April 1912

02. April 1912 – Karl May †
Wie uns heute mittag ein Telegramm aus Radebeul mitteilt, ist der Schriftsteller Karl May heute dort gestorben. Kaum von schwerer Krankheit genesen, weilte er erst noch in letzter Zeit in unserer Stadt, um für eine Prozess gegen seinen langjährigen Gegner Lebius hier tätig zu sein, am 16. April stand in seiner Angelegenheit gegen Lebius vor dem hiesigen Kgl. Schöffengericht Termin an: nun hat ihn der Allbezwinger Tod niedergerungen und ihm die Feder aus der müden Hand genommen. Neben den aufrichtigen und leidenschaftlichen Freunden hat Karl May in seinem Leben in gleichem Maße erbitterte Gegner gefunden und die letzten Lebensjahre haben ihm durch die unaufhörlichen Prozesse, die alte längst verjährte Jugendsünden wieder an das Tageslicht zerrten, seelische Qualen gebracht, die an seinem Mark und Kraft zehrten. Von der parteien Gunst und Hass verwirrt, schwand sein Charakterbild in der Geschichte: wir werden morgen in einer eingehenderen Würdigung unserem Landesmanne gerecht zu werden versuchen, der, man nehme alles nur in allem, ein nicht alltäglicher Mann war und als Schriftsteller Millionen für sich begeistert hat.

04. April 1912
In dieser Woche wird der begonnene Umbau im Etablissement „Hüttenmühle“ beendet sein und so kann die Einweihung an den Osterfeiertagen erfolgen, während der weiter vorgesehene Umbau später ausgeführt wird. War das oben genannte Etablissement schon seit Jahren ein beliebter Ausflugsort für Einheimische und Fremde, so wird jetzt, nach der Erweiterung, der Zuzug noch ein bedeutend größerer werden. Der Saal ist mit prächtiger Malerei ausgestattet; hier haben wirkliche Künstlerhände geschafft, deren Arbeiten auf jeden Besucher einen wirksamen Eindruck zu machen. Die Malereien sind vom hiesigen Malermeister Herrn Rudolf Viehweg ausgeführt worden. Wir wünschen dem rührigen Besitzer des Etablissements auch in seinem neuen Unternehmen recht guten Erfolg. Näheres belegen die Inserate in der nächsten Nummer des „Tageblattes“. – Postkarte Hüttenmühle –

10. April 1912
Gestern nachmittag gegen sechs Uhr fiel ein etwa fünfjähriger Knabe in einen Teich in der Nähe der Bleicherei Hüttenengrund. Das Kind wäre zweifellos ertrunken, wenn nicht Herr Schneider Schüppel von hier, der den Unfall mit angesehen hatte, herbeigeeilt wäre und den Kleinen dem nassen Element entrissen hätte. So kam das Kind mit dem Schrecken davon.

12. April 1912
Heute früh kurz nach 2 Uhr entstand im Hotel „Schweizerhaus“ am Bahnhof ein Brand, der aber glücklicherweise bald gelöscht werden konnte. In einem Raume neben der Stube des Hausdieners lagert verschiedenes Gerümpel, leere Weinflaschen, Strohumhüllungen dazu usw. Ueber diesen Raum führt ein tönerenes Ofenrohr in die Esse, und man nimmt an, daß durch dieses Rohr der Brand entstanden sein kann. Beide Kompagnien unserer Freiwilligen Feuerwehr waren bald zur Stelle und ihren Bemühungen gelang es, den Flammen Einhalt zu tun. Der Brandschaden ist wie bei dem gleichen Anlaß im vorigen Sommer, gering.

16. April 1912
In der Nähe der Zentralstraße fiel gestern ein frei herum laufender größerer Wolfspitz einige Passanten an. Während erwachsene Leute das bissige Tier durch brennende Zigarren und Stöße vom Leibe halten konnten, wurde ein 14jähriger Knabe von der Oststraße von dem Köter ohne jede Veranlassung in die Beine gebissen. Der Vorgang wurde dem Besitzer des Tieres durch Augenzeugen gemeldet und der Knabe entschädigt. Besser wäre es aber doch, wenn solche tierische Wegelagerer an der Leine geführt würden.

19. April 1912
Gestern abend in der 9. Stunde entstand vor dem Eckhaus der Bismarck- und Schillerstraße ein größerer Menschenauflauf, veranlaßt durch einen 13 Jahre alten Jungen, der aus den Fenstern eine zeitlang um Hilfe schrie, da sich nach seinen Angaben im Hause ein fremder Mann befinden sollte. Während ein junges Mädchen auf die Polizeiwache rannte, um Hilfe zu holen, machten sich zwei Männer im Haus auf die Suche nach dem Eindringling; auch die Polizei suchte später mit, fand aber nirgends etwas verdächtiges. Nach längerem Forschen klärte sich schließlich die Angelegenheit auf. In der Nähe des offenen Kammerfensters hing ein – Mantel, der sich im Luftzug hin und her bewegte und in der Dämmerung auf den Jungen den Eindruck machte, daß es ein Mensch sei.

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