April 1917

01. April 1917
Bei Hochzeiten, Kindstaufen und Begräbnissen werden sehr oft Anträge auf Zuweisung von Lebensmitteln gestellt. Wie uns von amtlicher Stelle mitgeteilt wird, können derartige Gesuche, so verständlich sie auch erscheinen mögen, jedoch nicht berücksichtigt werden, da für solche Zwecke Lebensmittel nicht zur Verfügung stehen. An die Einwohnerschaft wird deshalb die Bitte gerichtet, in Berücksichtigung der gegenwärtigen Lebensmittelknappheit und im vaterländischen Interesse von dem Ausrichten von Festtafeln oder sogenannten Begräbnisbrote abzusehen.

Recht flegelhaft benahmen sich gelegentlich der Entlassungsfeier der obligatorischen Fortbildungsschule zwei Schüler, die mit zur Entlassung kommen sollten. Kurz vor der Entlassung selbst rauchten sie im Schulzimmer Zigaretten. Dies ungebührliche Verhalten, das man wohl nur mit Frechheit bezeichnen kann, hatte zur Folge, daß die beiden, die sich bereits der Schulzucht entwachsen wähnten, nicht mit zur Entlassung kamen; sie werden sicher auch noch eine Bestrafung zu gewärtigen haben.

Nach wertvollem Gut hat ein Einbrecher vergeblich gesucht, der in der letzten Nacht durch Eindrücken einer Fensterscheibe sich Eingang in die Reinhardsche Seidenfabrik an der Schönburgstraße verschaffte. Er hat alle halbfertigen Waren anscheinend nach Rohseide durchwühlt, aber nichts gefunden. Ohne etwas mitzunehmen, hat sich der Verbrecher wieder entfernt.

08. April 1917
Großer Beliebtheit in allen Kreisen unserer Bevölkerung erfreuen sich die Festtagsveranstaltungen unseres Turnerbundes. Auch am morgigen Ostersonntag soll wieder eine große abendliche Aufführung im Altstädter Schützenhause geboten werden, in deren Mittelpunkt das Neßmüllersche Liederspiel „Die Zillertaler“ steht. Auch sonst bringt die Spielfolge viel Schönes an Unterhaltendem, sodaß sich ein Besuch der Aufführung lohnt
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14. April 1917
Unvorsichtiger Umgang mit Streichhölzern oder Zigarren hatte gestern abend in den Seidelberganlagen die Böschung an der über den Parkweg führenden Brücke und auch schon diese selbst in Brand gesetzt, der leicht einen größeren Umfang hätte annehmen können, wenn er nicht von einem in der Nähe wohnenden hiesigen Einwohner bemerkt und mit einigen Kannen Wasser gelöscht worden wäre. Es sei daher an alle, die im Freien mit Feuer umgehen, die dringende Mahnung gerichtet, recht vorsichtig zu sein, da gerade in der Jetztzeit das dürre Gras, das noch nicht vom frischem Grün bedeckt ist, außerordentlich rasch in Brand gerät, was an Wald und Feld unabsehbaren Schaden anrichten kann.

17. April 1917
Von der Allgemeinheit öffentlich unbemerkt vollzog sich in der vergangenen Nacht der Uebergang zur Sommerzeit. Es ist nicht jedermanns Geschmack, sich um 2 Uhr nachts vors Rathaus zu stellen und aufzupassen, wenn die Zeiger der Stadtuhr den großen Ruck nach vorwärts machen. So hat also der friedliche Schläfer diesen Wandel derzeiten kaum gemerkt, und auch im Handel und Wandel macht sich der eigenwillige Eingriff in die „göttliche Weltordnung“ so gut wie gar nicht bemerkbar. Es geht nach wie vor alles seinen gewohnten Gang.

26. April 1917
Ein weißer Rehbock hält sich gegenwärtig im Fürstlichen Walde zwischen „David“ und Langenberg auf. Unbekümmert um den oft regen Verkehr auf der Landstraße bewegt sich das anmutige Tier auch auf den an die Straße angrenzenden Feldern und Wiesen. Hoffentlich fällt es nicht einem eifrigen Nimrod gleich bei dessen erstem Pirschgang zum Opfer.

28. April 1917
Von der Fa. Aug. Clauß, hier, erhielten gestern durch Herrn Bürgermeister Dr. Patz im Beisein des Herrn Fabrikmitbesitzer Carl Vetter das tragbare Ehrenzeichen für Treue in der Arbeit ausgehändigt die Leiterin Auguste Clara Lehmann geb. Wendekamm, der Wirker Friedrich Ferdinand Vogel, der Wirker Carl Hermann Claus und der Hausmann Heinrich Emil Lorenz; die städtische Ehrenurkunde für 25jährige ununterbrochene Tätigkeit der Wirker Heinrich Hermann Holzacker, der Wirker Oswald Franz Löffler, der Wirker Carl August Rehm, der Werkführer Richard August Neubert, der Reparaturschlosser Friedrich Aug. Franz Thiemig und die Spulerin Anna Marie Münch, geb. Franke. Dieser staatlichen und städtischen Würdigung treuer, langjähriger Pflichterfüllung an derselben Arbeitsstätte fügte die Firma für die Ausgezeichneten wertvolle Geschenke in Uhren oder Geld hinzu. Bisher ist von der Firma Aug. Clauß vierzehn das tragbare Ehrenzeichen für dreißig- und mehrjährige, dreißig die städtische Urkunde für fünfundzwanzigjährige Tätigkeit in ihrem Hause verliehen worden.
Noch vor kurzem hieß es, daß unser Bethlehem-Stift im Hüttengrund für dieses Jahr aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen bleiben müsste. Jetzt sind aber alle Schwierigkeiten, die sich den Weg stellen, überwunden, denn die staatlichen Behörden haben die Verpflegung sichergestellt. Am 16. Mai hält die erste Kinderschar ihren Einzug.

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