Juni 1912

02. Juni 1912
Morgen vollenden sich 50 Jahre, daß im Hüttengrund auf dem sogenannten Schlackenweg die Frau Christiane Friederike Friedrich, geb. Sonntag aus Pfaffenhain vom Blitze erschlagen wurde. Die Angehörigen der Frau ließen zum bleibenden Gedächtnis am Schlackenweg, neben dem jetzigen Grundstück des Herrn Privatmanns Ebersbach, einen einfachen Stein setzen, der noch heute mit folgenden eingehauenen Worten Kunde von dem Unglück gibt: „800 Fuß von hier wurde am 2. Juni 1862 Frau Christ. Friederike Friedrich, geb. Sonntag aus Pfaffenhain vom Blitze erschlagen.“ Der Stein hatte durch den Zahn der Zeit sehr gelitten, wurde aber vor einigen Jahren durch die Nachkommen der Frau erneut in Stand gesetzt. Glücklicherweise ist seit diesen 50 Jahren kein weiterer derartiger Unglücksfall in unserer Stadt zu verzeichnen gewesen; ein Verweis, daß die Blitzgefahr doch nicht so groß ist, als man allgemein glaubt.

05. Juni 1912
Gestern nachmittag verunglückte auf der Dresdnerstraße, unweit der Breitestraße, ein von der Arbeit heimkehrender Radler dadurch, daß ihm ein Hund ins Rad lief. Im selben Augenblick kam ein anderer Radfahrer die Straße entlang, beide stießen zusammen und wurden auf die Straße geschleudert, ohne zum Glück nennenswerte Verletzungen davonzutragen. Leider wurde des ersteren Rad so beschädigt, daß er dasselbe dem Besitzer des Hundes zur Verfügung stellte und ihn schadenersatzpflichtig machen will.

06. Juni 1912
In außerordentlich gefährliche Lage befand sich ein etwa 12jähriger Knabe, der gestern nachmittag gegen 4 Uhr an der Einmündung der Schubertstraße die Lungwitzer Straße auf dem Rad hinabfuhr, als, erst im letzten Augenblick das Hupensignal gebend, ein auswärtiges Automobil um die Ecke an der „Linde“ fuhr. Der Knabe fuhr mit kräftigem Anprall an das Auto und er selbst fiel auf den Vorderbau des Fahrzeuges, dadurch der Gefahr des Ueberfahrenwerdens entgehend. Das Fahrrad kam unter ein Vorderrad des Autos und ward bös mitgenommen, dem Auto wurde der Kühler zertrümmert. Der noch glimpflich abgelaufene Unfall konnte nur deshalb geschehen, daß das Automobil die Kurve gar zu kurz nahm und so dem jugendlichen Radfahrer keine Gelegenheit zum Ausweichen gegeben war.

11. Juni 1912
Den Drang nach Freiheit verspürte gestern nachmittag auf dem Schützenplatz ein Affe eines dortigen Schaustellers. Das Tier schlüpfte eilends durch die Zuschauermenge und nahm über mehrere Zäune der Schützenstraße Reißaus, wo er sich dann im Hühnerstall des Herrn Fleischermeisters Richter verkroch. Das Tier erfreute sich jedoch nicht lange der goldenen Freiheit, denn es wurde schließlich von Angestellten des Schaustellers gefangen und angekettet. – Auf der Rutschbahn trug sich gestern nachmittag ein bedauerlicher Unglücksfall zu. Der 13 Jahre alte Knabe eines in der Neustadt wohnenden Fabrikwebers geriet beim Abrutsch mit einer Hand zwischen eine Welle und den Riemen, wobei er sich zwei Finger schwer verletzte. Der Verunglückte wurde vom Besitzer sofort zu einem Arzt gebracht.

21. Juni 1912
Die „Rote Acht“ kann heute ein Jubiläum begehen: Während Herr Schmiedemeister Mehnert im Jahre 1886 als erstes das jetzt Bohnesche Haus erbaute, wurden die sieben anderen Anwesen alle ein Jahr darauf also vor 25 Jahren errichtet. Sechs davon sind noch in den Händen der damaligen Bauherren. Mit der Errichtung dieser Häuser wurde der ganzen Umgebung, die mit dem gegenüberliegenden alten Gottesacker und dem bewaldeten Höhenzug, der jetzt die „Rote Achte“ trägt, einen einsamen, in der Nachtzeit fast furchterregenden Charakter trug, ein neues Gesicht aufgedrückt, das mit der Schaffung der Parkanlagen ein noch viel schöneres wurde. Ein glücklicher Zufall will es, daß im heurigen Jubiläumsjahre die letzte der Baustellen belegt wird. Der hier entstehende Bau bedeutet fürs Ganze einen endgültigen hübschen Abschluß, der auch dem Meinsdorfer Weg, als dem Aufstieg zum Berg, zustatten kommen wird.

22.06.1912
Durch den Bau eines zweiten Zwölffamilienwohnhauses an der Bismarckstraße und dem sogenannten Schlackenweg, welches die Baugenossenschaft gegenwärtig ausführen läßt, mußte bekanntlich der Schlackenweg am oberen Teil weiter nach dem Martin Lutherstift verlegt werden und so entspann sich über den Weg in der letzten Stadtverordnetensitzung eine umfangreiche Debatte. Vor einigen Tagen hat nun die Baugenossenschaft den seitherigen Weg ganz verschlossen und dafür den neuen Weg direkt durch ihr Grundstück gelegt, wodurch das dortige Straßenbild ein verändertes und weit gefälligeres geworden ist. Der Schlackenweg geht nun zwischen dem 1. Wohnhaus der Baugenossenschaft und der Selbmannschen Villa durch, durchschneidet das Grundstück des Landwirts Bauer unterhalb dessen Scheune und mündet mehr in gerader Linie in den alten unteren Schlackenweg ein. Auf dem Genossenschaftsgrundstück wurde der neue Weg auf Vereinskosten mit Packlager versehen, während der Teil am Bauerschen Grundstück auf Stadtkosten hergerichtet wird. Durch die Verlegung ist der Weg nun etwas kürzer geworden, was von Nutzen für Passanten ist.

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