September 1914

1. September 1914
Von Pilzsuchern erhängt aufgefunden wurde am Sonnabend im Walde, unweit des Restaurants „Fichtental“ der in den 50er Jahren stehende auf der Chemnitzerstraße wohnende verheiratete Färbereiarbeiter Heinrich F. Der Bedauernswerte war seit einiger Zeit arbeitslos und das dürfte der Grund mit zum Selbstmord sein. Er wurde bereits seit vorigem Mittwoch vermisst. Gestern wurde er auf dem Trinitatisfriedhof beerdigt.

3. September 1914
Erfreulicherweise hat unsere Stadt in diesen ernsten Zeiten für arbeitslose Einwohner Notstandsarbeiten vornehmen lassen und will dies auch noch fernerhin tun. Die Schleusenänderungen an der Logenstraße sind bereits sehr weit fortgeschritten und es sollen nun weitere Notstandsarbeiten am Neustädter Teichplatz vorgenommen werden. Der bisher gezahlte Lohn für diese Arbeiten betrug gegen 1000 Mk. pro Woche. Die hiesigen freien Gewerkschaften dürften gegenwärtig gegen 300 arbeitslose Mitglieder in unserer Stadt zu unterstützen haben, für die eine wöchentliche Gesamtunterstützung von ungefähr 1800 Mark gezahlt wird.

Ein treuer Führer der 1. Kompagnie unserer Freiw. Feuerwehr, Herr Hauptmann Stübner, konnte auf eine 50jährige Dienstzeit zurückblicken. Aus diesem Grunde fand im „deutschen Hause“ eine Feier statt, die im Hinblick auf den Ernst der Zeiten in ganz schlichtem Rahmen gehalten war. Herr Bürgermeister Dr. Patz überreichte dem Treuverdienten unter herzlichen Glückwünschen die städtische Ehren-Urkunde, Herr Stellv. Hauptmann Rudelt seitens der Wehr eine künstlerische Glückwunsch-Tafel. Herr Ehrenhauptmann Redslob gedachte der im Felde stehenden Kameraden. Der Feier wohnten als willkommene Gäste auch die Herren Hauptleute der 2. Kompagnie bei.

Von Frau Nötzold, die, wie wir gestern berichteten, wegen des Krieges nicht in der Lage ist, zu ihrem Manne nach der belgisch-französischen Grenze zurückzukehren, wird uns mitgeteilt, daß sie noch völlig im unklaren darüber ist, was aus dem Besitztum, das sie und ihr Mann zurücklassen mußten, geworden ist. Auf Anfrage beim deutschen Auswärtigen Amt in Berlin ward ihr die Auskunft, daß eine Antwort erst nach mehreren Wochen möglich sei wegen der außerordentlichen Erschwerung des Post- und Telegraphenverkehrs.

4. September 1914
Der kürzlich im „Tageblatt“ erschienene Aufruf betr. Stellung von Betten für leicht verwundete oder erholungsbedürftige Krieger und Uebernahme der freien Beköstigung derselben hat einen schönen Erfolg gehabt. Bis heute sind 76 Betten gezeichnet. Morgen soll die Liste abgeschlossen werden; wer sich den Zeichnern noch anschließen will, möge dies ungesäumt bei einer der in unserer Dienstags-Nummer genannten Stellen oder bei Herrn San.-Rat. Dr. Eichhoff melden.

8. September 1914
Wir haben uns schon des öfteren gegen das nächtliche Schreien und überlaute Singen, das man als Gröhlen und Brüllen bezeichnen muß, gewandt. Heute gehen uns von Anwohnern der Bismarckstraße Klagen zu, über das Benehmen junger Leute, in der Mehrzahl Mädchen, die auf dem Heimwege einen derartigen Lärm verursachen, daß die Nachtruhe aufs ärgste gestört wurde. Hoffentlich gelingt es unserer Polizei recht bald einmal, solche Radaulustigen festzustellen und ihnen ein paar Mark Strafe abzuknöpfen, damit sie dann nicht mehr in so wüster Weise die Ruhe ihrer Mitmenschen stören.

15. September 1914
Mit geradezu unheimlicher Gewalt raste gestern und zumteil auch heute noch der Sturm durch die Straßen und richtete verschiedentlich großen Schaden an Häusern im Walde und in den Gärten an. Viele Dächer wurden arg mitgenommen, in den Anlagen, an Straßen und in Gärten starke Bäume umgeknickt usw. Der Sturm peitschte die Regenmassen daher, daß das Begehen der Straßen gestern zuzeiten mit Schwierigkeiten verknüpft war.

29. September 1914
Wieder hat ein Kind unserer Stadt das Eiserne Kreuz II. Klasse erhalten. Herrn Max Hochmuth von der 8. Kompagnie des Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 106, auf der Karlstraße wohnhaft, wurde für sein tapferes Verhalten bei nächtlichen Patrouillen, die wertvolle Aufklärung brachten, diese hohe Auszeichnung verliehen.

Nach hierher gelangten Nachrichten hat am 16. September in Frankreich ein Sohn des am Seidelberge wohnenden Gärtnereibesitzers Paul Haugk den Heldentod fürs Vaterland erlitten. Haugk machte den Feldzug als Unteroffizier beim 104. Infanterie-Regiment mit. Amtlich wurden die Angehörigen bis jetzt noch nicht in Kenntnis gesetzt. Damit erhöht sich die Zahl der bis jetzt aus unserer Stadt gefallenen Kämpfer auf acht. – Eine betrübende Meldung erhielt auch die Familie des in der Neustadt wohnenden Werkschuldrektor Emil Haugk; deren Sohn hat seinen Eltern mitgeteilt, daß er im verwundeten Zustande in französische Gefangenschaft geraten
ist.

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