Oktober 1912

05. Oktober 1912
Einen schweren Unfall erlitt gestern ein hiesiger Einwohner, Herr Färber Böttcher, auf der Goldbachstraße. Er wurde von einem jedenfalls ohne Licht in schnelligster Fahrt daherkommenden Radfahrer umgerissen und stürzte derartig schwer, daß er einen Bruch des Schlüsselbeins und stark blutende Verletzungen am Kopfe erlitt. Infolge des Anpralls mußte auch der Fahrer sein Rad verlassen, er eilte aber dann, ohne sich weiter des Schwerverletzen anzunehmen, unerkannt nach der Stadt davon.

08. Oktober 1912
Herrn Lehrer Heinig war es heute vergönnt, auf eine 25jährige Tätigkeit im Lehramte zurückblicken. Zu diesem Zwecke hatte sich heute Vormittag mit dem Herrn Bürgermeister Dr. Patz als Vertreter der Stadt, Herrn Stadtrat Müller als Vorsteher des Schulausschusses und Herrn Schuldirektor Dietze das Lehrerkollegium zu einer schlichten Feier versammelt. Herr Bürgermeister Dr. Patz gratulierte dem Jubilar, der die erste Knabenklasse leitet, namens der Stadt wie des Schulausschusses und betonte als Resultat der Erziehungsarbeit, daß wohl alle Schüler diesem Lehrer dankbar sein würden, da er stets bestrebt sei, sie vorwärtszubringen. Herr Direktor Dietze erinnert daran, daß er in den zwei Jahrzehnten seiner direktorialen Tätigkeit elfmal Gelegenheit gehabt hätte, Glückwünsche zum 25jährigen Lehrerjubiläum darzubringen – heute werde es wohl das letzte Mal gewesen sein. Dem Jubilar gratulierte er aufs herzlichste, dankte ihm für seine treue Arbeit und wünschte ihm, daß er noch viele Jahre im Dienste der Schule tätig sein könnte. Herr Lehrer Heinig dankte allen für die Beglückwünschung. Gerade in einer Zeit, da die Bestrebungen der Lehrer oftmals falsch verstanden werden, tue die ihm zuteil gewordene Anerkennung besonders wohl. Er verspreche, soweit seine Kräfte reichen, jederzeit weiter arbeiten zu wollen zum Wohle der Jugend. Vom Schulausschuß ward der Jubilar mit einem vom Herrn Musterzeichner Baumgärtel ausgeführten Diplom, von der Bezirksschulinspektion mit einem Glückwunschschreiben ausgezeichnet, während das Lehrerkollegium ihm zu dauernden Gedenken ein wertvolles Silbergeschenk übermittelte.

Ein frecher Diebstahl wurde gestern Sonntag kurz nach 8 Uhr abends in der Paul Elsterschen Eisenhandlung in der Dresdner Straße verübt. Dort hat ein Unbekannter mit einem Stein eine Schaufensterscheibe eingeschlagen und aus der Auslage zwei Revolver gestohlen. Als Täter kommt ein jedenfalls noch fortbildungsschulpflichtiger Bursche in Frage, der von schmächtiger Statur und etwa 1,55 Meter groß sein soll. Er trug einen gelben, mit schmalem blauem Band versehenen Strohhut, dessen schmale Krempe rechtsseitig herabgedrückt war. Diesen Hut hat er bei seiner Flucht am Tatorte verloren. Passanten, die etwa Wahrnehmungen gemacht haben, die zur Ermittlung des Täters führen könnten, wollen diese Angabe bei der Polizeiwache anbringen.

10. Oktober 1912
Im Materialwarengeschäft von Albert Engler, Ecke Logen- und Lungwitzer Straße, wurde am Montag Vormittag zwischen 11 und 1/412 Uhr aus der nichtverschlossenen Ladenkasse ein rundes, aus Rohr geflochtenes Körbchen in der Größe eines Aschenbechers und 3 Mk. Nickelgeld gestohlen. Zur Ermittlung des Täters bietet sich vorderhand sein Anhalt. Die Polizei nimmt sachdienliche Wahrnehmungen entgegen.

17. Oktober 1912
Ein schwerer Unfall ereignete sich gestern auf dem Güterbahnhof beim Abladen von Schienen für die elektrische Bahn. Dem dabei beschäftigten Arbeiter Karl Bernhard Schmidt, der aus Plauen gebürtig ist und hier auf der Limbacher Straße wohnt, stürzte eine Schiene auf den Unterschenkel und zerschlug ihm das Schienbein. Der Verunglückte fand Aufnahme im hiesigen städtischen Krankenhause,

Am Montag hielt ein junger Mensch Einkehr im Weinrestaurant „Zum Niersteiner“. Eine kurze Weile des Alleinseins benutzte er dazu, aus dem Grammophon die Membrane zu stehlen, die einen Wert von 8-10 Mark besitzt. Als dann die Wirtin erschien, bei der er einen Schoppen Wein bestellte, wollte sie ihrem Gaste ein wenig Unterhaltung verschaffen und den Apparat spielen lassen. Schnell wehrte der einsame junge Gast aber ab; er sei kein Freund von Musik und die Wirtin möge sich seinetwegen nicht bemühen. Er hatte auch ganz besondere Eile, um bald wieder fortzukommen, trank seinen Schoppen leer und verließ das Lokal. Erst später wurde sich die Wirtin darüber klar, weshalb der junge Mann „die Musik nicht liebte“.

24. Oktober 1912
In der Nacht zum Dienstag gegen 3 Uhr hat ein Unbekannter von der Schulstraße aus der Einfahrtstor zum Grundstück der Althändlerin Fischer überklettert, ist auf das platte Dach eines Schuppens gestiegen und hat dann eine Fensterscheibe um Seitengebäude eingedrückt. Durch das Erwachen der Hausbewohner ist der Täter, der hier zweifellos einen Diebstahl geplant hatte, gestört worden und eiligst geflüchtet; er entkam leider unerkannt, ehe die Hausbewohner die Verfolgung aufnehmen konnten. Da, wie wir hören in dieser Nacht auch in Rabenstein eingebrochen worden ist, gewinnt es den Anschein, als würde unsere Gegend wiederum von lichtscheuem Gesindel beunruhigt; Vorsicht ist daher am Platze.

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