April 1914

4. April 1914
Seit einiger Zeit waren im Forstrevier Hainholz aus jüngeren Anpflanzungen Bäumchen, vor allem Blaufichten und Lärchen, gestohlen, worden, ohne daß es gelingen wollte, den Täter zu fassen. Am heutigen zeitigen Morgen endlich wurde ein vielfach vorbestraftes, stadtverwiesenes und unterstandsloses Individuum im Hainholz betroffen, als es Huflattich ausgrub, der jetzt bekanntlich vielfach als Hustenmittel eingetragen wird. Da die Vermutung bestand, daß der Mann auch dem Diebstahle der Waldbäumchen nicht fernstand, wurde er eingehend befragt und gestand nach längerem Leugnen auch, die kleinen Bäume gestohlen und hier in der Stadt das Stück für 15 Pfennige verkauft zu haben. Der Mann wurde verhaftet und in das hiesige Kgl. Amtsgericht eingeliefert.

5. April 1914
Auf dem Grundstück des Naturheilvereins herrscht seit einiger Zeit reges Leben und fleißige Hände sind eifrig bemüht, das erweiterte Grundstück, das bekanntlich von der Stadt gepachtet wurde, gärtnerisch herzurichten. Die Umzäunung wurde schon vor einiger Zeit ausgeführt, während die anderen Arbeiten auch flott vorwärtsschreiten. In der nächsten Zeit dürfte auch mit dem Bau eines Zweifamilienwohnhauses auf dem Vereinsgrundstück begonnen werden. Die Ausführung wurde einem hiesigen Baugeschäft übertragen.

7. April 1914
Durch rücksichtsloses scharfes Fahren verunglückte gestern nachmittag auf der Badstraße ein in den 30er Jahren stehender auswärtiger Radler. Derselbe wollte auf der steilen Straße einen vor ihm herfahrenden jungen Mann überholen, verlor aber dabei die Gewalt über sein Vehikel, so daß er an den Gartenzaun eines an der Bismarckstraße stehenden Hauses fuhr, wobei er vom Rad geschleudert wurde. Der unvorsichtige Radler erlitt erhebliche Hautabschürfungen, namentlich im Gesicht. Auch wurde sein Rad beschädigt.

14. April 1914
Unser neuer Stadtmusikdirektor Herr Schäffer aus Crimmitschau hat die Geschäfte der Kapelle übernommen. Gestern erfolgte hier sein Einzug. Die dem Stadtmusiker angehörigen Mitglieder brachten ihren neuen Chef vor seiner auf der Bahnstraße gelegenen Wohnung ein Begrüßungsständchen.

15. April 1914
Noch gut abgelaufen ist gestern nachmittag im Garten eines hiesigen Restaurants ein unangenehmer Vorfall. Dort stürzte das 1 1/2 Jahre alte Kind eines hiesigen Nadelmachers in einen Wasserbottich, der den Enten des Besitzers zum Baden dient. Das 12 Jahre alte Mädchen, das das Kind beaufsichtigte, hatte zum Glück den Vorgang bemerkt, so daß man das kleine Kind noch rechtzeitig aus dem Wasser entfernen konnte. Die Mutter des Kindes erschrak dermaßen, das sie ohnmächtig wurde.

17. April 1914
Heute vormittag fand die gerichtliche Zwangsversteigerung des Mineralbades und zwar im Gesellschaftszimmer des Bades selbst statt. Da das Bad dem Amtsgericht Lichtenstein untersteht, so leitete die Amtshandlung Herr Assessor Dr. Elsperger von dort. Die Hypothekengläubiger waren vollzählig erschienen, des weiteren hatte sich eine Anzahl Bieter eingefunden, unter ihnen die Herren Bürgermeister Dr. Patz, Stadträte Anger und Bohne und Stadtbaumeister Matzinger von hier. Nachdem pünktlich um 9 Uhr der Versteigerungstermin eröffnet war, wurde zunächst aus den Akten festgestellt, daß das Bad mit den dazugehörigen Liegenschaften mit 155 000 Mk. Hypotheken belastet ist, und zwar sind an erster Stelle die Sparkasse Marienberg mit 75 000 Mk., dann Herr Rechtsanwalt Kronfeld in Wilsdruff mit 9000, die Erben des verstorbenen Mühlenbesitzers Modes in Stein mit 41 000 und die Privata Frl. Zschimmer in Tollewitz mit 30 000 Mk. eingetragen. Die Höhe der Brandkasse beträgt 122 950 Mk., der ein Gesamt-Schätzungswert der Baulichkeiten von 124 659 Mk. gegenübersteht. Die Gesamtschätzung aller Liegenschaften, also der Gebäude, Grundstücke, Wald, Feld, Wiesen, Teich usw., welch letztere für sich allein einen geschätzten Wert von 36 620 Mk. repräsentieren, stellt sich auf 161 279 Mk. und unter Hinzurechnung des Inventars (Mk. 5578,33) auf 166 889 Mk. 33 Pfg. Das geringste Gebot wurde dann auf 8109 Mk. 50 Pf. Festgestellt und dann 5 Minuten vor 11 Uhr die Abgabe von Geboten freigegeben. Zunächst bot Herr Rechtsanwalt Kronfeld-Wilsdruff für die Immobilien- und Terraingesellschaft in Dresden 90 000 Mk., dann boten – in langen Pausen – die Stadtgemeinde Hohenstein-Ernstthal durch Herrn Bürgermeister Dr. Patz 93 000 Mk., Herr Kronfeld 97 000 Mk., Herr Dr. Patz 98 000 Mk., die Modeschen Erben 99 000 Mk., Herr Dr. Patz 100 000 Mk. und schließlich die Modeschen Erben 101 000 Mk. Da niemand weiter bot, wurde das Bad kurz vor ¼ 1 Uhr dem letzten Bieter zugeschlagen. Besitzer des Bades aber wird unsere Stadtgemeinde Hohenstein-Ernstthal, da, wie wir hören, zwischen dieser und den Modeschen Erben ein Uebereinkommen abgeschlossen und sofort notariell festgelegt wurde, nach welcher das Bad mit allen Liegenschaften und Zubehör für den Preis von ungefähr 106 000 Mk. in den Besitz unserer Stadt übergeht. Wie wir jetzt verraten können, hatten unsere städtischen Kollegien Herrn Bürgermeister Dr. Patz ermächtigt, auf das Bad bis zur Höhe von 120 000 Mk. zu bieten. Diese Summe ist, wie ersichtlich, nicht erreicht worden, sodaß unsere Stadt zu einem verhältnismäßig billigen Preise in den Besitz eines Objektes gelangt, das unserer Stadt hoffentlich reichen Nutzen bringt.

22. April 1914
Der vielberufene nackte Mann spukt wieder einmal in der Nähe des „Logenhauses“ umher. Jetzt hat er sich sogar ein Fahrrad zugelegt, auf dem er flüchtet, wenn die Situation für ihn unangenehm wird. So hat er sich am Freitag wieder gezeigt, ohne daß es gelang, seiner habhaft zu werden. Obwohl der Kerl bisher von größeren Belästigungen der Passanten des vielbegangenen Weges abgesehen hat, so wäre es doch erwünscht, wenn das Individuum endlich gefaßt würde und die Beruhigung des Publikums aufhörte.

25. April 1914
Zum Höchstgebot auf das vor kurzem versteigerte Mineralbad ist nunmehr der Zuschlag erteilt worden, die Stadt Hohenstein-Ernstthal wird damit endgültig Besitzerin des Bades mit seinen Baulichkeiten und Liegenschaften.

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