Juli 1913

1. Juli 1913
Ehrendiplome der Stadtverwaltung für 25- jährigen ununterbrochenen Dienst bzw. Arbeitszeit wurden heute Vormittag in drei Fällen ausgehändigt. Bei der Firma Halpert & Co. erhielt es die Spulerin Fräulein Auguste Marie Hoborla (Fr. bei A. Albert) und bei der Firma Gebr. Säuberlich wurden Herr Brokurist Ernst Bernhard Biermann und Herr Erpedient Karl Hermann Kluge damit ausgezeichnet. Die Überreichung erfolgte unter entsprechender Beglückwünschung durch Herrn Bürgermeister Dr. Jubilar mit einem Geschenk.

Auch die Handelskammer Chemnitz verlieh dem Brokuristen der Firma Gebr. Säuberlich, Herrn Bernhard Biermann, für 25- jährige treue Dienste in derselben Firma eine Ehrenurkunde.

Als ein Muster von Sesshaftigkeit darf wohl die Familie Schumann angesprochen werden, die am heutigen 1. Juli vierzig Jahre lang in einem Hause wohnt, und zwar Altmarkt 10, Ecke Karlsstraße, im früheren Bergamtshause, das gegenwärtig Herrn Paul Starke gehört. Während Herr Schumann, der frühere Ratskanzlist, vier Dezennien in ein und demselben Hause Freud und Leid mit den Seinen teilte, hat in dieser Zeit das Haus selbst heute den vierten Besitzer aufzuweisen. Gestern erschien im Auftrage des Hausbesitzervereins dessen Vorsteher Herr Theodor Wächter in der Wohnung des Herrn Schumann, um ihm unter anerkennenden Worten und den Wünschen, dass es ihm vergönnt sein möge, noch recht lange in der bisherigen Rüstigkeit dieselbe Wohnung innehaben zu können, ein Diplom des Hausbesitzervereins zu überreichen, das das erste dieser Art ist. Auch Herr Starke als Hauswirt erfreute den Jubilar mit einem Geschenk.

4. Juli 1913
Wie wir hören, ist die hiesige Maschinenfabrik von Theodor Lieberknecht mit der Firma Schubert und Salzer, Aktiengesellschaft, Maschinenfabrik in Chemnitz verschmolzen worden. Herr Theodor Lieberknecht wird Direktor des neuen Unternehmens. Man darf hoffen, dass mit dieser Veränderung eine wesentliche Vergrößerung und Ausdehnung des Etablissements verbunden ist, die vielen Arbeitskräften hier lohnenden Verdienst verschaffen dürfte.

8. Juli 1913
Das Kunzegässchen, dessen Umbau wir kürzlich meldeten, hat, nachdem es so gut wie fertiggestellt ist, ein recht schmuckes Aussehen erhalten. Längs seiner Ausdehnung begrenzen es, soweit nicht Baulichkeiten infrage kommen, schöne Zäune auf beiden Seiten. Es wird ein beliebter Verbindungsweg zwischen dem Altmarkt und der Konrad- Claus- Straße werden, umsomehr, als durch die Verbreiterung der Verkehr ein besserer und bequemer geworden ist und es auf seiner größeren Hälfte von Gärten begrenzt wird. Zugleich mit dem Ausbau des Gässchens wird der zukünftige Budengeräteschuppen der Stadt bessere Zufahrtsgelegenheit bekommen.

Der aus unserer Stadt gebürtige, in Radebeul verstorbene Schriftsteller Karl May hat sein gesamtes Vermögen und die aus seinen Werken während der dreißigjährigen Schutzfrist stammenden Einkünfte einer Stiftung vermacht, deren Erträgnisse unbemittelten Talenten und invaliden deutschen Schriftstellern und Journalisten zukommen sollen. Die Witwe Mays hat bei ihren Lebzeiten die Nutznießung. Die Witwe, der bisherige Verleger von Mays Werken, E. Fehsenseld, und Dr. E. Schmidt haben, um der letztwilligen Verfügung nachzukommen, den Verlag der Karl- May- Stiftung gegründet, der Verlagsrecht und Vertrieb der Mayschen Werke auszuüben hat.

9. Juli 1913
Wenn Frauen sich treffen, haben sie sich viel zu erzählen und wenig Aufmerksamkeit für die Umgebung. Auf dem Altmarkt, Ecke der Weinkeller- und Dresdnerstraße, hatten sich gestern während des Wochenmarktes zwei Frauen dermaßen in ein Gespräch vertieft, dass sie trotz mehrerer Zurufe ein daherkommendes Geschirr nicht bemerkten. Die jüngere der Frauen wurde gestreift und mit zwei kleinen Knaben, die sich in ihrer Begleitung befanden, niedergerissen. Zum Glück kamen aber alle drei Personen ohne Schaden davon. Die Frau muss sich aber über die Unterbrechung sehr geärgert haben, denn sie verabreichte beiden Knaben Schläge, trotzdem dieselben an dem Unfall keine Schuld trugen.

18. Juli 1913
Interessant für den Zuschauer und sehr gefahrvoll für die Ausführenden gestalten sich die Dachdeckerarbeiten am Turmdach der St.- Christophori- Kirche. Die Kehlen unterhalb der Kuppel werden durch die hiesige Dachdeckerfirma Schrepel mit Zinkblech ausgeschlagen, zu diesem Zwecke ist ein Schwebegerüst gebaut, auf dem die Dachdecker hantieren. Außerdem hat unsere Kirche Reparaturen, soweit sie ohne großes Gerüst erreichbar waren, erfahren.

19. Juli 1913
Gedenktafeln an Bürgerhäusern vermögen auch den bescheidenen Straßen der Mittel- und Kleinstädte ein historisches Gepräge zu verleihen. Wo sie, wie bei uns, nicht von Beschießungen oder Hochwässern Kunde geben können, da können sie die Erinnerung an Persönlichkeiten u. a. wachhalten. So befindet sich am Christophori- Pfarrhause eine Tafel, die besagt, dass in diesem Hause der Naturforscher und Naturphilosoph G. H. v. Schubert geboren ist, und ein Haus am oberen Altmarkt rühmt sich durch die Tafel, die es trägt, einmal Quartier des Generalfeldmarschalls Grafen v. Moltke gewesen zu sein. Auch das Gedächtnis an Verschwundenes kann auf diese Weise erhalten werden. Dies ist neuerdings in hiesiger Stadt ebenfalls geschehen. Seit wenigen Tagen befindet sich an der Stützmauer des ehemaligen Lampertusgrundstücks eine Tafel mit der Inschrift: „St. Lampertus, letzte Zeche des Hohensteiner Bergbaues. Stillgelegt 1910.“ Der Wanderer der vorübergeht, wird dadurch an die frühere Eigenschaft Hohensteins als einer Bergstadt erinnert. Dass auf dem Grundstücke die letzte Stätte des Jahrhunderte lang betriebenen Bergbaues sich befand, kann man ihm jetzt nicht mehr ansehen, nachdem die bergmännischen Gebäude bis auf das, einem der Wohnhäuschen jener Gegend gleichenden Huthaus verschwunden sind. Durch die Tafel erhält man hiervon Kenntnis und wird auch der Name des benachbarten Gasthauses „Zur Zeche“ und derjenige der vorüberführenden Straße, die der Volksmund noch immer „Zechenstraße“ nennt, erklärt.

25. Juli 1913
Infolge der von hiesiger Stadtverwaltung seit einigen Jahren ausgeübten Reklame für unsre Stadt wird diese immer mehr und mehr das Ziel von Ausflüglern aus den Orten der näheren und weiteren Umgebung. Mit Stolz und Freude hört der Einheimische die Ausrufe des Entzückens der Fremden über dieses schöne, bislang so unbekannte Fleckchen Erde inmitten des Sachsenlandes. Die Bürgerschaft ist aber auch bestrebt gewesen, das Geschenk der Natur, den hochaufragenden Berg mit der herrlichen Aussicht auf das sich terassenförmig bis zu seinen Hochgipfeln auftürmende Erzgebirge zu verschönern und zu erschließen. Junger Laubwald rauscht auf den ehedem kahlen Feldern. Auf Sportplätzen tummelt sich die Jugend. In der großen Turnhalle und auf dem benachbarten Turnplatze übt die straffe Schar gestählter Turner. Unterkunftshalle, Kinderspielplatz, Luft- und Sonnenbäder des Naturheilvereins, umgeben von einem lieblichen Kranze blumenreicher Schrebergärtchen, laden zum Besuche ein. In den Schluchten ehemaliger Steinbrüche sind reizende Ruheplätzchen im lauschigen Grün vorhanden. Am Fuße der einen Felsenwand, in wundervoller Naturszenerie, finden durch eine treffliche Truppe die Vorstellungen des Naturtheaters statt. Für den Winter stellen Sporthaus und Rodelbahn andere Genüsse in Aussicht. Am Steilabsturz des Berges ragt das gut bewirtschaftete Berghotel, in dem erzgebirgische Volkssänger für Gemütlichkeit sorgen. Fürwahr, der Fremde tut wohl daran, nach arbeitsreicher Woche aus den Industrieorten nach jenen vom frischen Bergwind umwehten Höhen zu pilgern, auf denen durch das am 10. und 11. August stattfindende Bergfest im Stile von 1813 noch ein Ertraggenuss geboten werden soll.

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