthaus verschwunden sind. Durch die Tafel erhält man hiervon Kenntnis und wird auch der Name des benachbarten Gasthauses „Zur Zeche“ und derjenige der vorüberführenden Straße, die der Volksmund noch immer „Zechenstraße“ nennt, erklärt.

25. Juli 1913
Infolge der von hiesiger Stadtverwaltung seit einigen Jahren ausgeübten Reklame für unsre Stadt wird diese immer mehr und mehr das Ziel von Ausflüglern aus den Orten der näheren und weiteren Umgebung. Mit Stolz und Freude hört der Einheimische die Ausrufe des Entzückens der Fremden über dieses schöne, bislang so unbekannte Fleckchen Erde inmitten des Sachsenlandes. Die Bürgerschaft ist aber auch bestrebt gewesen, das Geschenk der Natur, den hochaufragenden Berg mit der herrlichen Aussicht auf das sich terassenförmig bis zu seinen Hochgipfeln auftürmende Erzgebirge zu verschönern und zu erschließen. Junger Laubwald rauscht auf den ehedem kahlen Feldern. Auf Sportplätzen tummelt sich die Jugend. In der großen Turnhalle und auf dem benachbarten Turnplatze übt die straffe Schar gestählter Turner. Unterkunftshalle, Kinderspielplatz, Luft- und Sonnenbäder des Naturheilvereins, umgeben von einem lieblichen Kranze blumenreicher Schrebergärtchen, laden zum Besuche ein. In den Schluchten ehemaliger Steinbrüche sind reizende Ruheplätzchen im lauschigen Grün vorhanden. Am Fuße der einen Felsenwand, in wundervoller Naturszenerie, finden durch eine treffliche Truppe die Vorstellungen des Naturtheaters statt. Für den Winter stellen Sporthaus und Rodelbahn andere Genüsse in Aussicht. Am Steilabsturz des Berges ragt das gut bewirtschaftete Berghotel, in dem erzgebirgische Volkssänger für Gemütlichkeit sorgen. Fürwahr, der Fremde tut wohl daran, nach arbeitsreicher Woche aus den Industrieorten nach jenen vom frischen Bergwind umwehten Höhen zu pilgern, auf denen durch das am 10. und 11. August stattfindende Bergfest im Stile von 1813 noch ein Ertraggenuss geboten werden soll.

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Juni 1913

4. Juni 1913
Ein schweres Unglück trug sich gestern nachmittag gegen ¾ 4 Uhr in der westlichen Könicg-Albert-Straße*1 zu. An der Ecke der Schiller- und Bismarckstraße*2 scheuten vor dem Lastauto des Appreteurs Wurst aus Schönau, da die Plane des Gefährts im Winde flatterte, die noch jungen Pferde des Mehlhändlers Bruno Eisenschmidt aus Altstadt Waldenburg und rasten mit dem leeren Wagen die Schillerstraße hinab. Der Geschirrführer Oswin Winter aus Waldenburg, der als ein sehr zuverlässiger Mann geschildert wird, saß in der Schloßzelle, er vermochte jedoch trotz aller Anstrengungen nicht, die Pferde zu halten. Es gelang ihm aber, das Gefährt in die König-Albert-Straße zu lenken. Dabei schlug der Wagen an den Gaslaternenpfahl, kam auf den gegenüber dem Amtsgericht hinzuführenden Fußweg, drückte das niedrige Eisengeländer auf eine kurze Strecke ab und entwurzelte einen Akazienbaum. Hierbei stürzte das Sattelpferd und der Kutscher wurde durch den Anprall vom Wagen geworfen. Das Pferd erhob sich im nächsten Augenblick wieder und beide Tiere rasten nun weiter, den Kutscher, der die Zügel krampfhaft festhielt, mit sich schleifend. Dabei kam Winter unter den Wagen und zunächst ging ihm das linke Vorderrad über das Gesäß; nun vermochte er die Zügel aber nicht mehr zu halten und er wurde vom linken Hinterrad in gleicher Weise überfahren. Trotz seiner Schmerzen lief der Verletzte seinem Geschirr nach, das endlich an der Einmündung der Bismarckstraße*2 gegenüber dem Selbmannschen Hause zum stehen kam. Hier stieß die Deichsel des Mehlwagens gegen einen starken Straßenbaum, durch den kräftigen Anprall erhielt der Wagen eine plötzliche Wendung, die Deichsel brach mitten durch und deren Stumpf traf das Sattelpferd in den Leib. Die Verletzungen des Pferdes waren schrecklich anzusehen. Am oberen rechten Vorderbein, nahe beim Brustbein, war der Oberschenkelmuskel zerbissen, der in einer Länge von 30 Zentimetern herabhing; ebenso ward dem Pferde die rechte Seite des Brustbeins zersplittert, so daß nach Auslage des Herrn Tierarzt Lauschke, der sofort herbeigeholt worden, eine Wiederherstellung des Tieres ausgeschlossen war. Im Einverständnis mit dem sofort telephonisch benachrichtigten Besitzer, wurde das Tier, das sich nicht legen konnte, an Ort und Stelle durch Herrn Roßschlächter Herold aus Oberlungwitz getötet. Dem Kutscher ward sofort ärztliche Behandlung zuteil und er fand Aufnahme im hiesigen städtischen Krankenhause; seine Verletzungen sind glücklicherweise nicht lebensgefährlich. Dem Besitzer des Geschirrs erwächst erheblicher Schaden, da das Pferd nicht versichert war. Dem Lastauto ist nachgewiesenermaßen keine Schuld beizumessen, da es vorschriftsmäßig langsam auf der rechten Straßenseite fuhr.

5. Juni 1913
Am 1. Juni feierte die Photographische Kunstanstalt von Fr. Lasch, Inhaber Hugo Lasch, ihr 50jähriges Geschäftsjubiläum. Viele Glückwünsche und herrliche Blumenspenden wurden dem Geschäftsinhaber zuteil. Am Montag nachmittag stellten sich viele Kollegen aus nah und fern, von der Sektion Chemnitz des Sächsischen Photographen-Bundes, ein, um ein prachtvolles Geschenk zu überreichen. Ein recht gemütliches Gartenfest, sowie ein sich daran anschließendes Festessen im Hotel „Gewerbehaus“ beschloß die schöne Feier.

8. Juni 1913
Seit einigen Tagen befindet sich auf der Goldbachstraße die schwere Dampfstraßenwalze, um die Straße, die stellenweise sehr defekt ist, herzurichten. Es wird hauptsächlich der mittlere und der nach Oberlungwitz zu gelegene Straßenteil gewalzt. Andere Stellen, so an der Eisenbahnbrücke und am Fuchsschen Grundstück, wurden blos zum Teil mit Steinen und Sand beschottert und gewalzt. Leider wird der Straßenteil zwischen Schiller- und Moltkestraße*3, der sich bekanntlich in sehr schlechtem Zustand befindet und der bei regnerischem Wetter nur mit Mühe zu begehen ist, dieses Mal nicht mit berücksichtigt. Wie wir erfahren, soll dieser Straßenteil erst nächstes Jahr ausgebessert werden.

Eine sehr praktische Erfindung, einen Wicklungsapparat für mechanische Webstühle, hat ein in der Neustadt wohnender Fabrikweber, Herr Richard Sonnekalb jun., gemacht. Die Erfindung, die bereits zum Patent angemeldet ist, hat den Vorteil, daß bei verschiedenen Breiten der Webwaren kein Garn- resp. Kettenverlust eintritt. Es wickeln sich die übrig gebliebenen Fäden bei schmalen Waren selbstständig wieder ab. Die Einrichtung ist leicht an jedem Webstuhl anzubringen und nicht hoch im Preise. In Bewegung gesetzt wird, der Wicklungsapparat durch die Jacquardmaschine.

10. Juni 1913
Seit einigen Tagen sind die 16 resp. 17 Jahre alten Arbeiter Meyer aus der Altstadt und Hofmann aus der Neustadt spurlos verschwunden. Da sie seit der Zeit fehlen, wo der holländische Zirkus von hier fort machte, vermutet man, daß sie demselben nachgelaufen sind. Bis Sonnabend abend waren die Angehörigen der Verschwundenen noch ohne Kenntnis über ihren Verbleib.

13. Juni 1913
Wenn man an festlichen Tagen wie Königs und Kaiser Geburtstag die Straßen durchwandert, so freut sich jeder Patriot an dem zahlreichen Flaggenschmuck. Aber beim genauen Hinsehen findet man darunter Flaggen in der Anordnung „Grün-weiß“. Dies soll nun wohl die Flagge des Königreiches Sachsen darstellen, ist es aber nicht. Die Landesfarben des Königreiches Sachsen sind weiß-grün, während grün-weiß die Farben der sächsischen Herzogtümer sind. Auch „Rot-weiß-schwarz“, anstatt des richtigen deutschen „Schwarz-weiß-rot“ findet man öfter. Dies alles ist ein Zeichen, wie wenig Verständnis viele für die Bedeutung der Flaggen und des Flaggenschmuckes haben. Da doch sicher zum Kaiserjubiläum auch die Häuser unsrer Stadt wieder Flaggenschmuck tragen, erscheint es notwendig, auf den Gebrauch richtiger Flaggen hinzuweisen. Hierzu sei bemerkt, daß die Farben der Flaggen von oben nach unten zu lesen sind, am Flaggenstock muß also das Weiß in den sächsischen Landesfarben und das Schwarz in den Reichsfarben oben sein.

20. Juni 1913
Dumme werden gesucht von einer Handelsfrau, die Parfüms und Seifen feilhält und gleichzeitig ihre Kundinnen veranlaßt, sich von ihr aus der Hand wahrsagen zu lassen. Für ihre betrügerischen Handlungen sucht sie sich namentlich Lokale mit Damenbedienung auf. Die Zukunft will sie dadurch voraussagen, daß sie sich einige größere Geldstücke in die Hand legen läßt, dann ein Tuch darüber breitet und die „Messe liest“. Nach solchem Hokuspokus bringt sie irgendeinen Schwindel über die Zukunft vor und verlangt, damit der Zauber besser wirke, das in der Hand befindliche Geld; kann sie nicht alles erhalten, ist sie auch mit dem einen oder anderen Geldstück zufrieden. In einigen Fällen ist der Frau dieser Schwindel auch schon geglückt; die „weise Frau“, die natürlich nur auf Betrug ausgeht, ist 45 bis 50 Jahre alt, 1,50 Meter groß, hat blatternarbiges Gesicht, trägt dunkles Kleid und schwarzen Koffer mit sich. Es sei dringend vor ihr gewarnt. Wird sie irgendwo bei ihrem betrügerischen Tun betroffen, so benachrichtige man sofort die Polizei.

25. Juni 1913
Das Berggasthaus „Zur Bismarckhöhe“ wird demnächst einen neuen Bewirtschafter erhalten. Herr Fickler hat das Pachtverhältnis gelöst und so wird, wie wir hören, am 1. Juli Herr Kabisch aus Leipzig als neuer Pächter seinen Einzug halten in der so gern besuchten Gaststätte auf luftiger Höhe.

28. Juni 1913
Der gestrige 27. Juni war für unsere Stadt wieder ein trüber Gedenktag, vollendeten sich doch zu diesem Zeitpunkte 25 Jahre, daß am damaligen Ende der Dresdner Straße, da wo die Limbacher*4 und Karl-Straße zusammentreffen, ein Schadenfeuer ausbrach. Am 27. Juni 1888 abends nach 11 Uhr entstand, vermutlich durch Brandlegung, in der Schülerschen Scheune Feuer, das schnell auf das Fleischermeister Bachmannsche Haus übergriff und es vollständig einäscherte. Im letzteren Hause wohnten sechs Familien mit gegen 30 Personen, die einen großen Teil ihrer Habe verloren. Die nahe gelegene Schönländsche Scheune mußte, um ein Weiterverbreiten des Feuers verhindern, niedergerissen werden. Auf den ehemaligen Brandplätzen steht jetzt das Goldschmidtsche und Aschsche Besitztum.

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Mai 1913

1. Mai 1913
Die goldene Hochzeit zu feiern ist nächsten Sonnabend dem Schneidermeister Steinschem Ehepaare in der Weinkellerstraße beschieden. Körperliche und geistige Frische ist dem Jubelpaar als bestes Gut bis heute beschert gewesen. Wir gestatten uns, dem würdigen Paare, das ein reicher Kranz von Nachkommen umgibt, die besten Wünsche für einen gesunden und heiteren Lebensabend auszusprechen.

5. Mai 1913
Trotz aller Verbote der Behörden wie der Saalbesitzer suchen immer wieder Besucher der Tanzstätten – bezeichnenderweise meist halbwüchsige Burschen – eine gewisse Forsche an den Tag zu legen durch Vorführung des „Schiebetanzes“. So auch gestern ein 17jähriger Drahtbürstenmacher von hier. Obwohl er vom Wirt des „Logenhauses“ wiederholt aufgefordert worden, sich eines anständigen Tanzens zu befleißigen, „schob“ er weiter, bis sich ein Schutzmann ins Mittel legte. Erst nach langem Zögern bequemte er sich zur Namensnennung, so daß er zur Bestrafung angezeigt werden konnte. Das gleiche Schicksal widerfährt auch seiner holden Partnerin, einer hier wohnhaften 18jährigen Fabrikarbeiterin aus Oberlungwitz.

7. Mai 1913
Ein größerer Menschenauflauf entstand gestern nachmittag auf der Chemnitzer Straße.*1 Der Kohlenhändler Ernst aus der Neustadt fuhr mit seinem schwer beladenen Kohlenwagen an einen Mast der elektrischen Leitung, sodaß die Stränge rissen. Der Wagen war dermaßen eingeklemmt, daß er weder vor noch rückwärts ging. Mit Hilfe von hinzugekommenen Leuten mußte er dann nach der Seite gehoben werden. Es bedurfte jedoch längerer Zeit, ehe der schwere Wagen frei wurde. – Bei dieser Gelegenheit verunglückte auch das achtjährige Mädchen eines dort wohnenden Hausbesitzers. Das Kind fuhr mit einem Arm in das Haustürfenster, wobei die starke Glasscheibe in Stücke ging und die Splitter dem Mädchen den Unterarm zerschnitten. Man mußte sofort ärtzliche Hilfe in Anspruch nehmen.

14. Mai 1913
Am Seidelberg sind in der Nacht zum Pfingstsonntag von rohen Händen eine ganze Anzahl von Birkenbäumchen zum Teil umgebrochen, zum Teil ihrer Kronen beraubt worden. Es wird wohl nichts weiter übrig bleiben, als unsere Anlagen, sollen diese nicht allmählich ihrer Verwüstung entgegengehen, auch in der Nacht erhöhten polizeilichen Schutz angedeihen zu lassen.

Die Gartenhaus-Einbrecher geben keine Ruhe. In der letzten Nacht sind den Besitzungender Herren Musterzeichnereibesitzer Ebersbach und Bäckerobermeister Kreher unerwünschte Besuche abgestattet worden, doch soll den Spitzbuben nichts von Belang in die Hände gefallen sein- In diesen Fällen benutzten die Spitzbuben Radehacken, die sie jedenfalls vorher anderswo gestohlen haben, dazu, um sich Eingang in die Grundstücke zu verschaffen. Weiter ist auch in ein Gartenhäuschen des Herrn Barth an den Badteichen eingebrochen worden. Dort hat ein Dieb gegen 30 zu Dekorationszwecken an die Wände geheftete Ansichtskarten heruntergerissen, sich ein Feuer im Ofen bereitet und dann im Häuschen genächtigt. Die letzthin bei Herrn Haugk gestohlenen Sachen – u.a. eine alte graue Hose, eine braune Aermelweste, ferner zwei Radehacken – hat der Dieb, der sich jedenfalls schleunigst aus dem Staube machen mußte, im Bartheschen Häuschen liegen gelassen. Die Polizei hat die zurückgelassene Diebesbeute in Verwahrung genommen.

15 Mai 1913
Heute früh starb schnell und unerwartet eine in unserer Stadt und darüber hinaus bekannte geachtete Persönlichkeit, der pens. Postschaffner Friedrich Zapf im Alter von reichlich 80 Jahren. Zapf war viele Jahre für unseren Ort Berufsvormund, legte aber diesen Posten vor einiger Zeit altershalber nieder. König Friedrich August ehrte den nunmehr verstorbenen vor einigen Jahren durch Ueberreichung eines Ordens.

20. Mai 1913
Eine Aufsehen erregende Erfindung hat ein in der Neustadt wohnender Fabrikarbeiter namens Richard Sonnekalb an Flugmaschinen gemacht, die, falls sie sich bewähren sollte, in der Flugtechnik eine starke Umwälzung hervorrufen dürfte. Der junge Mann hat etwa 2 Jahre an dem Problem gearbeitet, das nun soweit gediehen ist, daß demnächst die Erfindung von der wissenschaftlichen Gesellschaft für Flugtechnik in Berlin geprüft werden wird. Die neue Verbesserung an der Flugmaschine soll den Vorteil haben, daß ein Umkippen sowie Abstürzen unmöglich ist, da die Tragflächen eine ganz andere Form erhalten. Beim Versagen des Motors kann dann die Maschine im Gleitfluge niedergehen ohne Gefahr zu laufen. Auch soll es möglich sein, bei starkem Wind zu starten. Ein Zwillingsmotor wird diese Flugmaschine zum Steigen bringen und sobald der eine Motor versagt, kann sofort der andere in Betrieb gesetzt werden. Die neue Erfindung soll auch noch den Vorteil haben, daß der bisher benötigte Anlauf beim Starten von 200 bis 300 Meter auf mindestens 50 Meter reduziert wird. Sonnekalb hat ein Modell hergestellt und somit längere eingehende Versuche von gutem Erfolg gemacht.

27. Mai 1913
Hilferufe ertönten in vergangener Nacht gegen 2 Uhr auf dem Schützenplatz und es wurde die Feuerwehrwache um Hilfe angegangen. Der Anlaß war aber mehr humoristischer Natur. In einem Schankzelt war ein 50jähriger angesäuselter Wirker und Kellner aus der Umgebung eingekehrt. Da er sich jedoch nicht aufführte, wie sichs gehörte, wurde er von einigen Gästen an die frische Luft gesetzt und zwar so unsanft, daß er an eine gegenüber liegende Bude flog, wodurch die in letzterer schlafenden Fieranten erwachten und, einen Einbrecher vermutend, um Hilfe schrien. Der Hinausgeworfene blutete stark am Hinterkopfe, ließ sich aber, trotz gütlichen Zuredens seitens eines Samariters, nicht verbinden.

28. Mai 1913
Kaum daß in unseren städtischen Parkanlagen die Ruhebänke wieder aufgestellt sind, so kann man doch schon vielfach wieder Klagen hören, daß die Bänke oft stundenlang, namentlich an Spätnachmittagen und abends von jungen Leuten, im besonderen Liebespärchen, besetzt sind. Gönnen wir auch den jungen Leuten ihr Vergnügen herzlich gern, so möchten wir doch darauf hinweisen, daß andere Personen, namentlich ältere Leute, auch ein recht haben, nach des Tages Last und Mühen sich ein Stündchen in unseren herrlichen Parkanlagen erholen und auf den Bänken ausruhen. Etwas mehr Rücksicht der jungen Leute gegen ältere Personen wäre daher sehr am Patze.

*1 Chemnitzer Straße = Pölitzstraße

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April 1913

2. April 1913
Ein aufregend-heiteres Wochenmarkterlebnis spielte sich gestern auf der Weinkellerstraße ab. Waren da zwei Marktbesucherinnen, die sich hier trafen, auf dem Plattenfußweg, der zuweilen auch für andere Passanten da sein soll, welch letztere aber in diesem Falle an dieser Stelle auf die Fahrbahn abbiegen und nach Passieren der schwierigen Stelle wieder auf den Fußweg weiter schritten, wir sagen, die zwei waren eifrig beschäftigt, über Saatenstand, Viehzucht und sonst noch mancherlei zu kosen und waren schließlich bei den lieben Nächsten „stecken geblieben“. Da gabs nun kein „Allewerden“, denn gar viel haben die jeweils auf dem Kerbholz und es war eine gar harte Aufgabe, das gesamte Material zu verarbeiten. Deshalb erbarmte sich ein einsichtiger Hausbesitzer, der es lange mit ansehen mußte und der auch Stühle im Ueberfluß besitzt, den Beiden einen Stuhl zu bringen. Darob allgemeines Gelächter und – Gezeter und nach kurzer Zeit eine Beendigung der schweren Arbeit.

3. April 1913
Die im westlichen Stadtteil, südlich der König-Albertstraße*, neu angelegte „Lutherstraße“ ist nun baulich soweit hergestellt, daß seit einigen Tagen die große Dampfwalze die letzten Arbeiten vollendet. Hoffentlich erstehen nun dort auf dem ehemaligen Dörfeltschen Grundstück bald Wohn- und Geschäftshäuser.

6. April 1913
Die Gruberhöhe, eins unserer schönsten Fleckchen in den Anlagen auf dem Berge ist von den Hinterbliebenen des Herrn Ehrenbürgers Karl Gruber in hochherziger Weise dem Erzgebirgsverein zum Geschenk gemacht worden. Damit ist der Verein Besitzer desjenigen Grundstückes geworden, auf dem durch seinen Mitbegründer und ersten langjährigen und verdienstvollen Vorsteher der erste Schritt zur Bepflanzung und Erschließung unserer Höhen getan worden ist. Muß sonach diese Anlage dem Verein besonders erinnerungsreich und teuer sein, so erscheint sie auch bestimmt, ein hervorragend schöner Zugang zu den Vereinsanpflanzungen und zum Stadtpark von Westen her zu werden. Die wunschgemäße und natürlich auch nur zu billigende Beibehaltung des Namens „Gruberhöhe“ wird das Andenken, wach halten an einen der treuesten Freunde unserer Einwohnerschaft, der den Grund dazu legte, in ihr die Freude an den heimatlichen Höhen und den Sinn für deren Erschließung zu erwecken, der da wußte, was dem in ihren Mauern emsig Tätigen zur Erholung nottut, der aber auch selbst Hand anlegte, einem großen Werke zum Erstehen zu verhelfen. Die Nachfolge in diesem Schaffen macht die Tätigkeit unseres Erzgebirgsvereins seit einer Reihe von Jahren aus. Binnen kurzem werden die ins Leben gerufenen Wäldchen im Frühlingsschmucke prangen und Einheimischen wie Fremden werden in Duft und Sonnenschein Stunden der Freude beschert sein. Möge dann der Anblick der Gruberhöhe an den Menschenfreund aus dem waldgrünen Thüringerwald gemahnen, aber auch den Wunsch rege machen, in seinem Sinne das Geschaffene schützen und erweitern zu helfen.

Gegenwärtig vollenden sich 150 Jahre, daß unsere Stadt stark unter dem siebenjährigem Krieg zu leiden hatte. Der Chronik Marburger berichtet darüber, daß Hohenstein in diesen Jahren viel Not und Drangsal ausgestanden hat, denn es stieg in den ersten Kriegsjahren (1756-1763) der Getreidepreis mit Gewalt. Alles Bewegliche kostete viel geld, nur die Grundstücke waren wegen der Abgaben und Lieferungen wohlfeil. Es mußte an die Armee nach Freiberg und verschiedenen anderen sächsischen Städten geliefert werden. Auch brachte man Betten für die Kranken und Blessierten. Hohenstein mußte 1763 zweimal 3000 Taler Kontribution zahlen, eine für die damalige Zeit ungewöhnlich hohe Summe. 1763 lag der Stab von einem sächsischen Dragonerregiments hier. Der Oberst hieß Stangen. Er lag im Eberhardtschen Hause und hatte 9 Livreebedienstete bei sich. Ein Jahr zuvor war ein Scharmützel zwischen den kaiserlichen Husaren und preußischen Dragonern um unseren Markt und um die Stadt herum. Im Jahre 1760 standen 30000 Mann Reichsarmee auf der Höhe zwischen Bernsdorf und Lichtenstein und zwischen Lungwitz und Bernsdorf. Die Generalität lag in Hermsdorf.

Ein bedauerlicher Unglücksfall trug sich gestern nachmittag auf der König-Albertstraße zu. In einem dortigen Fleischereigrundstück spielten einige kleine Knaben, als einer derselben, das 5jährige Söhnchen eines dort wohnenden Bäckermeisters, an einem vor einen Wagen gespannten großen Hund heranging und von diesem angefallen ward. Das wütende Tier biß dem Kind ein Ohr ziemlich ab, so daß sofort ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden mußte.

8. April 1913
Der morgige Dienstag ist für unsere Stadt ein Tag traurigen Gedenkens. An diesem Tage vollenden sich 50 Jahre, daß ein furchtbarer Brand ausbrach. In den ersten Morgenstunden des 8. April 1863ging im Hofe des Lohgerbers Uhlig auf der südlichen Seite der Dresdnerstraße ein Reisighaufen in Flammen auf. Das Feuer griff so schnell um sich, daß binnen kurzer Zeit 20 Häuser auf der Dresdner- und Weinkellerstraße nebst Hintergebäuden eingeäschert wurden. Dadurch wurden insgesamt 70 Familien mit 772 Personen obdachlos und verloren einen großen Teil ihrer Habe. Die Mildtätigkeit unserer Bevölkerung bewährte sich bei diesem Brandunglück aufs glänzende, denn die eingeleitete Sammlung für die Kalamitosen ergab einen Betrag von 3804 Taler 24 Groschen und 1 Pfg. Das Unglück war um so schwerer, da erst Hohenstein von zwei größeren Bränden heimgesucht worden war. Am 4. Mai 1862 früh nach 7 Uhr brach in einer Bodenkammer des Dähneschen Hauses Feuer aus, wodurch 5 Häuser mit Nebengebäuden, darunter die Lißner-Mühle, niederbrannte und am 25. Juli 1862 abends gegen 9 Uhr entstand im Stockschen Hintergebäude (jetzt Elster) Feuer, wodurch 13 Wohnhäuser an der Dresdnerstraße und der ehemaligen Neustadt mit einer Anzahl Hintergebäuden niederbrannte. Das Feuer hielt erst am Beckschen Garten an. Auch bei diesem Brand gingen 2576 Taler freiwillige Geschenke ein.

19. April 1913
Die neue Friedhofskapelle wie überhaupt die gesamte neue Friedhofsanlage der Trinitatisgemeinde bieten von unserem Berg aus einen malerischen Anblick. Entrückt dem lauten Getriebe des Alltags, auch für das schauende Auge seine Einzelheiten zeigend, sondern nur das Gefühl wohltuender Einordnung in das Gesamtbild des gegenüberliegenden sonnigstillen Höhenzuges erwecken, und noch nicht zu übersehen beim Bewundern der Gotteswelt, so ruft die Anlage herüber und hinauf ins reichflutende Leben. Mahnend, die Zeit zu nützen zu reinem Lebensgenuß, wird die Anlage auch manchen erinnern daran, daß man auch ihm „dort einmal singt“.

22. April 1913
Die denkwürdige Zeit vor 100 Jahren ging auch für die Bevölkerung unserer Stadt nicht spurlos vorüber. Namentlich der Monat April des Jahres 1813 brachte größere Truppendurchzüge. Am 2. April abends kamen die ersten preußischen Husaren nach unserer Stadt und zogen andern Tages nach Zwickau weiter. Dann folgten einzelne Trupps Russen. Am 5. April kamen 16 Kosaken hier an und gingen am 6. weiter. Ihnen folgten am 9. April eine Anzahl preußischer Soldaten mit Pulverwagen. Letztere gingen erst am 19. April weiter. Kaum hatten diese unsere Stadt verlassen, da trafen, an demselben Tage von Zwickau kommend 7000 Preußen ein und wurden in unserer Stadt verquartiert. Die Einwohnerschaft wurde dadurch stark belastet. Manche Häuser bekamen bis zu 24 Mann, einzelne sogar 36. Man atmete erleichtert auf, als die Preußen nach Penig weiter marschierten. Aber bereits am 21. April nachmittags trafen wieder eine große Menge Russen und Kosaken mit Geschützen ein. Anderen Tages kamen wieder russische Soldaten, dann war einige Tage Ruhe, bis am 29. April eine große Anzahl Russen, die erst hier durchmarschiert waren, wieder zurückkamen. Von den durchziehenden Franzosen mußten auch drei Mann krankheitshalber hier liegen bleiben. Sie starben und wurden im sogenannten Schinderholz unterhalb des alten Schießplatzes in der Nähe der jetzigen Lutherhöhe, begraben. Nach dem 29. April hörten die Truppendurchzüge zum Teil auf und begannen erst wieder in größerem Maße Mitte Juni 1813. Daß man die hier gestorbenen 3 Franzosen nicht auf dem damaligen Friedhof an der Dresdnerstraße beerdigte, sondern auf dem sogenannten „Schinderanger“, ist sehr bezeichnend und zeugt davon, daß man dem französischen Militär zu damaliger Zeit tiefen Groll und Haß entgegenbrachte, trotzdem dieselben blos Opfer der Verhältnisse und der napoleonschen Raubgier waren.

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März 1913

01. März 1913
Die elektrische Ueberlandbahn bietet für viel Bewohner des Gersdorf-Hohndorf-Oelsnitzer Kohlenreviers ein neues Verkehrsmittel. Da in vielen Orten dieses Ortes Reviers der Bergbau vorherrschend ist und andere Industriezweige mehr oder weniger fehlen, müssen viele Arbeiter und Arbeiterinnen auswandern, um im hiesigen, sowie im Chemnitzer und Limbacher Industriebezirk ihr Brot zu verdienen. So sind namentlich viele Hunderte von Arbeiterinnen aus dem oben erwähnten Revier im Limbacher Bezirk beschäftigt, wo sie die ganze Woche über weilen und nur am Sonnabend in ihre Heimat reisen und den weiten Weg teils zu Fuß, teils per Bahn zurücklegen. Da nun der Bahnverkehr über St. Egidien nach Lichtenstein-Rödlitz etwas beschwerlich ist, so fahren jetzt eine große Anzahl Arbeiterinnen nur bis zum Hohenstein-Ernstthaler Bahnhof und benutzen von hier ab die elektrische Bahn.

06. März 1913
Ein tragikomischer Vorfall spielte sich heute früh an der Ecke der Schulstraße und Zillplatz ab, wo bekanntlich ein Sammelplatz für allerhand große Hunde und kleine Köter ist, die schon wiederholt Passanten belästigten. Auch heute früh beim Morgengrauen spielten dort zwei große Hunde und der Zufall wollte es, daß gerade zwei junge Burschen vorübergingen. Plötzlich sprangen die Hunde den jungen Burschen zwischen die Beine und die so unverhofft Angegriffenen stürzten mit voller Wucht in den Straßenschmutz. Ehe sie wieder zur Besinnung kamen, waren die Uebeltäter außer Sehweite. Zum Glück hat der Sturz für beide – außer den beschmutzen Kleidern und dem beschädigten Frühstücksbrot, welches in weitem Bogen über den Platz flog – keine Folgen weiter gehabt.

Die Männerriege des Turnerbundes feierte am Montag abend unter zahlreicher Beteiligung im Hotel „Gewerbehaus“ ihr 10jähriges Bestehen. Bei dieser Gelegenheit konnten die Mitglieder William Neubert, Adolf Winter und Max Ebhardt ihr 25jähriges Turnerjubiläum feiern; den drei Jubilaren wurde im Auftrag der Riege je ein sinniges Geschenk überreicht. Der Vorsteher des „Turnerbundes“ Herr Bruno Hofmann ehrte sie außerdem durch eine Ansprache und ermahnte die jüngeren Turner zu gleicher Treue und Anhänglichkeit. Eine vorzügliche Bewirtung und ein Tänzchen verschönerten den Abend noch besonders.

11. März 1913
Eine in hiesiger Stadt und weit darüber hinaus bekannte Persönlichkeit, der pensionierte Postschaffner Herr Friedrich Zapf hat am heutigen Tage seinen 80. Geburtstag. Herr Zapf hat viele Jahre die Kinderfürsorge in unserer Stadt verwaltet, weshalb ihm am heutigen Tage von vielen Mündeln die herzlichsten Glückwünsche überbracht wurden.

Vergangene Nacht gegen 2 Uhr mußte der aus Dresden gebürtige Färbereiarbeiter Alfred Max Hammer, der in Wüstenbrand wohnt, zur Wache gebracht werden, da er und ein Kumpan ein Liebespaar durch die Straßen verfolgte, daß sich des Aufdringlichen nur dadurch erwehren konnte, daß es polizeiliche Hilfe anrief. Nachdem Hammers Personalien auf der Polizeiwache festgestellt worden und er entlassen war, verübte er auf der Weinkellerstraße Skandal, leistete allen polizeilichen Weisungen Widerstand und mußte wiederum in Haft genommen werden. Auf dem Transport zur Wache war er äußerst widerspenstig und ließ sich grobe Beleidigungen des Schutzmannes zuschulden kommen.

13. März 1913
In nicht geringe Verlegenheit geriet dieser Tage ein auf der unteren Schulstraße, gegenüber der Heilmannschen Brauerei wohnender älterer Webermeister. Er war in seiner nach dem Garten zu gelegenen Wohnung mit einer Webarbeit beschäftigt, als an ihm vorüber eine Gewehrkugel durch das Fenster pfiff und in die Wand einschlug. Wäre der Mann nur einen Schritt weiter nach rechts getreten, so hätte die Kugel schwere Folgen anrichten können. Leider konnte der leichtsinnige Schütze noch nicht ermittelt werden. Ohne Zweifel hat derselbe nach Sperlingen geschossen, denn im Hofe lag ein solcher angeschossener Vogel.

14. März 1913
Einen dreisten Taschendiebstahl führte gestern ein junger Mensch von hier an einem jungen Mädchen aus, mit dem er durch die Straßen ging. Im Gespräch zog er den Mädchen unauffällig das Portemonnaie, indem sich 7 Mk. befanden, aus der Jackettasche. Der Bursche konnte bald festgenommen werden und gestand nach längerem Leugnen den Diebstahl. Jetzt sitzt er hinter „schwedischen Gardinen“.

Der Mitinhaber der hiesigen Färbereifirma Eduard Beckert, Herr Otto Beckert, hat vor einiger Zeit von Herrn Baumeister Richter im Goldbachgrunde, neben dem sogenannten Marktsteig, ein größeres Grundstück käuflich erworben, um dort eine größere Färbereianlage errichten zu lassen. Der bau wurde Herrn Richter übertragen und man hat bereits mit den Erdarbeiten hierzu begonnen. Die Anlage soll bis Ende Juli fertiggestellt sein. Der Bau eines Wohnhauses soll erst später stattfinden.

16. März 1913
Lang ist es her, daß die Esse des Lampertusschacht das letzte Mal geraucht hat – heute hatte nun ihr letztes Stündlein geschlagen. Unter Leitung des Herrn Höppner aus Lugau, der einen großen Teil der Schachtanlage zum Abbruch erworben hat, wurde die einige 20 Meter hohe achteckige Esse heute mittag umgelegt. Man hatte den Fuß der Esse ausgehöhlt, dann mit hölzernen Streben gestützt, Holz darum geschichtet, dieses mit Petroleum getränkt und dann angezündet. Das Schauspiel hatte eine große Menge angelockt, die trotz des schlechten Wetters geduldig ausharrte, denn ¾ Stunde dauerte es, bis das Feuer seine Wirkung getan und die Sterben verzehrt hatte. Etwa 1 Meter über der Essensohle bildete sich nach einiger Zeit ein Riß, der sich bald mehr und mehr erweiterte, und kurz nach ¾ 2 Uhr senkte sich die Esse langsam zur Seite, um sich in ihrer ganzen Länge in der vorher genau berechneten Richtung umzulegen- Eine mächtige Staubwolke, ein großer Trümmerhaufen, einige auf die Straße geprellt Mauersteine zeugten von der Vernichtung eines Teils des ehemaligen Wahrzeichens unserer Stadt. Der Vorgang vollzog sich ohne jede Störung und ohne jedweden Zwischenfall. Von zahlreichen Photographen wurde der Vorgang auf die Platte gebannt.

Seit einiger Zeit werden Passanten beunruhigt durch einen offenbar unzurechnungsfähigen Mann, der sein Unwesen hauptsächlich in der Gegend zwischen dem „Logenhaus“ und der Aue treibt. Er belästigt hauptsächlich Frauen und Kinder in der schamlosesten Art und scheut auch vor Angriffen auf Männer nicht zurück. Gendarmerie und Polizei sind eifrig auf der Suche nach dem Uebeltäter, haben aber bis jetzt noch nichts feststellen können, da die Angaben der Belästigten über die Erscheinung des Mannes zu unvollständig sind. Als einziges übereinstimmendes Kennzeichen wird angegeben, daß der Mann einen Ueberzieher, darunter eine Hose und über dieser ein Hemd trägt und mit einem heruntergeschlagenen weichen Hut bedeckt ist.

27. März 1913
Pech hatte heute früh ein Gartenbesitzer im Hüttengrund, der mittelst Wagen auf welchem er zwei Schweine hatte, nach der Talstraße fahren wollte. Eines der Borstentiere hatte Freiheitsdrang, sprang vom Wagen und nahm Reißaus, doch wurde es vom Besitzer nach kurzer Jagd wieder eingefangen. Durch das Gequieke wurde aber plötzlich das Pferd unruhig und scheute, bis es auf der Talstraße durch Zurufe stehen blieb. Mit Hilfe eines hinzugekommenen Familienangehörigen konnte dann das mittlerweile wieder entlaufene Schwein nochmals eingefangen und die unterbrochene Fahrt fortgesetzt werden.

*1 Bismarckstraße = heute Friedrich-Engels-Straße
*2 Moltekstraße = heute Immanuel-Kant-Straße

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Februar 1913

7. Februar 1913
Gestern wurde durch die Stadt an der Stra0e am Bahnhofe zwischen dem Preußlerschen Grundstück und dem Hotel „Schweizerhaus“ eine größere Gaslaterne aufgestellt, die mit einer 600kerzigen Niederdrucklampe versehen wurde. Die Lampe verbreitet ein intensives Licht, was im Interesse des regen Verkehrs, der besonders in den Abendstunden am Bahnhofe herrscht, nur zu begrüßen ist.

Man sollte es nicht für möglich halten, was alles gestohlen wird – den Spitzbuben ist doch nichts mehr heilig! Am Sonnabend abend verbreitete die in etwa vier Meter Höhe vor dem Hohenstein-Ernstthaler Warenhause am Teichplatz angebrachte große Osramlampe noch weithin leuchtende Helligkeit und am Montag morgen „glänzte sie durch Abwesenheit“! Ein Dieb, über dessen Persönlichkeit man bisher noch nichts weiß, hat sie herausgeschraubt und mitgenommen, um sie jedenfalls irgendwo zu Gelde zu machen. Zu diesem raffinierten Diebstahl hat er sich einer Leiter bedient, wobei er die Firmentafel aus Glas zerbrach. Die Lampe hatte einen Wert von 30 Mark. Es ist fast nicht gut möglich, daß der Diebstahl so ganz unbemerkt vor sich gehen konnte; es werden alle, die irgendwelche Wahrnehmungen gemacht haben, gebeten, diese der Geschäftsleitung des Warenhauses oder der Polizei mitzuteilen.

9. Februar 1913
Ein bedauerlicher Unglücksfall trug sich am Freitag nachmittag gegen 5 Uhr in der Neustadt zu. Der dort beschäftigte, auf der Oststraße wohnende 28 Jahre alte verheiratete Arbeiter Herrmann Goldschadt, genannt Wolf, hantierte an einem in der Höhe angebrachten Wasserbassin, um das Ventil etwas aufzudrehen. Dabei kam er der Transmission zu nahe, wurde an den Kleidern erfaßt und mehrere Male herumgeschleudert, wobei er an die Wand schlug. Im ersten Augenblick war der Unglücksfall infolge des starken Wasserdampfes, der im Arbeitsraum entstand, nicht bemerkt worden, sodaß man erst beim Aufschlagen des Körpers darauf aufmerksam wurde und die Transmission abstellte. Einige Arbeiter mußten dann den fast leblosen Körper aus der Höhe herunter holen. Der sofort erschienene Arzt Herr Dr. Lange stellte schwere Verletzungen bei Goldschadt fest, so u.a. eine Gehirnerschütterung. Man brachte den Bedauernswerten noch in den zeitigen Abendstunden ins Zwickauer Kreiskrankenstift. Sein Zustand ist besorgniserregend.

11. Februar 1913
Eine kleine Bierreise unternahm am Sonnabend abend ein 18jähriger junger Mann aus Oberlungwitz durch hiesige Stadt. Er fand vielen Gefallen an der tschechischen Sprache und bediente sich derselben in einem hiesigen Restaurant, fand aber bei dem Wirt und den anderen anwesenden Gästen nicht viel Gegenliebe. Da er schließlich noch in flegelhafter Weise auftrat, beförderte man ihn an die frische Luft. Später drohte er, mit einem in der Hand gehaltenen Messer die Leute niederzustechen, und trieb den Radau noch vor dem Restaurant weiter. Kurze Zeit darauf geriet er in der mittleren Stadt mit einigen jungen Männern zusammen, die ihm eine Tracht Prügel verabreichen. Danach besaß er noch die Frechheit, auf der Altstädter Wache Anzeige zu erstatten. Dort wurde aber der Spieß ungedreht und sein Verhalten kam zur Kenntnis, sodaß er zur Anzeige gelangte.

12. Februar 1913
Mit welcher Dreistigkeit oft Kinder vorgehen, zeigt ein gestern hier vorgekommener Fall. Von einem in der mittleren Stadt stehenden Automobil, das für kurze Zeit unbeaufsichtigt dastand, stahlen die Knaben die Signalhupe. Nach längerem Bemühen gelang es dem Führer des Kraftwagens, das gestohlene Gut wieder zu erhalten.

Seitens verschiedener Bewohner des Hüttengrundes ist es beabsichtigt, für industrielle und gewerbliche Zwecke elektrische Kraft dort einzuführen; man hat auch bereits Schritte hierzu mit dem Elektrizitätswerk Oberlungwitz angebahnt.

13. Februar 1913
Die Stadtverordneten beschlossen gestern u.a. eine Stundenvermehrung an der Web- und Wirkschule, den teilweisen Abbruch der Berggebäude von Lampertus und die Instandsetzung des Huthauses zu Wohnzwecken.

An die Einwohnerschaft unserer Stadt ergeht die Bitte – siehe amtlichen Teil -, die gelegentlich der Eröffnung der elektrischen Ueberlandbahn von den Festteilnehmern berührten Straßen durch Beflaggung der Häuser zu schmücken.

18. Februar 1913
Die festliche Weihe der elektrischen Straßenbahn Hohenstein-Ernstthal-Gersdorf-Lugau-Oelsnitz i.E.
Verraucht sind die festlichen Stunden, die am Sonnabend der Weihe unseres neuen, vom Geiste der Zeit getragenen Verkehrsmittels galten, verklungen Wort und Sang, mit denen die neue Verbindung zwischen unserer Stadt und den südlichen Nachbargemeinden begrüßt wurde, und der getreue Chronist hat heute nur noch als Ergebnis des Tages zu buchen, daß von unserer Gegend seit langem kaum ein stimmungsvolleres, von der Anteilnahme Tausender froher Menschen getragenes und ohne jeden Mißton und Unfall verlaufenes Fest gefeiert worden ist, als eben die sonnabendliche Weihe der Straßenbahn. Von ihrer Notwendigkeit mußte jeder überzeugt werden, wenn er sah, wie herzlich die Eröffnungsfahrt von allen Bewohnern der berührten Orte begrüßt wurde, aus wie freudigem Herzen die Huldigungen kamen, die den ersten Wagen entgegen gebracht wurden, wenn er aus dem Munde von jung und alt vernahm, wie froh man allerorten sei, daß endlich die vielberufene Bahn eine Verbindung vermitteln würde, die, seit Jahrzehnten als Notwendigkeit empfunden, doch Jahre brauchte, ehe sie zur Verwirklichung gebracht werden konnte. Vom heutigen Montag ab verkehren die neuen, prächtigen und, was für die Jetztzeit besonders zu bemerken ist, gut erwärmten Wagen nach einem Fahrplan, der vorläufig wenigstens dem Bedürfnis voll entsprechen dürfte. Niemand wird mehr über schlechte oder gar mangelnde Verbindung klagen können, und das Scherflein, das jedem für die Beförderung abverlangt wird, ist so gering, das es auch ein Armer erschwingen kann. Die Furcht vor Finsternis und Schmutz ist geschwunden; im tageshell erleuchteten Wagen merkt man nichts von dem, was man sonst als übel empfinden würde; die alten Omnibusse werden verkauft und die wackeren Rosse, die treu ihre Aufgabe erfüllten, verkautioniert… Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit und neues Leben blüht aus den Ruinen!

27. Februar 1913
Ein schwerer Unfall, der eigenem Verschulden zugeschrieben werden muß, trug sich gestern gegen Abend in den Steinbrüchen unterhalb der Schrebergärten zu. Der 12jährige Knabe F., auf dem Neumarkte wohnhaft, vergnügte sich mit mehreren Altersgenossen an genannter Stelle damit, an den Wänden und steilen steinigen Hängen zu klettern und zu tollen. Dabei stürzte er ab und zog sich außer ziemlich umfangreichen Kopfverletzungen einen Bruch der beiden linken Unterarmknochen zu. Ein Samariter leistete die erste Hilfe und brachte den Verletzten zum Arzt, der sofort einen Verband anlegen konnte. Ob innere Verletzungen vorhanden waren, konnte augenblicklich nicht festgestellt werden. So betrübend dergleichen Fälle an sich sind, so ist doch nicht zu unterlassen, das Beginnen der Jungen in unseren Anlagen aufs schärfste zu tadeln. Fast ist man versucht zu sagen: „Wer nicht hören will, muß fühlen“.

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Januar 1913

03. Januar 1913
Die Neujahrsglockentöne sind verklungen, das „Prosit Neujahr“-Rufen ist verhallt, das Glückwünschen vorüber – wenn nur der zehnte Teil von all dem einträfe, was jedem zum Jahreswechsel an guten und herzlichen Wünschen zum Ausdruck gebracht worden ist, es würde im Jahre 1913 mit ihm sehr gut bestellt sein. Und Glück, das einem von so vielen Seiten gewünscht ward, kann man wahrhaftig immer gebrauchen, mancher glaubt, gar nicht genug davon zu bekommen zu können… Der Übergang vom alten ins neue Jahr ward auch in unserer Stadt nach althergebrachter Art verbracht. Wer noch an alten Volksbräuchen hängt, goß Blei und glaubte dabei an eine besondere Wunderkraft des Silvestertages, andere vergnügten sich im trauten Familienkreise beim dampfenden Punsch, zu dem der Stollen so gut schmeckt, wieder andere empfingen das neue Jahr mit Kling und Klang und Sing und Sang. Als nun von den Kirchtürmen herab das große Klingen anhob, begann allenthalben die mitternächtige Gratulationstour, mehr oder weniger laut erschollen die gegenseitigen Beglückwünschungen auf der Straße und in den Häusern, deren Fenster hell erleuchtet waren und aus denen so mancher dem lebhaften Straßentreiben zusah. Auf dem Altmarkte leitete der Posaunenchor des Jünglingsvereins das neue Jahr mit musikalischen Klängen ein, auf dem Neumarkte gab der „Sängerverein“ dem alten Jahre einen harmonischen Abschied. Beide Veranstaltungen hatten viele Zuhörer angelockt, unter denen sogar die Kleinsten nicht fehlten. Nachdem dann der Glocken letzte Töne verhallt, leerten sich die Plätze und die Silvesterfeiernden suchten die heimischen Stätten auf oder begaben sich in die benachbarten Restaurationen, wo die Feier ihre Fortsetzung fand.

5. Januar 1913
Heute Vormittag in der 10. Stunde fand die erste offizielle Probefahrt auf der elektrischen Straßenbahn von hier nach Gersdorf und Oelsnitz i.E. statt. Der Wagen Nr. 5 war ausersehen, zum erstenmale einen Teil der Strecke zu befahren, um zunächst festzustellen, ob Ober- wie Unterbau den Anforderungen des Betriebes entsprechen. Die Fahrt begann an der Ecke des Beckschen Sägewerks und ging bis zum Gasthof zur „Sonne“ in Gersdorf, da weiterhin noch eine Reihe von Vorarbeiten nötig sind, um die Strecke in vollem Maße betriebsfähig zu machen. An der Fahrt nahmen lediglich die Herren vom Betriebe teil, denen sich Vertreter der Direktion der Bahnbau- und Betriebsgesellschaft in Frankfurt a. M. und der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellchaft in Berlin angeschlossen hatten. An die Ausgestaltung der Bahn wird nunmehr in beschleunigter Weise die letzte Hand gelegt werden sodaß die Leitung der Bahn hofft, dieselbe in ihrem vollen Umfang am 1. Februar d.J. dem Verkehr übergeben zu können.- Anläßlich der heutigen Probefahrt sei auf eine Begebenheit hingewiesen, die daran erinnert, daß man sich schon vor einer Reihe von Jahren in unseren Städten Hohenstein und Ernstthal mit dem Gedanken einer elektrischen Bahn nach dem Lugau-Oelsnitzetr Kohlenrevier befaßte. Es war zum Kommers, der aus Anlaß der stattgefundenen Vereinigung der Städte Hohenstein und Ernstthal am 1. Januar 1898 nachmittags im Schützenhaussaale zu Ernstthal stattfand, zu welchem Vertreter der vereinigten Städte, sowie der staatlichen Behörden zugegen waren. U.a. wurden dabei auch Ansprachen gehalten von so manchen Stadtvertreter und Bürger, die schon lange nicht mehr unter den Lebenden weilen. Auch der jetzt noch lebende Neustädter Mitbürger Herr Buchhändler Eduard Just brachte unter allgemeinen Beifall eine Zukunfts-Chronik von 1898 bis 1998, die verschiedenes Interessante für unsere Stadt Hohenstein-Er. enthielt, zum Vortrag. Sie enthielt u.a. folgende Prophezeiung: „1904, 5. Mai: Heute wurde die elektrischen Bahn Hohenstein-Er.-Gersdorf-Lugau-Oelsnitz auf feierliche Weise eröffnet. Nachdem vor zwei Jahren die Strecke Bahnhof Hohenstein-Er.-Roter Hirsch-Kasino Oberlungwitz-Bahnhof Wüstenbrand dem verkehr übergeben und selbe sehr gut rentiert, glaubt man auch, daß die neue Bahn sehr gute Erträgnisse geben wird.“ Hat sich auch die Prophezeiung des Herrn Just etwas später und nur zum Teil erfüllt, so sieht man doch, daß Herr Just seinerzeit ein guter Prophet war und sein damals gut gelungener Scherz sich doch noch in die Tatsache umgewandelt hat.

8. Januar 1913
Ein Zeuge aus der Gründungszeit der Stadt Hohenstein, der Lampertusschacht, ist nunmehr in den Besitz unserer Stadt übergegangen, und zwar erstand ihn die Stadt gelegentlich der Zwangsversteigerung, die dieser Tage vor dem hiesigen Kgl. Amtsgericht stattfand, für den Preis von 200,95 Mk. Die in Verfall geratenen Schachtanlagen und Stolleneingänge haben unsere Stadt schon mehrfach Ausgaben verursacht, da sie einen Teil des Leitungswassers aus dem Lampertusschacht bezieht.

15. Januar 1913
Durch einen Betrüger geschädigt wurde der Inhaber einer Waschanstalt in der Lungwitzer Straße. Ein junger Mann verlangte dort einen angeblich einem hiesigen Geschäftsmann gehörigen gereinigten Anzug, der ihm seitens der Tochter des Wäschereibesitzers auch ausgehändigt wurde. Später stellte sich der Irrtum des Mädchens heraus, von dem Schwindler hat man aber nichts wieder gesehen.

Eine Flegelei sondergleichen ist gestern abend zwischen 9 und 12 Uhr in der Bismarckstraße in der Nähe des Krankenhauses verübt worden. An einem Wohnhause wurde die Türklinke mit Kot beschmutzt. Es handelt sich höchstwahrscheinlich um einen Racheakt. Der Geschädigte ist gewillt, demjenigen, der den Täter zu bezeichnen vermag, eine Belohnung zuzubilligen.

12. Januar 1913
Ein herber Verlust hat das hiesige Stadtmuseum betroffen. Ein von Gemeinsinn und Opferwilligkeit beseelter, für den Plan eines Stadtmuseums begeisterter Mitbürger hatte ein vollständiges und besonders schönes Zinnservice zur Ausstellung leihweise überlassen, das nun nach seinem Tode den Erben zurückgegeben werden mußte. Sollten sich unter den zahlreichen Zinnsammlern unserer Stadt nicht einige finden, die aus ihren Beständen das eine oder andere Stück leihweise dem Museum zu überlassen geneigt wären. Dadurch käme dieses in die Lage, seinen Besuchern den ehemaligen Gebrauch von Zinngeschirr wieder vorzuführen. Da eine Aufhäufung derartiger Erzeugnisse einer vergangenen Zeit überhaupt nicht im Plane eines Museums liegen kann, das die Liebe und Wertschätzung für das gute und schöne Alte wecken und erhalten will, so müßte es eigentlich möglich sein, die wenigen Stücke, die der Tod eines treuen Freundes und Gönners entführte, auf obige Weise zu ersetzen. Ein Ankauf kann für das Museum bei dessen geringen Mitteln und den hohen Preisen des Zinngeschirr leider nicht in Frage kommen.

22. Januar 1913
In der letzten Zeit geht die hiesige Stadtbehörde mit Recht scharf dem sogenannten Wackel- und Schiebetanz zu Leibe. Am letzten Sonntag mußten seitens der Schutzmannschaft verschiedene Tänzer und Tänzerinnen, diesen Tanz ausübten, auf das Ungesetzliche ihrer Handlungsweise aufmerksam gemacht und ihnen das Tanzen in der oben erwähnten Weise verboten werden. Bei dieser Gelegenheit ist der Hinweis darauf angebracht, daß derartige Uebeltäter, wenn sie das Verbot nicht beherzigen, strenge Bestrafung und schwere Folgen zu gewärtigen haben.

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Juli 1918

3. Juli 1918
Herrn Expedienten Heinrich Emil Hauck wurde aus Anlaß seiner 25jährigen Tätigkeit als Lehrer und gegenwärtig auch als technischer Leiter an der hiesigen Web- und Wirkschule gestern im Beisein des Herrn Stadtrats Müller Gewerbeschuldirektors die städtische Ehrenurkunde durch Herrn Bürgermeister Dr. Patz unter entsprechenden Glückwünschen ausgehändigt. Herr Hauck hat sich nicht nur um die hiesigen Fachschulen, sondern auch um die Allgemeinheit große Verdienste erworben. Die Schule dankt ihm insbesondere eine reichhaltige Lehrmittelsammlung.

04. Juli 1918
Uns wird geschrieben: Zu dem Berichte über die Jubelfeier des Herrn Web- und Wirkschuldirektors Hauck sei noch folgendes hinzugefügt: Herr Hauck ist auch außerhalb unseres Ortes zum Wohle unserer Schule tätig gewesen. Er war ein eifriger Besucher der Versammlungen von Webschulmännern und ist deshalb unter diesen eine Bekannte und geschätzte Persönlichkeit. Das beweisen die Beglückwünschungen, die ihm durch den Vorsteher des Verbandes Sächsischer Textilschulmänner Herrn Direktor Worm, unter gleichzeitiger Ueberreichung einer Erinnerungsgabe ausgesprochen worden waren, ebenso die Glückwünsche, die ihm durch eine Abordnung der Lehrer an der Höheren Webschule zu Glauchau dargebracht wurden. Die Lehrerschaft der hiesigen Gewerbe, Web- und Wirkschule hielt am Montag abend eine kurze Feier in der Schule ab, wobei Herr Gewerbeschuldirektor Jähnig die Verdienste des Jubilars hervorhob und ihm Dank für seine aufopfernde Tätigkeit und Glückwünsche für die Zukunft aussprach. Zum Zeichen der Verehrung wurden ihm von beiden Lehrkörpern Geschenke überreicht.

16. Juli 1918
Durch einen Taschendieb schwer geschädigt wurde heute vormittag auf dem hiesigen Wochenmarkte eine Frau aus der Waisenhausstraße. Aus ihrer Handtasche wurde ihr eine braune Herren-Geldtasche gestohlen, die außer einigem Kleingeld und einer silbernen Denkmünze zwanzig Mark in Papier – drei Fünfmark- und fünf Einmarkscheine – enthielt. In Verdacht der Täterschaft kommt ein 10 bis 12 Jahre alter Schulknabe, mittelgroß und kräftig, der ein bräunliches Jackett trug.

23. Juli 1918
Eine Einbrecherbande ist kurz nach verübter Tat von unserer Polizei dingfest gemacht worden und zwar handelte es sich um die drei Gebrüder Z. aus dem Hüttengrunde, in der Nacht zum Sonnabend bei Herrn Kaufmann Asch in der äußeren Bismarckstraße (heutige Friedrich-Engels-Straße, eine Melkziege, eine junge Ziege und eine Gans gestohlen und die Tiere in einem Felde abgeschlachtet hatten. Ferner ist erwiesen, daß sie auch den Garten des Herrn Stadtrat Ebersbach heimsuchten und dort Zwiebeln und Kohlrabi stahlen. Polizeihunde wurden bei Asch auf die Spur gesetzt, die bis zur Bleicherei Hüttengrund verfolgt ward; hier nahm dann die Polizei die weitere Nachforschung auf, die zur Ermittlung der Täter in dem Augenblick führte, als zwei derselben mit ihrer Buete beladen, heimkehrten und von den Hunden verbellt wurden. Der dritte Einbrecher, der sein Diebesgut nach der in der Oststraße 44 gelegenen Wohnung gebracht hatte, wurde dort festgenommen. Das erbeutete Fleisch konnte Herrn Asch wieder zugestellt werden. Der eine Einbrecher ist Sergeant und mit dem Eisernen Kreuz 1. Kl. ausgezeichnet, der andere hat das Kreuz 2. Klasse

28. Juli 1918
Die Beschlagnahme aller Sonnenvorhänge, Stores u. dgl. in den öffentlichen und Staatsgebäuden steht in den nächsten Tagen bevor. Hieraus verspricht man sich etwa 40 Millionen Meter Stoff, welche zur Bekleidung der Zivilbevölkerung dringend gebraucht werden. Als Ersatz für die weggenommenen Vorhänge sollen Ersatzvorhänge aus Papiergarn gegeben werden, was der Papiergarnindustrie eine willkommene Beschäftigung bieten wird.

30. Juli 1918
Ein bedeutsamer Tag war der gestrige Sonntag für die Trinitatisgemeinde. Im Vormittags-Gottesdienst wurde der vom Landeskonsistorium der Gemeinde als Diakonus vorgeschlagene und vom Kirchenvorstand zu St. Trinitatis gewählte Pastor Herr Johannes Polster aus Budweis durch Herrn Oberkirchenrat Neumann-Glauchau feierlich in sein Amt eingewiesen. Mit herzergreifenden Worten wies der Herr Ephorus den Geistlichen auf sein neues verantwortungsreiches und bedeutungsvolles Amt hin, ihn zu treuer Arbeit und ernster Pflichterfüllung ermahnend. Nachdem Herr Pastor Polster vor der zahlreich versammelten Gemeinde – der Kirchenvorstand und Mitglieder der städtischen Kollegien hatten am Altar Platz genommen, das Gelöbnis abgelegt und durch und durch Handschlag bekräftigt hatte, nach bestem Wissen und Gewissen seines Amtes walten zu wollen, überreichte mit herzlichen Wünschen, Herr Bürgermeister Dr. Patz, namens der Kircheninspektion, dem Eingewiesenen die Berufungsurkunde. Geleitet von den Segenssprüchen des Herrn Ephorus und des Herrn Pfarrer Schmidt, übernahm der Eingewiesene den Dienst am Altar und hielt sodann die Predigt über 1. Korinther 2, 2 mit der Auslegung: „Jesus Christus, der Gekreuzigte, er ist unsres Glaubens Grund, unsres Lebens Kraft und unsres Todes Trost“. Mit allen Kräften wolle er – so versicherte der Redner – der Gemeinde dienen, und bat, ihm volles Vertrauen entgegenbringen zu wollen. Dem Lebenslauf des neuen Geistlichen entnehmen wir: Geboren am 14. September 1883 als 4. Kind eines Eisenbahnobersekretärs in Leipzig, genügte er seiner Schulpflicht daselbst, besuchte dann das Wettingymnasium zu Dresden, studierte in Berlin, Leipzig und Straßburg, legte 1910 seine erste theologische Staatsprüfung ab, wurde am 1. Oktober 1910 Pfarrer in Budweis und bestand 1912 die zweite theologische Prüfung; im März 1913 Aussig ordiniert, vertauschte er seine bisherige anstrengende Tätigkeit in der österreichischen Diaspora mit dem Predigtamt in der Heimat. Möge sein Wirken in der Trinitatisgemeinde ein gesegnetes sein! Umrahmt wurde die Predigt vom Gesang der Gemeinde und des Kirchenchores und war verbunden mit einer Gedenkfeier für sechs auf dem Felde der Ehre gebliebene oder in der Heimat verstorbene Kriegsteilnehmer. Zu ihrem Ehrengedächtnis sang der Kirchenchor die Mottete: „Selig sind des Himmel Erben“.

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Juni 1918

1. Juni 1918
Viel beobachtet wurden die Flugübungen, die gestern abend zwischen 6 und 7 Uhr ein Flieger in wechselnder Höhe zwischen hier und Gersdorf unternahm. Im Sonnenlichte glänzte das Flugzeug bei bei jeder Wendung. Die Uebungen waren lange Zeit gut zu beobachten. Gegen 8 Uhr zog ein Flugzeug in geringer Höhe über der Stadt nach dem Pfaffenberge zu. Ueber eine Landung des letzteren, von der man vielleicht sprach konnten wir nichts erfahren.

2. Juni 1918
Sein 25jähriges Dienstjubiläum konnte heute der Leiter unserer Sicherheitspolizei Herr Oberwachtmeister Noack begehen. Er wurde von Herrn Bürgermeister Dr. Patz im Beisein des Herrn Stadtrat Anger beglückwünscht und durch Aushändigung einer Ehrenurkunde sowie Geschenk erfreut. Die Rats- und Polizeibeamten brachten ebenfalls ihre Glückwünsche durch Ueberreichung eines Geschenkes zum Ausdruck. Auch wir möchten an dieser Stelle dem verdienten Beamten, der sich der Presse gegenüber teils sehr entgegenkommend gezeigt hat, unsere besten Wünsche für die weiteren Dienst- und Lebensjahre übermitteln.

8. Juni 1918
Wie in anderen Städten, wo Standbilder zur Erinnerung an große Männer errichtet worden sind und die laut Verfügung der Beschlagnahme verfallen, um Mittel zur Verteidigung des Vaterlandes zu gewinnen, ist nun auch unser Kaiser-Wilhelm-Denkmal diesem Zwecke geopfert worden. Anlässlich der 20jährigen Sedanfeier wurde das Denkmal, das die Bürgerschaft errichten ließ, auf dem Altmarkt vor dem Rathause geweiht. Beim Umbau des letzteren und der Umgestaltung des Altmarktes 1905 wurde das Denkmal, da es nicht mehr in die veränderte Marktlage paßte, in den Anlagen vor dem Königl. Amtsgericht gesetzt, wo jetzt nur noch das Postament mit der Inschrift die Vorübergehenden an den großen Kaiser Wilhelm I. erinnert.

9. Juni 1918
Eine hochherzige Anerkennung treuer Pflichterfüllung ward Herrn Werksführer Max Nobis zuteil, der seit nunmehr 25 Jahren seinen Posten im Betriebe der Firma Robert Meisch vorsteht, gegenwärtig aber im Hilfsdienst in den Wanderer-Werken tätig ist. Der Firmeninhaber Herr Fabrikant Ernst Misch, ließ seinem treuen und pflichtseifrigen Angestellten einen Betrag von 2500 Mk. als Geschenk zugehen.

11. Juni 1918
Am Sonnabend abend wurde ein tags vorher aus der Strafanstalt entlassener Bursche, welcher in das Gartengrundstück des Herrn Emil Beck eingestiegen war, um einen Raub auszuführen, ein Schuppentor und dann einen Schrank erbrochen hat, vom Besitzer, welcher schon längst auf ihn gefahndet, selbst gefaßt und einem Schutzmann übergeben.

17. Juni 1918
Im Laufe voriger Woche sind einer in der Neustadt wohnenden Geschäftsreisenden von einem bisher noch unermittelten Mann, der mittels Nachschlüssels in die Wohnung eingedrungen war, für rund 500 Mark Sachen gestohlen worden.

26. Juni 1918
Gestern abend in der 8. Stunde ließ sich oberhalb des „Logenhauses“ auf freier Bahnstrecke der 40jährige Handarbeiter Adolf Uhlig, Chemnitzerstraße 31 wohnhaft, von einem Zuge überfahren. Der Leichnam des Lebensmüden, der Witwer war und zwei Kinder hinterläßt, wurde nach der Leichenhalle des Trinitatisfriedhofes gebracht. Wie uns von anderer Stelle mitgeteilt wird, liegt die Vermutung eines Unglücksfalls nahe, U. fast taub war.

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