Februar 1910

02. Februar 1910
Abermals hat ein verheerendes Schadenfeuer eine unserer größeren Fabriken eingeäschert, nachdem erst vor wenigen Wochen die Lieberknecht´sche Maschinenfabrik den Flammen zum Opfer gefallen ist. Vergangene Nacht kurz nach 2 Uhr brach in dem nach der Stadt zu gerichteten Flügel der auf der Goldbachstraße gelegenen Strumpfwarenfabrik von Ernst Dorn ein Brand aus, der sich schnell über die ganze Anlage verbreitete und in wenigen Stunden dieselbe in Asche legte. Auf die Hornsignale der Bahnhofswächter eilte schnell unsere Feuerwehr zum Brandplatze, die aber nach Lage der Sache wenig auszurichten vermochte und sich darauf beschränken mußte das Wohnhaus zu schützen. Wasser war so gut wie keins vorhanden; ein hinter der Fabrik gelegener kleiner Teich war nahezu trocken und die städtische Wasserleitung führt nicht bis in die dortige Gegend da ja die Goldbachstraße zu Oberlungwitz gehört und die Lungwitzer Wasserleitung noch nicht bis zu dem beregten Grundstücke gelegt ist. So mußte das Wasser einem Brunnen entnommen werden und die geringe Ergiebigkeit desselben reichte gerade zu, notdürftig das Wohnhaus und einen kleinen Schuppen zu schützen. Später wurde eine lange Strangleitung von einem städtischen Hydranten am Bahnhof gelegt, indessen konnte auch damit die vollständige Vernichtung der Fabrik nicht aufgehalten werden. Herr Dorn war zur Zeit voll beschäftigt und hatte etwa 80 Arbeiter, von denen der größte Teil in anderen hiesigen Fabriken sofort Arbeit finden dürfte. Der Schaden, der ja ziemlich beträchtlich ist, ist durch die Versicherung gedeckt. Ueber die Ursache des Brandes verlautet nichts Sicheres; nach einer Annahme soll das Feuer zuerst in der Frauengarderobe oder im Lagerraum bemerkt worden sein, doch dürfte erst die Untersuchung weiteres ermitteln. Die Feuerwehr von Oberlungwitz, wo infolge des vorgelagerten Höhenrückens überhaupt nichts von dem Feuer bemerkt worden war, wurde erst in der fünften Morgenstunde allarmiert, sie konnte aber gleich der hiesigen zur Rettung der Fabrik nichts mehr tun.

11. Februar 1910
Ein recht fatales Versehen passierte am Dienstag abend einer auf dem Neumarkt wohnenden Fabrikwebersehefrau. In deren Wohnung erschienen zwei etwa 12 Jahre alte, als Masken verkleidete Schulmädchen. Wie dies bei solchen Gelegenheiten üblich ist, gab die Frau einem der Mädchen vermeintlich ein zweipfennig- und ein Einpfennigstück, worauf beide Masken wieder weitergingen. Kaum waren aber beide fort, als die Frau die Wahrnehmung machte, daß sie in der Eile anstatt einen Pfennig ein Zehnmarkstück verschenkt hatte. Zwar wurden die beiden Mädchen bald ermittelt, aber die Hoffnung der Frau, wieder zu dem Geldstück zu kommen, ist gering, denn die Kinder bestreiten, ein solches erhalten zu haben.

15. Februar 1910
Gestern war der erste diesjährige Wintersonntag, wo die Rodelbahn im Goldbachgrunde ununterbrochen in Betrieb war. Bereits in den zeitigen Vormittagsstunden hatten sich große und kleine Rodler eingefunden, um den Sport nochmals ausgiebig zu huldigen. Doch meinte es die Sonne so gut, daß die Bahn gegen Mittag ziemlich aufgeweicht war, weshalb die Schlitten schlecht von der Stelle gingen. Doch die Jugend weiß sich zu helfen und in kürzester Zeit war neben der alten Rodelbahn eine zweite bessere hergerichtet. Unglücksfälle sind glücklicherweise nicht vorgekommen.

16. Februar 1910
30 Jahre sind ins Land gegangen, seitdem die hiesige freiwillige Feuerwehr gegründet wurde. Viel ist geleistet worden in dieser Reihe von Jahren und die Devise: „Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr!“ die die einstigen Gründer beseelte, beherrscht noch heute wie damals die Wehrleute, wenn der Ruf an sie herantritt. Daß aber auch ein echt kameradschaftlicher Geist in dieser Kooperation steckt, bewies wiederum so recht die gestrige Feier des 30. Stiftungsfestes, die im schön geschmückten Saale des „Zu den drei Schwanen“ abgehalten wurde und einen allseitig befriedigenden Verlauf nahm. Neben den zahlreichen Angehörigen, Gästen und Ehrengästen – erschienen war Herr Gemeindevorstand nebst einigen Gemeinderatsmitgliedern – waren auch einige Nachbarwehren vertreten. Im Verlaufe des Abends entbot der Kommandant, Herr Ernst Vogel, den Anwesenden einen herzlichen Willkommensgruß. Ganz besonders begrüßte Redner aber Herrn Gemeindevorstand Götze, der zum erstenmale in seiner Eigenschaft als Gemeindevorstand anwesend sei, dabei dem Wunsche Ausdruck gebend, daß Herr Götze sein Wohlwollen der Wehr auch fernerhin bewahren möchte. Mit einem Hoch auf die Gäste und einem freudigst aufgenommenen Hurra auf den Protektor der sächsischen Wehre, Se. Majestät König Friedrich August, schloß der Kommandant seine Ansprache. Die Aufführung eines Theaterstückes, in dem die Mitwirkenden ihr Bestes boten, verschönte das Fest noch ganz besonders.

19. Februar 1910
Unter außerordentlich zahlreicher Beteiligung von Leidtragenden ist heute Vormittag vom Bahnhofe aus der am 11. dfs. Im fernen Süden in den Armen seiner Gattin und seiner greisen Mutter nach längerer Krankheit verstorbene Fabrikbesitzer und Oberleutnant d. L. Herr Otto Säuberlich in der Familiengruft auf dem hiesigen Friedhofe beigesetzt worden, der in allen Kreisen durch seine geschäftliche Tüchtigkeit wie seine persönliche Liebenswürdigkeit sich allgemeiner Achtung und Beliebtheit erfreute. Alle die aber, die ihm im Leben näher standen, haben in ihm einen treuen, aufopferungsvollen Freund verloren, dessen Hinscheiden das tiefe Bedauern weckt.

Ein aufregender Vorgang spielte sich gestern mittag auf der Weinkellerstraße ab. Eine auf der Lichtensteinerstraße wohnende ältere Frau wurde, während sie zur Arbeit ging, von einem heftig aus seiner Haustür herausjagenden großen Hund umgerissen und dermaßen auf die Straße geschleudert, daß sie fast bewußtlos liegen blieb. Sie war mit dem Kopf auf das Straßenpflaster gestürzt und mußte von einem vorübergehenden Herren aufgehoben werden. Die Frau klagte über heftige Schmerzen im Kopf und Rücken und mußte sich sofort in ärztliche Hilfe begeben. Dieser Fall dürfte eine erneute Warnung sein, große Hunde nicht ohne Leine und Begleitung auf die Straße zu lassen.

26. Februar 1910
Nachdem sich erst vor kurzem in hiesiger Stadt ein Kanarienzüchterverein gegründet hat, hat sich vorige Woche im Ortsteil Hüttengrund ein Männergesangsverein gebildet, der seinen Sitz im Etablissement „Hüttenmühle“ hat. Zum provisorischen Vorstand wurde Herr Theodor Bolick bestimmt. Uebrigens macht das Vereinswesen im Hüttengrund gute Fortschritte. Erst gab es dort blos einen Turnverein und einen Militärverein. In den letzten Jahren sind aber dort noch entstanden: ein Radfahrerverein, Ortsverein und eine Feuerwehr, und daß zu dem allen auch die Musik nicht fehlt, will man in der nächsten Zeit einen Konzertinaklub gründen.

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