Juli 1910

02. Juli 1910
Ein erregter Auftritt entstand gestern an der Verbindungsstraße vom Kroatenweg nach dem Neustädter Schützenhause. Der Bauunternehmer Frinzel hatte diesen Weg eigenmächtig gesperrt und sich den Passanten gegenüber recht ungebührlich benommen. Als man Polizei herbeiholte, um ihn in die Schranken zu weisen, wurde er, wie uns Augenzeugen berichten, auch dieser gegenüber ausfällig. Fr. wurde, wie wir hören, zur Prüfung seines Geisteszustandes ins städtische Krankenhaus gebracht.

05. Juli 1910
Ein bedauerlicher Unglücksfall trug sich gestern nachmittag auf der Limbacherstraße zu. Während die 16 Jahre alte Tochter des dort wohnenden Expedienten Franke eine häusliche Arbeit verrichtete, explodierte die Spirituskanne, in der sich ca. ¾ Liter Brennspiritus befand. Der brennende Inhalt sprang auf das bedauernswerte Mädchen über, sodaß dieselbe im Moment über und über brannte. Zum Glück kam ein Nachbar hinzu, der die Flammen mit einer Decke erblickte. Doch hat die Bedauernswerte so schwere Brandwunden am Körper und den Händen erlitten, daß man sie ins hiesige Krankenhaus überführen mußte. Ihr Zustand ist sehr bedenklich.

Empfindliche Verluste hatten heute auf dem Wochenmarkte zwei hiesige Frauen zu beklagen: Eine Resterhändlerin vermißte ein Portemonnaie mit 25 Mk. Inhalt und einer Marktbesucherin ist ein solches mit reichlich 5 Mk. Inhalt abhanden gekommen. Ob Diebstahl oder eigene Unvorsichtigkeit der Verlustträgerin in Frage kommt, ist noch nicht festgestellt. Der letztgenannten Frau war bereits vor acht Tagen ein eigenartiges Mißgeschick passiert: Im Gespräch mit einer anderen Frau vermißte sie auf einmal ihr Portemonnaie Nachdem sie der Polizei ihren Verlust gemeldet, bemerkte sie, daß sie mittlerweile ihren Schirm an einem anderen Verkaufsstande stehen ließ; und als sie den in die Hand nahm, fand sie in dessen Inneren das vermißte Portemonnaie mit dem unberührten Inhalt.

09. Juli 1910
Einen recht häßlichen Auftritt verursachte der in der Chemnitzer Straße wohnhafte Färbereiarbeiter Böttger, der in der Trunkenheit seine Familie mit Erschlagen bedrohte und in seiner blinden Wut sich derartige Ausschreitungen schuldig machte, daß sich die Nachbarschaft aufs höchste darüber empörte und Polizei zu Hilfe rief. Dieser gegenüber benahm sich B. gleichfalls sehr renitent und setzte das Skandalieren fort. Ein Schutzmann vermochte nicht des Wüterichs Herr zu werden, und erst als ein zweiter Polizist mit zugriff, konnte B. arretiert werden.

12. Juli 1910
Signor Saltarino (Herr Hermann W. Otte in Düsseldorf) der von Hohenstein gebürtige Schriftsteller des fahrenden Volkes hat der hiesigen Volksbücherei zu den bereits vorhandenen Bändchen 4 weitere Bände seiner Werke überwiesen. Es sind dies „Fahrend Volk“, „Abnormalitäten“, „Unter Flittern“, Artistengeschichten, und „Zirkusblut“, Artistengeschichten.

Einen großen Menschenauflauf verursachten gestern nachmittag zwei Kampfhähne, die sich bei den Friedhofsanlagen an der Dresdner Straße nach vorhergegangenen Wortwechsel balgten. Der häßliche Auftritt fand seine Fortsetzung beim Bad Ernstthal, dann machten die Raufbolde, gefolgt von einer großen Schar „Schaulustiger“, die Hermannstraße zum Schauplatz ihrer Tätlichkeiten und setzten diese auch in der Breitestraße fort. Das Ende vom Liede war – jeder der beiden wollte der Einsichtigere sein – daß sie sich gegenseitig nach der Polizeiwache führten. Einem von den Krakeelen gab die Polizei vorläufiger Unterkunft.

19. Juli 1910
Am morgigen Dienstag begeht hier ein Ehepaar das Fest der goldenen Hochzeit, dem man in allen Kreisen unserer Bürgerschaft wärmste Sympathie und Wertschätzung entgegenbringt; es ist dies Herr Stadtrat Zeißig und Frau geb. Branco. Nicht gering wird die Zahl der Gratulanten sein, die dem Jubelpaar morgen die herzlichsten Glück- und Segenswünsche für einen glücklichen und friedvollen Lebensabend übermittelt, und diesen Gratulanten schließen auch wir uns gern und freudig an. Ist doch der Jubilar einer mit von den Männern, die man als die um unser städtisches Gemeinwesen verdiensteten ansprechen darf. Daß Herr Zeißig in jahrelanger ersprießlicher Tätigkeit auf kommunalen Gebiet sein Bestes einsetzte, weiß jeder, der die Entwicklung unserer Stadt auch nur einigermaßen kennt; seine großen Verdienste fanden denn auch an zuständiger Stelle verdiente Würdigung, und auch den kommenden Geschlechtern wird die Zeißig-Stiftung, die Benennung einer Straße nach seinem Namen u.a.m. diesen Mann nicht vergessen lassen.

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