Februar 1912

02. Februar 1912
Der Bau der Turnhalle des Vereins „Turnerbund“ ist nun soweit vorgeschritten, daß die Handwerker im Innern der geräumigen Turnhalle die letzte Hand anlegen und die Arbeiten bald beendet sein werden. Die Leitung des Vereins hofft in spätestens 2 Wochen die Räume zu turnerischen Zwecken benutzen zu können. Mit Beginn des Frühjahres soll dann auch der umfangreiche Turnplatz der südlich der Halle am Bergeshang zu liegen kommt, fertiggestellt werden. Die offizielle Einweihung der Turnhalle erfolgt wie nun bestimmt festgelegt ist, am 12. Mai d. J. Mit dieser Einweihung ist ein großes Sportfest mit Wetturnen verbunden, an dem sich die besten Turner Sachsens beteiligen werden. Die gesamten Baukosten dürften voraussichtlich bald 100.000 Mark erreichen.

04. Februar 1912
Heute mittag verfügten sich die Herren Bürgermeister Dr. Patz und Stadtrat Anger in die Wohnung des Herrn Kaufmann Bernhardt, um ihn davon in Kenntnis zu setzen, daß mit Genehmigung Sr. Majestät des Königs das Königl. Ministerium des Innern ihm Anerkennung seines langjährig verdienstvollen Wirkens als Ratsmitglied der Titel „Stadtrat“ verliehen habe. Der Herr Bürgermeister überreichte die ministerielle Verordnung hierüber und brachte die Glückwünsche der Stadtgemeinde dar.

10. Februar 1912
Eine recht gefährliche Fahrt machte heute nachmittag gegen ¾ 2 Uhr das mit einigen Säcken beladene Köhlersche Geschirr aus dem Hüttengrund. Gerade zu der Zeit, als die meisten Kinder auf dem Wege zur Schule waren, kam das zweispännige Gefährt in schnellstem Tempo die Schulstraße hinein: die auf dem Wagen Sitzenden hatten wohl das Schleifzeug angedreht, die Bremse wirkte jedoch nicht genügend und die Pferde vermochten den Wagen nicht zu halten. Der Zusammenstoß mit dem Gaskandelaber am Eingang zum unteren Schulhause erst machte der tollen Fahrt ein Ende. Hierbei Hierbei kam eines der beiden Pferde zum Stürzen und zog sich am vorderen rechten Oberschenkel eine stark blutende Wunde zu. Der Kandelaber wurde abgebrochen und die Laterne ging in tausend Trümmer. Der Unfall konnte sich leicht schlimmer gestalten, wenn der Zusammenprall mit den Kandelaber nicht erfolgt wäre.

14. Februar 1912
Ein aufregender Vorgang spielte sich gestern mittag an der Dresdner Straße neben dem Gasthof „Goldener Ring“ ab. Vor einem schnell vorüberfahrenden Automobil scheute das Pferd eines dort haltenden auswärtigen Landmannes und rannte mit dem leichten Wagen nach dem Meinsdorfer Weg zu, machte dann Kehrt und raste die Dresdnerstraße hinein, wobei unterwegs der hintere Teil des Wagens verloren ging. Neben dem Geschäftshaus der Firma Bohne u. Sohn kam das scheue Tier zum Stürzen und blieb mit der Wagendeichsel und den vorderen Rädern kurze Zeit liegen. Es sprang schließlich wieder auf, konnte aber durch schnell hinzukommende Leute aufgehalten werden. Zum Glück scheint das Tier keine keine nennenswerten Verletzungen erlitten zu haben. Personen sind auch nicht zu Schaden gekommen. Die Nummer des Autos wurde festgestellt.

18. Februar 1912
An die Zeiten des hiesigen Bergbaues, der bekanntlich gegenwärtig ganz zum Stillstand gekommen ist, erinnert die alte Bergfahne, die der Hohensteiner Knappschaft gehörte und im Jahre 1791 von hiesigen Jungfrauen geschenkt wurde. Sie befindet sich jetzt im Stadtmuseum im Stadthause. Um sie von dem gänzlichen Verfall zu retten – die Seide war nämlich durch das Alter so morsch geworden, daß das Fahnentuch infolge Verlust von Tuchteilen immer unansehnlicher wurde – ist sie auf beiden Seiten mit weitmaschiger Gage belegt und in genügend großen Abständen mit Steppnähten versehen worden. Dadurch wird vor allen Dingen auch, die Fahnenzeichnung, die aufgemalt ist – nur die Jahreszahl 1791 ist in Seidenstickerei angebracht – , auf die Länge hinaus erhalten bleiben. Die Zeichnung weist das Hohensteiner Bergwappen auf, das aus zwei schräg zueinander stehenden ovalen Schildern und zum darunter befindlichen Gemälde (Hammer und Schlegel) besteht. Das eine Schild zeigt das sächsische Wappen mit den Kurschwertern, das andere das schönburgische Wappen. Das ganze ist umrahmt von einem Kranz von Eichenzweigen. Das Fahnentuch ist mit gelber und schwarzer Franse eingefasst, dieselben Farben zeigt auch der Fahnenstock. Das alte Wahrzeichen erinnert an die Zeit, da der bergbau unter oder durch den Posamentier Anger aus Grünhain einen kurzen Aufschwung erlebte, welch letzterer erst durch die Napoleonischen Unruhen wieder verebbte. – Übrigens kann bei dieser Gelegenheit empfehlend auf unser Stadtmuseum hingewiesen werden. Was dort in verhältnismäßig kurzer Zeit durch emsigen Fleiß des betreffenden städtischen Beamten und die Unterstützung der Bürgerschaft zusammen gekommen ist, kann sich, so jung auch das Unternehmen ist, sehen lassen. Geräte und Gegenstände aller Art, Bilder aus allen Zeitläufen seit Bestehen der Stadt, Waffen, Bücher, Münzen, alte Schriften und Urkunden, Möbel und Handwerksgerät unserer Voreltern, Hausrat aus der „guten alten Zeit“, kurz alles mögliche, das in seiner Gesamtheit ein getreues Bild vergangener Zeiten darstellt, findet man hier vereint. Leider ist der Raum ein viel zu beschränkter, als daß das einzelne Stück voll zur Geltung kommen könnte. Sicher hat die Stadtverwaltung in absehbarer Zeit mit der Vergrößerung des Raumes zu rechnen. Ein Besuch ist aber auch jetzt schon jedermann zu empfehlen. Er ist kostenlos und muß nur vorher auf der Polizeiwache des Stadthauses gemeldet werden.

24.02.1912
Die Errichtung eines landwirtschaftlichen Gutes hat, wie wir hören, Herr Richard Scheer, Chemnitzerstraße, in Anlehnung an seine Scheune auf dem Pfaffenberge unweit des herrschaftlichen Steinbruches, geplant. Ein geräumiges Gebäude, das Wohn- und Vorratsräume und Stallungen enthalten soll, kommt südlich der Scheune, mit der Front nach der Stadt, zu stehen. Es wird mit seinem Flügelanbau und der dahinter liegenden Scheune den Gutshof umschließen, der nach Osten offen ist, gegen Westwinde aber durch den erwähnten Flügelanbau geschützt wird. Es ist erfreulich, zu sehen, wie die Aufschließung des Berges durch den Erzgebirgsverein erfreulichen Fortgang findet und auch, wie hier, Leute zu Siedlungen veranlasst, die erst inmitten ihrer Grundstücke zu vollem Erfolge kommen werden. Solche Unternehmen können ja nur erst gewagt werden, wenn an Hand von Beispielen die Siedelungsmöglichkeiten bewiesen ist.

25.02.1912
Herr Fabrikant Alfred Zwingenberger hat von der Stadt den größten Teil des an der König Albertstraße neben dem Kgl. Amtsgericht gelegenen Areals gekauft, um auf diesen eine Wirkwarenfabrik zu errichten. Man ist bereits mit dem Wegfahren des oberen Landes beschäftigt und wird schon in den nächsten Tagen mit den Ausschachtungsarbeiten beginnen.

Einen empfindlichen Verlust erlitt vorgestern gegen abend der Besitzer der „Roten Mühle“, Herr Otto Uhlig; dieser hatte seinen 13-jährigen Sohn beauftragt, von der hiesigen Sparkasse 100 Mark abzuheben. Als der Junge auf dem Heimweg begriffen war, spielten mehrere gleichaltrige Knaben auf dem Altstädter Schützenplatz Fußball. Der kleine Uhlig schloß sich den Spielern an und legte sein Portemonnaie mit den rund 100 Mark in Gold vorläufig auf den Erdboden, zur Sicherheit noch die Mütze darauf deckend. Als das Spiel beendet war und der Knabe das Geld wegnehmen wollte, war es verschwunden, irgendein Langfinger hatte es unterdessen gestohlen, während das Sparkassenbuch noch dalag. Hoffentlich sind die polizeilichen Recherchen nach dem Dieb von Erfolg.

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