Mai 1917

5. Mai 1917
Einen sehr empfindlichen Verlust erlitt ein hiesiger Einwohner, der auf der Lutherstraße einen Beutel mit 111 Mark – einen 50 Mark Schein und kleineres Papiergeld – verlor. Eine Frau beobachtete, wie ein Schnürsenkelhändler den Fund aufhob. Den Mann hat man aber bisher nicht ermitteln können; er ist etwa 40-50 Jahre alt, von hagerer, mittelgroßer Gestalt, trägt braunes Jackett, schwarzgestreifte Hose, weichen braunen Filzhut und führt eine schwarze Wachstuchtasche mit Waren mit sich. Wer nähere Angaben über den Händler machen kann, wolle diese der Polizei mitteilen.

10. Mai 1917
Die hiesige Sitzung der Stadtverordneten währte in ihrem öffentlichen Teile nur eine halbe Stunde. U.a. wurde ein Berechnungsgeld in Höhe von 1000 Mark für die Heranschaffung von Butter erbeten und bewilligt, ebenso ein Berechnungsgeld von 7000 Mark für einen zweiten Posten Heeresnäharbeit.Die hiesigen Herren Ärzte teilten mit, daß ihnen die Verhältnisse nicht mehr gestatten, der Stadt einen Nachlaß von 20 v.H. für die Behandlung der Kriegerangehörigen und Arbeitslosen zu gewähren; man willigte darein, künftig diese Forderungen voll zu bezahlen.

17. Mai 1917
Unter den Gastwirtschaften unserer Stadt nimmt das „Logenhaus“ mit seinem prachtvollen Konzertgarten unstreitig den ersten Rang ein, und von weit und breit stellen sich die Besucher ein. Guten Zuspruch erfreut sich auch „U-Kaffee“. Die Bewirtung entspricht allen seitens der Gäste geäußerten Wünsche.

20. Mai 1917
Einbrecher sind in den letzten Tagen und Nächten mehrfach hierorts tätig gewesen. Hausbesitzer möchten deshalb, um sich und ihre Mieter vor größerem Schaden zu bewahren, erhöhte Vorsicht walten lassen und die Türen so sichern, daß sie unberufenem Einwirken Widerstand zu leisten vermögen. In der Nacht zum Freitag hat ein Einbrecher in der Teigwarenfabrik von Wüstner arg gehaust. Mit einer Radehacke wuchtete er eine Tür auf und zertrümmerte dann ein Doppelfenster, umso Eingang zum viertel Zentner Weizenmehl in die Hände fielen. Dann hob er ein Kellerfenster aus, stieg auf einer Leiter hinunter, wuchtete die Beschläge der der Kellertür ab und gelangte in die Hausflur, von wo er eine versandfertige Kiste mit einem halben Zentner Nudeln mitnahm. Die Spuren, die durch den Lieberknechtschen Garten führen, weisen auf die Benutzung eines Handwagens hin. Weiterhin gelang es einem Diebe, jedenfalls nach Einschleichen in das Haus an der Conrad-Clauß-Straße, Zugang zum keller zu erhalten, an dessen Tür der Schlüssel steckte. Er durchsuchte vier verschiedenen Abteilungennach Lebensmitteln, fand aber nur ein halbes Stückchen Butte, das er mitnahm. In einem dritten Falle führten Spuren eines Diebes durch ein Gartengrundstück in derselben Gegend. Hier hatte es der Spitzbubejedenfalls auf Hühner abgesehen. Entweder ist er in seinem Vorhaben gestört oder der Beschluß des Stalles hat seine Bemühungen, sich Zugang zu verschaffen, widerstanden.

24. Mai. 1917
Herrn Emil Kiesewetter und Herrn Otto Zapf, Strumpfwirker bei der Firma Börner, hier, wurde heute vormittag 11 Uhr durch Herrn Bürgermeister Dr. Patz im Beisein des Firmeninhabers Herrn Stadtrat Börner die städtische Ehrenurkunde für 25jährige Treue verliehen.

Wie erst jetzt bekannt wird, machte sich vor einigen Tagen hier eine Windhose bemerkbar. Sie hob in der am Poetenweg liegenden Gärtnerei des Herrn Oberlehrer Sebastian das Dach des Gewächshauses in die Höhe, wodurch eine größere Anzahl Glasscheiben zerschlagen und wertvolle Pflanzen beschädigt wurden.

25. Mai 1917
Eine seltene Auszeichnung, wie sie unseres Wissens hierorts zum erstenmal zu verzeichnen ist, wurde Herrn Ernst Opitz, Sohn des Herrn Buchhändler Opitz hier, zuteil. Ihm ging folgende Urkunde, vom König vollzogen, zu: „Wir Friedrich August sprechen dem Vizefeldwebel im Infanterie-Regiment Nr. 181 für die im Weltkrieg vor dem Feinde geleisteten guten Dienst besondere Anerkennung aus. Dresden, am 2. Mai 1917. Friedrich August, Viktor v. Wilsdorf.- Wir übermitteln dem Braven, dem dieser Beweis königlicher Huld ein neuer Ansporn zu weiterer ehrenhafter Bestätigung sein wird, unsere besten Wünsche.

30. Mai 1917
Ueber eine in der Altstadt wohnende Familie ist jetzt schweres Herzeleid gekommen. Die noch junge Ehefrau eines im Felde stehenden Wirkers unternahm in den letzten Tagen zweimal einen Selbstmordversuch. Erst atmete sie Leuchtgas ein, konnte aber durch sofortige Hilfsmittel zurück ins Leben gerufen werden, dann versuchte sie sich die Pulsader zu öffnen; das rechtzeitige Hinzukommen ihrer Mutter vereitelte ihr Vorhaben. Die Bedauernswerte unternahm diese Schritte aus Schwermut und in einem Anlasse von Nervenleiden. Am zweiten Feiertage geriet nun die Bedauernswerte wieder in Raserei und bedrohte ihre Angehörigen, sodaß man sie sofort ins hiesige Krankenhaus überführen musste.

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